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Distanz in der Literatur von Überlebenden der Shoah Jean Améry, Albert Drach, Edgar Hilsenrath, Imre Kertész, Ruth Klüger
Distanz in der Literatur von Überlebenden der Shoah
Jean Améry, Albert Drach, Edgar Hilsenrath, Imre Kertész, Ruth Klüger




Bianca Patricia Pick

Transcript
EAN: 9783837659405 (ISBN: 3-8376-5940-2)
368 Seiten, paperback, 15 x 24cm, Januar, 2022

EUR 48,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Die Literatur von Überlebenden der Shoah zeichnet sich oft durch einen kühlen, sachlichen Ton und eine luzide Nüchternheit aus. Welche Bedeutung kommt diesen Stilmerkmalen in der literarischen Auseinandersetzung der Autorinnen und Autoren mit den eigenen Erlebnissen zu? Wie lassen sich die erzählerischen und essayistischen Strategien zusammenführen? Bianca Patricia Pick legt in ihrer Untersuchung der autobiographischen und fiktionalen Texte der jüdischen Verfolgten Albert Drach, Jean Améry, Edgar Hilsenrath, Imre Kertész und Ruth Klüger ein Hauptaugenmerk auf die Deutungskategorie der Distanz als Schreibverfahren, das Züge des Sarkastischen, Grotesken, des Ressentiments und des Protokolls annimmt.

Bianca Patricia Pick, geb. 1984, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Institut der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Bis 2018 war sie Stipendiatin und wissenschaftliche Mitarbeiterin des DFG-Graduiertenkollegs »Selbst-Bildungen. Praktiken der Subjektivierung in historischer und interdisziplinärer Perspektive« an der Universität Oldenburg.
Rezension
Diese Studie untersucht autobiographische und fiktionale Texte der im Nationalsozialismus verfolgten jüdischen Autor/inn/en Albert Drach, Jean Améry, Edgar Hilsenrath, Imre Kertész und Ruth Klüger. Denn in auffällig vielen ihrer Texte findet sich die Deutungskategorie der Distanz als Schreibverfahren, das Züge des Sarkastischen, Grotesken, des Ressentiments und des Protokolls annimmt. Emotionslosigkeit und Kühle, Nüchternheit und Sachlichkeit prägen die Literatur von Überlebenden. Was bedeutet dieser scheinbar kühle und sachlich-distanzierte Ton in der Literatur vieler Überlebender der Shoah? Macht die Distanzierung frei, wie Ruth Klüger behauptet, und läßt ein nüchtern-objektives Urteil zu? Und/oder verweigert und dekonstruiert die distanzierte Darstellungsweise das Bild eines passiven Opfers? Ist das Ziel die Abwehr von Mitleid und die Aufforderung zur Auseinandersetzung? Die Deutungs-Lesarten sind vielfältig.

Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Schlagworte:
Shoah, Überlebende, Antisemitismus, Holocaust, Autobiographie, Stilmittel, Jean Améry, Albert Drach, Edgar Hilsenrath, Imre Kertész, Ruth Klüger, Sarkasmus, Ressentiment, Protokollstil, Holocaustliteratur, Literatur, Mensch, Gesellschaft, Literaturtheorie, Allgemeine Literaturwissenschaft, Kulturgeschichte, Literaturwissenschaft

Inhaltsverzeichnis
A EXPOSITION DES THEMAS

1. Fragestellung, Erkenntnisinteresse, Textkorpus 11

1.1 Literatur, Reflexion und Subjektivität 11
1.2 Reflexionsraum und Subjektwerdung 13
1.3 Gattung, Entstehungszeitraum, Darstellungsweise 15

2. >Sachlich', >nüchtern', >distanziert'? Begriffliche Einordnung der Beschreibungskategorien 23

2.1 Distanz als Textstrategie 23
2.2 Subjektbildung durch Distanzierung 25

3. Holocaust und Literatur 27

3.1 Zeugnisliteratur und Autobiographie 29
3.2 Distanz im Roman und in der Autobiographie - wie und wovon? 34
3.3 Autobiographisch bezeugendes Erzählen oder fiktionales Bezeugen 43

