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Elektrizität und Himmelsfische Eine Fluchtgeschichte über Menschlichkeit in unmenschlichen Zeiten
Elektrizität und Himmelsfische
Eine Fluchtgeschichte über Menschlichkeit in unmenschlichen Zeiten




Andrej Bulbenko, Marta Kajdanowskaja

Deutscher Taschenbuch Verlag
EAN: 9783423641197 (ISBN: 3-423-64119-3)
192 Seiten, hardcover, 14 x 22cm, Juli, 2024

EUR 18,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Die Chronik einer unfreiwilligen Reise



"Es krachte heftig, wirklich heftig - die Lampe machte >dzizz< und flackerte kurz. Ein Gewitter dachte ich. Dann fiel es mir wieder ein: uups, stimmt ja. Kein Gewitter. Und plötzlich flackerte auch in meinem Kopf irgendein Kurzschluss. Das war doch ein Treffer dachte ich. Irgendein Ort in der Stadt, irgendein Haus hat es erwischt. Wumm, peng, das volle Programm.

Und das heißt - die können auch unser Haus treffen?

Unsere Wohnung?

Die können uns treffen?



Marias Familie macht sich auf den Weg raus aus der Stadt Richtung Grenze. In einem Tagebuch wird Marzia schlagfertig, verzweifelt, witzig und ungeheuer wütend festhalten, was Krieg bedeutet, wie es sich anfühlt, ohnmächtig und ausgeliefert zu sein.



Ein Roman von zeitloser Gültigkeit über Krieg und diejenigen, die das Leid am härtesten trifft: Kinder und Jugendliche.
Rezension
Einen sehr außergewöhnlichen Jugendroman präsentiert der dtv-Verlag (Reihe Hanser) mit dem Titel "Elektrizität und Himmelsfische". Hinzu kommt, dass die beiden Autoren unter einem Pseudonym veröffentlichen, um ihre wahre Identität zu schützen. Die Originalausgabe wurde im Jahre 2022 in Russland veröffentlicht, was heute nicht mehr vorstellbar ist.
Einen "Roman von zeitloser Gültigkeit über Krieg und diejenigen, die das Leid am härtesten trifft: Kinder und Jugendliche" verspricht der Verlag auf der Rückseite des Covers. Ein Maßstab.

Marzia (so der Name des 14-jährigen Mädchens im Roman) und der Schriftsteller begegnen sich im Motel "Ruhebank", wo sie mit ihrer Familie wartet, bis der Weg zur Grenze ohne Beschuss möglich ist. Vor der Abfahrt übergibt Marzia ihm zwei Umschläge. Den ersten soll er öffnen, wenn sie sich nach einer Woche noch nicht bei ihm gemeldet hat, den zweiten dann, wenn ein Monat ohne Nachricht vergangen ist.
Als Marzia eine Woche lang nichts von sich hören lässt, öffnet A. Bulbenko den Umschlag und findet Marias Notizen über die bisherige Flucht von zu Hause. Als "Schmierzettel" nutzt sie die mehrseitige Aufbauanleitung für ein Kinderbett, das aufgebaut werden sollte, bevor sich die Familie (Großeltern, Eltern und eine kleine Schwester) sich in einem völlig überladenen PKW auf die Flucht vor den Angriffen begeben.
14 Blätter umfasst die Aufbauanleitung, entsprechend gliedert sich diese "Roadstory" (ergänzt um ein Vorwort und einen Epilog) auch in 14 Abschnitte, die besonderen Erlebnissen gewidmet sind, die Marzia und ihre große Familie während der Fahrt erleben.

Fazit:
Es handelt sich um ein ungewöhnliches Buch in mehrfacher Hinsicht. Verfasst wurde es in jugendlich-frischer Sprache, die dem Alter der fiktiven Autorin Marzia entspricht. Es lässt sich also gut und flüssig lesen. Und trotzdem bin ich bei der Lektüre immer wieder ins Stocken geraten. Da ist der teilweise scharfe Kontrast zwischen dem genervten Reagieren einer pubertierenden 14-Jährigen auf das beengte Zusammensein mit den Erwachsenen und der kleinen Schwester und den zum Teil rätselhaft anmutenden Geschichten. Rätselhaft jedoch nur auf den ersten Blick, denn schlussendlich wird klar: Die Familie befindet sich nicht auf einem Ausflug, sondern auf der Flucht aus einem Kriegsgebiet.
Die Geschichte dieses Buches wirkt nach und das offene Ende lädt zum Nachdenken ein. Und in der Tat: Dieser Roman ist von zeitloser Gültigkeit - der Leserschaft wurde nicht zu viel versprochen!

