|
Emmie Arbel. Die Farbe der Erinnerung
Barbara Yelin
Reprodukt
EAN: 9783956403965 (ISBN: 3-9564039-6-7)
192 Seiten, hardcover, 20 x 26cm, November, 2023
EUR 29,00 alle Angaben ohne Gewähr
|
|
Umschlagtext
"Manchmal kann ich gar nicht glauben, dass ich am Leben geblieben bin."
Geboren 1937 in Den Haag, wird Emmie Arbel mit ihrer jüdischen Familie 1942 von den Nazis deportiert. Sie überlebt als Kind die Konzentrationslager Ravensbrück und Bergen-Belsen. Als der Krieg vorbei ist, ist sie acht Jahre alt. Ihre Eltern und Großeltern sind im Holocaust ermordet worden.
Mit ihren Brüdern wird Emmie von einer Pflegefamilie adoptiert und lebt in den Niederlanden. Doch die Rettung stellt sich dort gleichzeitig als neuer Leidensweg für das traumatisierte Kind heraus. 1949 wandert die Familie nach Israel aus. Im Kibbuz fühlt Emmie sich isoliert und nirgends zugehörig.
Bis sie als junge Frau ihr Leben in die eigenen Hände nimmt.
Emmie Arbel lebt heute nahe Haifa. Immer wieder reist sie nach Deutschland, um als Zeitzeugin zu sprechen. Ihre Kindheit und Jugend waren geprägt von Gewalt, Missbrauch, Sprachlosigkeit und Einsamkeit. Sie blickt aber auch zurück auf ein Leben voller Rebellion, Selbstermächtigung und Humor. Auf Basis persönlicher Begegnungen und zahlreicher intensiver Gespräche mit Emmie Arbel schafft Barbara Yelin eindringliche Erinnerungsliteratur, die zugleich eine Reflexion über das Erinnern selbst ist.
Herausgegeben von Charlotte Schallié und Alexander Korb
Rezension
"Emmie, welche Farbe hat die Erinnerung?"
"Welche Farbe?
Schwarz.
...
Ich war kein Mensch. Ich war eine Nummer, weißt du.
Ich hab das Gefühl, niemand kann verstehen, was ich fühle.
Aber wenn ich nicht darüber rede, können die anderen nicht verstehen. Nicht verstehen, was geschehen ist.
Und es darf nie wieder geschehen.
Und deshalb muss ich sprechen."
Emmie lebt mit ihren Eltern und ihren beiden älteren Brüdern in den Niederlanden. 1942 wird die jüdische Familie in das KZ-Sammellager Westerbork deportiert; Emmie ist viereinhalb Jahre. Weiter geht es später nach Ravensbrück und 1945 nach Bergen Belsen. Emmie erlebt Hunger, Krankheiten, ständige Gewalt und Bedrohung; der Tod ist überall präsent. Nach der Befreiung ist nur noch ihr Bruder Rudi bei ihr: Ihre Großeltern wurden in Auschwitz ermordet, ihr Vater starb in Buchenwald, ihre Mutter kurz nach der Befreiung in Bergen Belsen an Hunger, Erschöpfung und Krankheit. Als displaced persons landen Emmie und Rudi zunächst in Schweden in einem Kinderheim, wo das tuberkulosekranke Mädchen sich erholen soll. Ihr Bruder Otto, der sich später Menachem nennt, hat das KZ Sachsenhausen und den Todesmarsch überlebt. Die drei Kinder werden wieder zusammengeführt und in den Niederlanden von einer jüdischen Familie adoptiert: Die Adoptiveltern nehmen zu ihren drei eigenen Kindern zwölf jüdische Waisenkinder auf. Das Leben wird besser und es gibt Hoffnung, doch noch immer ist Emmie krank, liegt im Bett und kann die Schule nicht besuchen - damit ist sie ihrem Adoptivvater hilflos ausgeliefert, der sie sexuell missbraucht. Die Familie wandert aus nach Israel in einen Kibbuz, doch hier kann Emmie sich nur schwer einfügen: Sie will selbstbestimmt leben und bricht die Schule ab, verweigert Gehorsam und sucht sich ihren eigenen Weg. Immer wieder kommen Erinnerungen hoch, doch niemand will sie hören. Erst als erwachsene Frau und Mutter dreier Töchter beginnt Emmie bei einer Therapeutin zu reden. Nach Deutschland kommt sie zum ersten Mal 1989 zu Besuch zu ihrem Bruder Rudi. 1995 fährt sie zum ersten Mal in das KZ Ravensbrück. Sie beginnt, öffentlich über ihre Erinnerungen zu sprechen, zunächst in Schulen, später als Zeitzeugin in Ravensbrück. Dort lernt sie Barbara Yelin kennen, die wie zwei andere Zeichner den Auftrag hat, gemeinsam mit einer Zeitzeugin eine Graphic Novel über die Erlebnisse zu gestalten. So entsteht die Anthologie "Aber ich lebe", in der vier jüdische Überlebende über ihre Kindheit in der Nazizeit berichten. Nach dieser Zusammenarbeit entscheidet sich Emmie, nun ihre ganze Geschichte zu erzählen, und so entsteht ein ganzes Buch.