B TEXTANALYSEN

Jean Arnery Jenseits von Schuld und Sühne (1966), Ruth Klüger weiter leben (1992) 49

1. Das Ressentiment 49
1.1 Versuch einer Ortsbestimmung: Einspruch gegen das Vergessen 49
1.2 Position und Ausdrucksform eines Subjekts 62

2. Jean Arnerv: »Revolte gegen das Wirkliche« in Ressentiments 74
2.1 Moralische Perspektive auf Zeit- und Geschichtserfahrungen 74
2.2 »Gegen die Zeitmühlen, die alles zermahlen« 77
2.3 Das Ich und sein Verhältnis zur Zeit 79
2.4 Über die Bedeutung der Rache für das Ressentiment 87

3. Ruth Klüger: »Recht des Erinnerns« in weiter leben 96
3.1 Einspruch, Anspruch und Widerspruch des Subjekts 96
3.2 Protest gegen Sentimentalität 99
3.3 Protest gegen Vergessen und Verzeihen 109
3.4 Reduktion als Gegenentwurf 112
3.5 »Aussageverweigerung« - »weiter leben« - »Zeugenaussage« 124

4. Zwischenfazit: Das Ressentiment als Reflexionsfigur 131

Imre Kertösz Roman eines Schicksallosen (1996), Edgar Hilsenrath Der Nazi & der Friseur (1977) 137

1. Der Sarkasmus 137
1.1 Verspottet, verstellt, verletzt und verfremdet 137
1.2 Literarischer Sarkasmus 143

2. Imre Kertösz Roman eines Schicksallosen 161
2.1 Beschriebener »Überlebenszustand« 161
2.2 Das Geschehen als Abfolge und das Fortschreiten des Subjekts unter Zwang 166
2.3 Verstellung als Verfahren literarischer Distanz 171
2.4 Vier Textbeispiele 180
2.5 Dargestellte Gegebenheiten 196

3. Edgar Hilsenrath Der Nazi & der Friseur 203
3.1 Groteske Sicht und >frisiertes Leben< 203
3.2 Sarkastische und groteske Darstellungsverfahren in Der Nazi & der Friseur 206
3.3 »Ich verrate das Geheimnis nicht.« Vom Schelmenroman zur pikaresken Tätergroteske 215
3.4 Bildung ohne Selbst 224
3.5 Pikareske Elemente: Gegenspieler, Reflexion, Komplementärtechnik 236
3.6 Erste Romanfassung: Der jüdische Friseur 244

4. Zwischenfazit: Sarkasmus als spezifische Perspektivierung des Geschehens 249

Albert Drach Das große Protokoll gegen Zwetschkenbaum (1964) 257

1. Der Protokollstil 257
1.1 Artifizielle Protokollsprache versus amtlicher Fachjargon: Distanz durch den indirekten Stil 257
1.2 Albert Drachs spezifische Verbindung von Form und Inhalt 261

2. Zwetschkenbaum, »von dem hier die Rede ist« 264
2.1 Rollentausch und Kräftefeld des Protokolls 267
2.2 Technik gegen das Subjekt 276
2.3 Provozierter Protest durch dargestellte Entrechtung 296

3. Zwischenfazit: Die Protokollperspektive und inszenierte Gedankenlosigkeit 302

C FAZIT

Gesamtbetrachtungen 307

1. Distanz und ihre drei Beschreibungskategorien 307
2. Subjektentwurf, Perspektivierung und Antisentimentalität 308
3. Sarkastische Distanz durch die Konstruktion einer Konturlosigkeit 310
4. Subjektbildung in der Autobiographie und im Roman 311
5. Der für die Überlebenden(literatur) spezifische Pakt 316
6. Zum Schluss 318

D ANHANG

Literaturverzeichnis 323
1. Primärliteratur 323
2. Sekundärliteratur 327

Danksagung 355
Register 357