lehrerbibliothek.deDatenschutzerklärung
Die Gedächtnislosen Erinnerungen einer Europäerin
Die Gedächtnislosen
Erinnerungen einer Europäerin




Geraldine Schwarz

secession
EAN: 9783906910307 (ISBN: 3-906910-30-X)
445 Seiten, hardcover, 14 x 21cm, Oktober, 2018

EUR 28,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Géraldine Schwarz schreibt mit »Die Gedächtnislosen« Geschichte, europäische Geschichte. Ihre hochaktuelle These: Die rechtpopulistischen Strömungen in Europa lassen sich damit erklären, wie der Kontinent nach dem letzten großen Krieg sich mit seiner Geschichte auseinandergesetzt hat. Zur Veranschaulichung verknüpft die in Frankreich aufgewachsene deutsch-französische Autorin ihre Familiengeschichte mit der großen Geschichte und stellt dazu reiches Quellenmaterial in überraschend aufschlussreiche Zusammenhänge.

Géraldine Schwarz entdeckt eines Tages, dass ihr deutscher Großvater, ein Mitglied der NSDAP, 1938 ein jüdisches Unternehmen in Mannheim im Zuge der Arisierung erworben hat. Nach dem Krieg weigert sich Karl Schwarz, dem einzigen Überlebenden der in Auschwitz ermordeten Fabrikantenfamilie, Julius Löbmann, Reparationen zu zahlen. Hier beginnt ihre Recherche über drei Generationen ihrer Familie, dabei stets mit der Frage, wie die Verwandten und andere sich der Vergangenheit stellten – auch in Frankreich, denn bald erfährt die Autorin, dass ihr Großvater mütterlicherseits unter dem Vichy Regime in einem Gebiet als Gendarm gedient hat, in dem Franzosen mit Razzien nach Juden suchten.

Überdeutlich sind für sie die Unterschiede beim Umgang mit der nationalen Geschichte: Während in Deutschland Mitläufertum und Mittäterschaft zu bestimmenden Themen wurden, blendeten die Franzosen sie weitgehend aus. In der Bundesrepublik entstand auf dieser Grundlage ein differenziertes Verständnis individueller Verantwortung in einer Demokratie und ein kollektives Bewusstsein für die Gefahren rechtspopulistischen Denkens. Gerade die Willkommenskultur gilt ihr als Ausdruck eines an der Geschichte geschulten europäischen Humanismus. Die Kehrseite dieser These zeigt sich europaweit: Wo die Auseinandersetzung mit der Kollaboration spät oder so gut wie gar nicht stattgefunden hat, erstarken die Parolen des Rechtspopulismus umso unkontrollierter.

Die Gedächtnislosen ist ein sehr persönliches Werk der Erinnerungskultur. Mit beispielhafter Sorgfalt plädiert dieses Buch für eine Fortführung der Gedächtnisarbeit, um den völkischen und nationalistischen Tendenzen entgegenzuwirken. Eines der besten und gleichzeitig provozierendsten Beispiele dieser Arbeit liefert das vorliegende Buch selbst.

Geraldine Schwarz schreibt mit "Die Gedächtnislosen" Geschichte - europäische Geschichte
Rezension
"Die Gedächtnislosen" ist eine Auseinandersetzung der Autorin mit der Geschichte ihrer Familie.
Und das Buch ist gleichzeitig ein Geschichtsbuch der letzten hundert Jahre, eine sehr intensive Auseinandersetzung mit dem Holocaust, dem nationalsozialistischen Horror, dem Faschismus in all seinen europäischen Spielarten, einer sehr differenzierten Geschichte der Aufarbeitung dieser entsetzlichen Jahre in Deutschland, Frankreich, Österreich, Italien, Ungarn und Polen.

Das Buch ist gut lesbar, aber auch in seiner detailreichen Schilderung eine bedrückende, aber immer wieder nötige Erinnerung ab die finsterste Epoche Deutschlands und Europas. Mir war es eine Selbstvergewisserung der eigenen Auseinandersetzung als "Nachgeborener": Es kann keine "Gnade der späten Geburt" sein, die uns zu Gedächtnislosen macht! Es ist die Pflicht von uns Nachgeborenen, die nicht durch den Krieg traumatisiert sind, die wir in eine Zeit des Friedens und Wohlstandes hineinwachsen durften, das Wissen um die Verführbarkeit der Menschen durch Propaganda, Hetze und Populismus wachzuhalten.

Geraldine Schwarz stellt Deutschland ein überraschend gutes Zeugnis aus: Aus der zunächst von außen angeordneten Aufarbeitung des Dritten Reiches ist eine freiheitliche Grundordnung erwachsen, die nicht nur auf dem Papier als Grundgesetz existiert, sondern in den Köpfen der Menschen angekommen ist.

Ein Buch, das Mut macht, diese Errungenschaft selbstbewusst zu verteidigen gegen den plumpen revisionistischen Populismus der Gedächtnislosen!

Christoph Ranzinger, lehrerbiliothek.de
Inhaltsverzeichnis
1 Nazi oder Nicht-Nazi sein
2 Deutschland im »Jahre Null«
3 Das Phantom der Löbmanns
4 Die Leugnung des Karl Schwarz
5 Oma oder der diskrete Charme des Nationalsozialismus
6 Kind von Mitläufern
7 Von der Verdrängung zur Besessenheit
8 Süßes Frankreich
9 Der Holocaust? Sagt mir nichts.
10 Der Pakt
11 Erinnerungen einer Deutsch-Französin
12 Die Mauer ist tot, es lebe die Mauer!
13 Österreich und Italien - kleine Übereinkünfte mit der Vergangenheit
14 Nazis sterben nie