Ein Leben ohne Merkel? Für viele bis 2021 kaum vorstellbar. Eine Generation von Jugendlichen wuchs auf, ohne dass an der Spitze der Bundesrepublik ein politischer Machtwechsel stattfand - "Rekordkanzlerin".
Von "Kohls Mädchen" zur Familienministerin und über das Umweltressort zur Kanzlerschaft. Die erste Frau als Regierungschefin in Deutschland, zudem die erste Parteichefin der CDU, geboren in Hamburg, aufgewachsen in der DDR, promovierte Physikerin, die vergleichsweise spät aktiv in das politische Geschehen eingreift, jedoch gelingt ihr anschließend in den Hierarchien ein kometenhafter Aufstieg.
Der Autor des vorliegenden Bandes, Eckart Lohse, hat die Kanzlerin drei Jahrzehnte journalistisch begleitet, mit ihr und mit ihrem Umfeld unzählige Gespräche geführt. Im vorliegenden Buch wird eine Bilanz gezogen.

Inhaltlich geht es im Wesentlichen um die 16 Jahre der Kanzlerschaft. Um die Herangehensweise an Themen und Probleme besser einzuordnen, werden auch dem persönlichen und politischen Werdegang von Angela Merkel einige Seiten eingeräumt. Im Kern handelt es sich also nicht um eine Biografie, sondern um ein Sachbuch, das sich mit politischen Schwerpunkte der Jahre 2005 bis 2021 auseinandersetzt.
Dennoch spielen Merkels Herkunft und Sozialisation in der DDR ebenso eine Rolle wie ihre berufliche Prägung als Wissenschaftlerin. All dies prägte ihre Herangehensweise an die Sachthemen der Zeit maßgeblich. Ihr Kommunikationsstil, ihre Zielstrebigkeit auf dem Weg an die Spitze der CDU und ihr dorniger Weg zur Regierungsverantwortung werden ebenso beschrieben wie wesentliche Inhalte ihrer Ära als Bundesministerin und Kanzlerin: Außenpolitisches Wirken (innerhalb der Europäischen Union, im Verhältnis zu den USA und weiteren westlichen Verbündeten - insbesondere zu Israel, darüber hinaus zu Russland und China), Kernkraft, Energiewende, Ökonomie und -selbstverständlich: die Flüchtlingskrise.
Eckart Lohse beschreibt, erläutert und kommentiert die entsprechenden Vorgänge und ordnet sie in unmittelbare Auswirkungen auf die damalige (aktuelle) Politik ebenso ein wie auf deren Langzeitwirkungen.
Alles in allem ein präziser Rundumschlag zu 16 Jahren Kanzlerschaft unter der Leitung Angela Merkels.

"Der Autor dieses Buches will gleich zu Beginn eine grundsätzliche Bemerkung in eigener Sache machen. Auch er hat als journalistischer Beobachter angesichts der Geschwindigkeit der Ereignisse manche Dinge nicht in der Schärfe erkannt und benannt, die sich aus dem Rückblick ergibt. (...) Dies sei gesagt, um den Eindruck zu vermeiden, es gehe um wohlfeile Besserwisserei, nachdem das Kind in den Brunnen gefallen ist. (...)" (aus der Einleitung, S. 18f.).
Ein ernsthafter Vorsatz, dem der Autor weitgehend auch Genüge leistet. Von daher ein solider Beitrag zur Einordnung der Entwicklungen. Und ebenso selbstverständlich wird die Leserschaft den Kommentaren des Autors nicht an jeder Stelle kritiklos zustimmen. Das ist nicht zuletzt der Wunscheffekt eines politischen Sachbuchs und auch das gelingt. Eine Kommentierung gibt bewusst die subjektive Sicht des Verfassers wieder. Das sollte man beim Lesen nicht außer Acht lassen!
Die "Hinterlassenschaften" der Merkel-Ära waren und sind nicht zuletzt aufgrund der aktuellen Krisen häufig Gegenstand der Diskussion -und werden es auf absehbare Zeit bleiben.
Mit besonderer Spannung darf man daher auf die Autobiografie von Angela Merkel warten (vorgesehen für November 2024). Sie wird diese Diskussion bereichern und sehr wahrscheinlich anheizen.
FAZIT: Eckart Lohses Buch stellt die Ansichten eines "Insiders" gekonnt dar und ist auf jeden Fall lesenswert!

