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Franz von Assisi  Aus dem Französischen von Jochen Grube
(Orig.: Saint François d‘Assise, Gallimard, Paris)
Franz von Assisi


Aus dem Französischen von Jochen Grube

(Orig.: Saint François d‘Assise, Gallimard, Paris)





Jacques Le Goff

Klett-Cotta
EAN: 9783608942873 (ISBN: 3-608-94287-4)
272 Seiten, Festeinband mit Schutzumschlag, 13 x 21cm, 2006, 12 Seiten Farbtafeln

EUR 19,50
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
»Eine beeindruckende Persönlichkeit seiner Zeit bis heute« Jacques Le Goff



Wer einen Zugang zum Leben und zur Spiritualität einer der beeindruckendsten Gestalten des Mittelalters sucht, findet ihn in diesem, vielleicht persönlichsten Buch des großen Mittelalterhistorikers Jacques Le Goff.

Wegweisend und in seinem Zugriff einzigartig, dokumentiert es Le Goffs fast vierzigjährige Beschäftigung mit dem populärsten Heiligen des Mittelalters und des Franziskanerordens: Franz von Assisi (1181/82 – 1226).
Rezension
Exemplarisches biographisches Lernen hat längst auch Einzug in die Religionsdidaktik gehalten. Und Franz von Assisi, der heilige Franziskus, ist von jeher ein Thema des Kirchengeschichtsunterrichts der Sekundarstufe I. Gerade das exotische, eigenwillige und radikale Leben des heiligen Franz sowie seine Wirkungsgeschichte im Armutsideal des Franziskanerordens faszinieren Schüler/innen in der Zeit um die Pubertät herum. Unterrichtsentwürfe finden sich vielfältig, dabei aber bleibt nicht selten die Fachwissenschaft hinter der Fachdidaktik auf der Strecke und munter gehen Realität und Legende, - gerade bei diesem Thema -, durcheinander ... Umso wichtiger ist es für den Lehrer, sich auch fachwissenschaftlich gründlich kundig zu machen. Das kann mit dieser gut lesbaren Biographie des bekannten französischen Historikers gelingen. Eine Zeittafel, eine umfangreiche Bibliographie incl. Verweisen auf Musik und Film sowie ein Personenregister bieten auch didaktische Hilfestellung.

Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Wer einen Zugang zum Leben und zur Spiritualität einer der beeindruckendsten Gestalten des Mittelalters sucht, findet ihn in diesem, vielleicht persönlichsten Buch des großen Mittelalterhistorikers Jacques Le Goff.
Wegweisend und in seinem Zugriff einzigartig, dokumentiert es Le Goffs fast vierzigjährige Beschäftigung mit dem populärsten Heiligen des Mittelalters und des Franziskanerordens: Franz von Assisi (1181/82 – 1226).

»Halb Mönch, halb Weltkind, verschrieb er sich in den aufstrebenden Städten, auf den Straßen, in der Zurückgezogenheit der Einsiedelei und mitten in der Hochblüte der höfischen Kultur einem neuen Lebensstil der Armut, Erniedrigung und Predigt am Rand der offiziellen Kirche, ohne dabei in Häresie zu verfallen, und sein Aufbegehren hatte nichts mit Unglauben zu tun.

Er trug entscheidend zum Aufschwung der neuen Bettelorden bei und verbreitete in einer christlichen Gesellschaft ein neues Evangelium, das die christliche Spiritualität um eine neue Verbundenheit mit allem Lebendigen bereicherte, weshalb er auch als Begründer eines neuen Naturgefühls im Mittelalter gilt, das sich in der Religion, in der Literatur und in der Malerei niederschlug. … Aber auch der Mensch Franz von Assisi, so wie er in seinen Schriften, in den Berichten seiner Biographen und in Bildern wiederauflebt, hat mich in seinen Bann gezogen. In ihm vereinigen sich Schlichtheit mit hohem Ansehen, Demut mit Autorität und ein ganz unauffälliges Äußeres mit einer ungewöhnlichen Ausstrahlung ...«
Jacques Le Goff

Jacques Le Goff, geb. am 1. Oktober 1924, ist international anerkannter Fachgelehrter für das Mittelalter und Begründer der »Nouvelle Histoire«.

Er erhielt zahlreiche Preise: 1987 den »Grand Prix National d‘histoires du ministère de la Culture«, 1991 die »Médaille d‘or du CNRS«, 1994 den Hegelpreis der Stadt Stuttgart, 1996 den »grand prix Gobert de l‘Académie française«, 1997 den »grand prix d‘histoire de la Ville de Paris«.

»... Er ist der unterhaltsamste Historiker seiner Generation. ...«
Dirk Schümer (FAZ, 29.10.2003)

Jacques Le Goff, geb. am 1. Oktober 1924, war Präsident des Hautes Etudes en Sciences Sociales in Paris, wo er einen Arbeitskreis zur anthropologischen Erforschung des mittelalterlichen Abendlandes ins Leben rief.

Er ist einer der bekanntesten Historiker Europas und ein international anerkannter Fachgelehrter für das Mittelalter und Begründer der »Nouvelle Histoire«. Zahlreiche Werke liegen auch in deutscher Übersetzung vor und weisen ihn als überragenden Kenner des Mittelalters und exzellenten Vertreter der »Nouvelle Histoire« aus.

An der monumentalen Studie »Ludwig der Heilige« arbeitete Le Goff über 15 Jahre; es handelt sich zweifellos um die umfassendste und bedeutendste Biographie über den französischen König aus der Feder eines Historikers der Annales-Schule.

