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Die Nacht unterm Schnee
Roman
Ralf Rothmann
Suhrkamp
EAN: 9783518430859 (ISBN: 3-518-43085-8)
304 Seiten, hardcover, 13 x 20cm, September, 2022
EUR 24,00 alle Angaben ohne Gewähr
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Umschlagtext
Eine Zeit im Krieg, wie vergangen auch immer, ist stets eine schwebende Gegenwart.
Rezension
Ralf Rothmann (*1953) zählt zu den besten Stilisten der deutschen Gegenwartsliteratur. 2020 stellte er dieses durch seinen hervorragenden Erzählband „Hotel der Schlaflosen“ erneut unter Beweis. Bekanntheit erlangte der vielfach preisgekrönte Schriftsteller u.a. durch seine beiden - in 25 Sprachen übersetzten - Romane „Im Frühling sterben“(2015) und „Der Gott jenes Sommers“(2018). Den Abschluss dieser Trilogie zum Zweiten Weltkrieg und zur frühen Nachkriegszeit bildet sein jüngst erschienener Roman „Die Nacht unterm Schnee“.
Im Zentrum des Werks steht Elisabeth Isbahner, die versucht im Nachkriegsdeutschland zusammen mit ihrem Mann, dem Melker Walter, den Alltag zu bewältigen und eine kleinbürgerliche Existenz aufzubauen: „Zufriedenheit und alltägliches Behagen anstreben und dabei den Leuten so wenig wie möglich auffallen, das war das Wichtigste für sie.“(S. 11) Eindrücklich schildert Rothmann den Überlebenswillen von Elisabeth. Sie arbeitet am Kieler Hafen in einem Marinekasino als Buffetkraft und hat zahlreiche Affären. Später zieht sie mit Walter nach Oberhausen, der sich im Keller auf das Züchten von Kanarienvögel verlegt hat. Elisabeth stürzt sich geradezu in das Leben, was ihr zum Betäuben des im Zweiten Weltkrieg Erlittenen dient. Sie wurde von Soldaten der Roten Armee vergewaltigt, was von Rothmann in einer angemessenen Sprache beschrieben wird.
Sein Roman ist frei von jedem Geschichtsrevisionismus, das wird zu Beginn des Werks klargestellt. Erzählt wird es aus der Perspektive von Luisa Norff, der vier bis fünf Jahre jüngeren Tochter des Marinekasinobesitzers, die nach Abitur und Studium als Bibliothekarin arbeitet und später Walter hilft ein Kalb auf die Welt zu holen. Der Erzählfluss des Romans wird durch drastische Rückblenden auf die Leiden von Elisabeth im Zweiten Weltkrieg durchbrochen. Der dritte Band von Rothmanns Trilogie kann unabhängig von den beiden ersten beiden Büchern gelesen werden, auch wenn manche Fäden des Romans durch sie besser verständlich werden.
Fazit: Mit seinem neuen wieder stilistisch brillanten Roman „Die Nacht unterm Schnee“ liefert Ralf Rothmann ein literarisches Geschichtszeugnis über die Liebe in schwierigen Zeiten, das als eindrückliches poetisches Plädoyer für Humanität gelesen werden kann.
Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Ralf Rothmann
Die Nacht unterm Schnee
Roman
Winter 1945: Verwundet liegt die sechzehnjährige Elisabeth, ein Landarbeiterkind, in einem Bunker unter der Erde und wird von einem russischen Deserteur gepflegt. Durch das Ofenloch hört sie Schritte im Schnee, und fiebernd stellt sie sich vor, dass dort oben nicht nur alle, die sie kennt und mag, ihre Eltern und Brüder, die Oma aus Danzig, sondern auch ihr künftiger Mann und die ungeborenen Kinder nach ihr suchen und sich über die Trümmer entfernen, ohne zu ahnen, dass sie darunter liegt. Und plötzlich denkt die Vergewaltigte, dass es gut so ist, dass sie nie mehr hinaufwill zu ihnen, zu allem, und für immer in dieser Nacht, diesem Frieden unter dem Schnee bleiben möchte. Aber sie muss ihr Leben zu Ende leben.
In einem atemberaubend geschriebenen Panorama der frühen Nachkriegsjahre zeichnet Ralf Rothmann das Portrait einer Frau, der stets die Angst im Weg steht, während ihr das Durchlittene jedes Gefühl dafür nimmt, welches Leid sie anderen zufügt; einer lebenslang hart arbeitenden Frau und Mutter, die von einem Rummel zum anderen tanzt, um nicht mehr zur Besinnung zu kommen, und vor der man sich doch verneigen muss: weil sich in ihrer Verzweiflung der Wille zur Liebe ausdrückt.
Nach den vielfach übersetzten Romanen Im Frühling sterben (2015) und Der Gott jenes Sommers (2018) schließt der Autor mit Die Nacht unterm Schnee seine Trilogie über den Zweiten Weltkrieg und die Nachkriegszeit in Deutschland ab. |
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