Dietmar Langusch, Lehrerbibliothek.de

VERSÄUMNISSE AUS 16 JAHREN MERKEL WERFEN FRAGEN AUF. HIER IST DIE ANTWORT.
Die Täuschung
Deutschland ist enttäuscht und Merkels Politik auf vielen Feldern gescheitert: Russland, Energieversorgung, Verteidigung, Integration. Der klimafreundliche Umbau der viertgrößten Volkswirtschaft ist steckengeblieben. Was wie Stabilität aussah und wofür Deutschland international beneidet wurde, war vielfach auf Kante genäht.

Eckart Lohse begleitet Merkel seit ihren Bonner Jahren journalistisch. Für dieses Buch hat er mit zahlreichen Politikern über das gesprochen, was Merkel angetrieben und gebremst hat. Seine Erkenntnis: Anpassung um des Machterhalts willen hat das Regierungshandeln der Ostdeutschen geprägt. Ihr fehlten die Ideen, das Land in die Zukunft zu führen.

In der Ära Merkel hat Deutschland Teile seiner Zukunft verschlafen. Dieser investigative Report zeigt, wie und warum
Eckart Lohse beobachtet die Bundespolitik und Angela Merkel seit 30 Jahren für die FAZ
Ernüchternd aber fair. Für alle, denen die Autobiographie Merkels nicht genügt
Exklusive Interviews: Merkels politisches Umfeld offen wie selten zuvor

»Zum Ende Ihrer Kanzlerschaft hat Merkel den russischen Präsidenten Putin als sehr gefährlich eingeschätzt. Aber in den zwanzig Jahren davor habe ich das nie von ihr gehört.« Horst Seehofer

»Merkel wollte beweisen, dass die Ostdeutschen es genauso gut können wie die Westdeutschen.« Reiner Haseloff

»Merkel hat sich ein charismatisches Image zugelegt aus nicht charismatischen Bestandteilen. Angela Merkel hat Grundsätze, hat sich aber dafür entschieden, pragmatische Politik zu machen, statt Überzeugungen durchzusetzen.« Roland Koch

»Dass sie in der Flüchtlingskrise die Grenzen nicht geschlossen hat, war in der Akutsituation 2015 nachvollziehbar. Sie hat danach aber nicht Sorge dafür getragen, dass es bei vielen den Eindruck erweckt hat, alle könnten kommen – ganz nach dem Motto ›Germany is open‹ .« Wolfgang Schäuble

»Nord Stream 2 nicht auszubauen, wäre eine leichtere Entscheidung gewesen als etwa das Durchsetzen der Agenda 2010. Ich denke, dass der Einfluss der Wirtschaft größer war als alles andere.« Joachim Gauck

Eckart Lohse, geboren 1963, studierte Politikwissenschaft, Neuere Geschichte und Romanische Philologie in Bonn. In Paris und München schrieb er eine Dissertation über Frankreich und die deutsche Teilung in den Fünfzigerjahren. Neben dem Studium erfuhr er als Lokalberichterstatter bei verschiedenen Zeitungen viel über das Wesen der Politik. Auf einen Abstecher zum Deutschlandfunk folgte das Volontariat bei der ›Frankfurter Allgemeinen Zeitung‹. Von 1994 an Redakteur in der politischen Nachrichtenredaktion. 1996 Wechsel ins Bonner, 1999 ins Berliner Büro der FAZ. Von 2003 bis 2014 leitender politischer Korrespondent der ›Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung‹. Anschließend Rückkehr in die Parlamentsredaktion der FAZ, von 2018 an deren Leiter. 2004 bis 2008 Mitglied des Vorstands der Bundespressekonferenz. Zusammen mit Markus Wehner vom ›Medium Magazin‹ ausgezeichnet als »Journalist des Jahres 2011«. Seine Biographie von Karl-Theodor zu Guttenberg war ein ›Spiegel‹-Bestseller.

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