Er erhielt zahlreiche Preise: 1987 den »Grand Prix National d‘histoire du ministère de la Culture«, 1991 die »médaille d´or du CNRS«, 1994 den Hegelpreis der Stadt Stuttgart, 1996 den »grand prix Gobert de l´Académie française«, 1997 den »grand prix d´histoire de la Ville de Paris«.

Am 1.1.2004 feierte Jacques Le Goff seinen 80. Geburtstag.


Inhaltsverzeichnis
Vorwort

I Franz von Assisi – Erneuerung und Beharrungsvermögen der Grundherrschaft

II Auf der Suche nach dem wahren Franz von Assisi

- Der historische Franziskus – eine Annäherung
- Franziskus in seinen Schriften
- Das Problem der Biographien über den heiligen Franziskus
- Das Leben der historischen Gestalt Franz von Assisi
- Bekehrung
- Von der ersten zur zweiten Ordensregel
- Franziskus und Innozenz III.
- Die heilige Klara
- Wunder und Wanderungen
- Das Vierte Laterankonzil
- Die Regula bullata
- Auf dem Weg zum Tod
- Die Werke und das Werk
- Franz von Assisi – eine Gestalt des Mittelalters oder der Moderne?.
- Der Sonnengesang

III Gesellschaftliche Gruppen und Klassen und ihre Bezeichnungen bei Franz von Assisi und seinen Hagiographen im 13. Jahrhundert

- Beschreibung und Reichweite der Untersuchung
- Elemente aus dem Wortschatz einzelner Gruppen der Gesellschaft
- Versuch einer Interpretation

IV Franziskanismus und kulturelle Vorstellungen im 13. Jahrhundert

- Vorstellungen in Verbindung mit der Wahrnehmung von Raum und Zeit
- Vorstellungen über die Entwicklung der Wirtschaft
- Vorstellungen über die Struktur der gesamten oder bürgerlichen Gesellschaft
- Vorstellungen über die Struktur der religiösen Gesellschaft
- Grundvorstellungen über Bildung und Wissenschaft
- Vorstellungen über Verhaltensmuster und Empfindungen
- Ethisch-religiöse Vorstellungen im eigentlichen Sinn
- Die traditionellen Vorstellungen von Heiligkeit
- Schluß

Anmerkungen
- Zeittafel
- Bibliographie.
- Bildnachweis
- Register


LESEPROBE

Vorwort

Seit ich mich für das Mittelalter zu interessieren begann – das liegt schon fast ein halbes Jahrhundert zurück –, hat mich die Persönlichkeit des heiligen Franz von Assisi aus gleich zwei Gründen fasziniert: zunächst als historische Gestalt, die mitten in der entscheidenden Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert, aus der ein modernes und dynamisches Mittelalter hervorging, Religion, Kultur und Gesellschaft in Bewegung versetzte. Halb Mönch, halb Laie, verschrieb er sich in den aufstrebenden Städten, auf den Straßen, in der Zurückgezogenheit der Einsiedelei und mitten in der Hochblüte der höfischen Kultur einem neuen Lebensstil der Armut, Erniedrigung und Predigt am Rand der offiziellen Kirche, ohne dabei in Häresie zu verfallen, und sein Aufbegehren hatte nichts mit Unglauben zu tun. Er wirkte in Mittelitalien, wo es so unruhig wie nirgends sonst in der Christenheit herging, in der Gegend zwischen Rom und seiner abgeschiedenen Kartause von La Verna. Er trug entscheidend zum Aufschwung der neuen Bettelorden bei und verbreitete in einer christlichen Gesellschaft ein neues Evangelium, das die christliche Spiritualität um eine neue Verbundenheit mit allem Lebendigen bereicherte, weshalb er auch als Begründer eines neuen Naturgefühls im Mittelalter gilt, das sich in der Religion, in der Literatur und in der Malerei niederschlug. Franz von Assisi verkörperte eine neue, um Christus zentrierte Heiligkeit und identifizierte sich mit ihm so sehr, daß er als erster Mensch die Wundmale des Gekreuzigten empfing. Er gehörte zu den beeindruckendsten Persönlichkeiten seiner Zeit und ist es im gesamten Mittelalter, ja sogar bis heute geblieben.

Aber auch der Mensch Franz von Assisi, so wie er in seinen Schriften, in den Berichten seiner Biographen und in Bildern wiederauflebt, hat mich in seinen Bann gezogen. In ihm vereinigen sich Schlichtheit mit hohem Ansehen, Demut mit Autorität und ein ganz unauffälliges Äußeres mit einer ungewöhnlichen Ausstrahlung. Er zeigt sich mit einer liebenswerten Aufrichtigkeit, die es erlaubt, sich eine vertraute und zugleich distanzierte Annäherung vorzustellen. Bei dieser Versuchung, der ich wie jeder Historiker erlegen bin, das Leben eines Mannes (oder einer Frau) aus der Vergangenheit zu erzählen, also eine Biographie zu schreiben, die sich um größtmögliche historische Objektivität bemüht, entpuppte sich Franziskus sehr bald als eine Persönlichkeit, die mehr als jede andere in mir den Wunsch weckte, sie zu einer Gesamtgeschichte (und damit zu viel mehr als einer der traditionellen, Anekdoten gespickten und überflüssigen Biographien) zu erheben, weil sie historisch und menschlich gesehen ein Vorbild für die Vergangenheit und die Gegenwart ist. Was mich bisher davon abgehalten hat, dieses Leben zu beschreiben, war zum einen das Nachdenken über diesen Plan, das mich stark beanspruchte, sowie die üblichen Arbeiten eines Historikers, und zum andern lagen bereits vorzügliche Biographien vor allem italienischer und französischer Historiker über den heiligen Franziskus vor.