Was für ein Leben - und was für ein Buch! Barbara Yelin hat das Unbeschreibliche sichtbar gemacht. Ihre farbstarken Aquarelle bilden unterschiedliche Szenen ab: Wie sie selbst Emmie Arbel trifft, wie Emmie erzählt, Emmies Erinnerungen. Diese Rückblenden sind nicht chronologisch: die Erinnerungen, die Gedanken und die Gefühle springen. So beginnt das Buch 1977 in Israel, als Emmie mitten in der Nacht plötzlich in höchster Eile aufbricht - zur Therapeutin ihrer Tochter, bei der sie dann zum ersten Mal über ihre Erfahrungen spricht. In der nächsten Episode lernt sie 2019 in der Gedenkstätte Ravensbrück die Graphikerin Barbara Yelin kennen. In den nächsten Jahren gibt es zahlreiche Treffen, bei denen Emmie aus ihrem Leben erzählt und sich immer weiter öffnet: In Israel, in Deutschland und den Niederlanden und auch per skype. Barbara Yelin fängt die Atmosphäre ein und ermöglicht es den Betrachtenden, sich einzufühlen in das verletzte Kind, in die widerspenstige junge Frau, in die Erwachsene und in die über Achtzigjährige, die trotz allem immer wieder betont, dass sie stark ist und es ihr gut geht. Emmie lebt.
Ein beeindruckendes Buch, das sich nicht auf den Holocaust beschränkt, sondern das ganze weitere Leben zeigt. Und so kann es in der Schule für ganz unterschiedliche Themen eingesetzt werden: In Geschichte (vom Holocaust bis zur Geschichte Israels), in Erziehungswissenschaften (von den Folgen früher Traumatisierung bis zu den Funktionen der Erinnerung), in Religion, in Philosophie, in Deutsch und natürlich in Kunst. Unbedingt zu empfehlen!
M. Houf für www.lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Geboren 1937 in Den Haag, wird Emmie Arbel mit ihrer jüdischen Familie 1942 von den Nazis deportiert. Sie überlebt als Kind die Konzentrationslager Ravensbrück und Bergen-Belsen. Als der Krieg vorbei ist, ist sie acht Jahre alt. Ihre Eltern und Großeltern sind im Holocaust ermordet worden.
Mit ihren Brüdern wird Emmie von einer Pflegefamilie adoptiert und lebt in den Niederlanden. Doch die Rettung stellt sich dort gleichzeitig als neuer Leidensweg für das traumatisierte Kind heraus. 1949 wandert die Familie nach Israel aus. Im Kibbuz fühlt Emmie sich isoliert und nirgends zugehörig.
Bis sie als junge Frau ihr Leben in die eigenen Hände nimmt.
Emmie Arbel lebt heute nahe Haifa. Immer wieder reist sie nach Deutschland, um als Zeitzeugin zu sprechen. Ihre Kindheit und Jugend waren geprägt von Gewalt, Missbrauch, Sprachlosigkeit und Einsamkeit. Sie blickt aber auch zurück auf ein Leben voller Rebellion, Selbstermächtigung und Humor. Auf Basis persönlicher Begegnungen und zahlreicher intensiver Gespräche mit Emmie Arbel schafft Barbara Yelin eindringliche Erinnerungsliteratur, die zugleich eine Reflexion über das Erinnern selbst ist.
Die Graphic Novel "Emmie Arbel. Die Farbe der Erinnerung" entstand im Rahmen des internationalen Projekts "Visual Storytelling and Graphic Art in Genocide & Human Rights Education" der Universität Victoria, Kanada. 40 Seiten des Buchs sind 2022 bereits in der Anthologie "Aber ich lebe" (C.H. Beck) erschienen.
Herausgegeben von Charlotte Schallié und Alexander Korb
Nominiert für den Deutschen Jugendliteraturpreis 2024 (Kategorie Sachbuch). |
|
|