Dietmar Langusch, Lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Die 14-jährige Marzia erzählt, wie sich von jetzt auf gleich ihr Leben komplett und für immer verändert. Wie aus dem Nichts zwingt ein plötzlicher Raketenbeschuss Marzias Familie zum sofortigen Verlassen der Stadt. Nur mit dem Notwendigsten setzen sie sich in Opas Wagen und fahren – Mutter, Vater, sie, die kleine Schwester und die Großeltern – Richtung Grenze. Auf dieser Flucht erleben sie Gewalt, Not, Willkür und Demütigung und geraten in absurde, surreale Situationen, bis sie schließlich ein Motel an einer Grenze erreichen. Dort übergibt Marzia ihre Tagebuchaufzeichnungen einem Schriftsteller, Andrej Bulbenko, mit der Bitte, er möge sie erst lesen, wenn sie sich nach Ablauf einer Woche nicht bei ihm gemeldet habe. Marzia meldet sich nicht, und Bulbenko beginnt zu lesen …

Andrej Bulbenko und Marta Kajdanowskaja bilden eine künstlerische Allianz – Andrej Bulbenko ist das Pseudonym eines etablierten ukrainischen russisch schreibenden Autors. Marta Kajdanowskaja ist das Pseudonym einer Schülerin, die während der Zusammenarbeit 15 Jahre alt war. Für sie ist es das literarische Debüt. Beide verbindet eine Fluchterfahrung, das Entsetzen über den Krieg in der Ukraine und der gemeinsame Wunsch, den Lesern und Leserinnen das Leid der Zivilbevölkerung, insbesondere der Kinder, näherzubringen.

Henriette Reisner, geboren 1982, studierte Slawistik und Neuere deutsche Literatur an der Humboldt-Universität Berlin. Verschiedene Arbeits- und Studienaufenthalte führten sie immer wieder in die Ukraine. An der LMU München promovierte sie mit einer Arbeit zur Entwicklung des sowjetischen Animationsfilms und absolvierte den weiterbildenden Masterstudiengang »Literarisches Übersetzen. Sie lebt und arbeitet als freie Lektorin und Übersetzerin in Berlin. Zu den von ihr übersetzten Autoren gehören der belarussische Anwalt und Oppositionelle Maxim Znak sowie der ukrainische Journalist Stanislaw Assejew.

Olga Radetzkaja, geboren in Amberg, studierte Slavistik und Komparatistik; sie übersetzt Literatur überwiegend aus dem Russischen. Zu ihren Autoren gehören u.a. Viktor Schklowski, Boris Poplawski, Maria Stepanova und Polina Barskova. 2019 wurde sie mit dem Straelener Übersetzerpreis ausgezeichnet, 2020 mit dem Brücke Berlin Preis. Neben ihrer übersetzerischen Tätigkeit arbeitet sie als Redakteurin bei der Zeitschrift OSTEUROPA. Sie lebt in Berlin.
Inhaltsverzeichnis
Vorbemerkung des Zweitautors 7

ERSTES BLATT
Über eine Sardinenbüchse und wie man ein Trio hineinpfercht 13
ZWEITES BLATT
Über eine junge Frau in Weiß und das große Bonjour 31
DRITTES BLATT
Volle Kraft voraus oder Der Mann mit dem Spitzenkleidchen 45
VIERTES BLATT
Über die Flucht aus dem Hühnerstall. 55
FÜNFTES BLATT
Über ein wieherndes Pferd und unsichtbare Pinguine 65
SECHSTES BLATT
Über den Wind und einen Flügel im Gebüsch 75
SIEBTES BLATT
Über meine Freundin Ada und ihre Klamsia 83
ACHTES BLATT
Über Müllhalden und Märchen aus Fuchsmund 95
NEUNTES BLATT
Über höhere Mathematik 107
ZEHNTES BLATT
Über eine Verfolgungsjagd und Tonjas Stein 127
ELFTES BLATT
Über Elektrizität und Himmelsfische 135
ZWÖLFTES BLATT
Über einen stummen Jungen 149
DREIZEHNTES BLATT
Über feuchten Sand 167
LUDWIGDERVIERZEHNTES UND LETZTES BLATT
Über Feuer und Wasser 175

EPILOG 182