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Deutsch-Können Schulisch umkämpftes Artikulationsgeschehen
Deutsch-Können
Schulisch umkämpftes Artikulationsgeschehen




Natascha Khakpour

Beltz Verlag , Juventa
EAN: 9783779969990 (ISBN: 3-7799-6999-8)
330 Seiten, paperback, 15 x 23cm, November, 2022

EUR 50,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Die Autorin konzipiert Deutsch-Können als Konstruktion, die ihre soziale Bedeutung in migrationsgesellschaftlichen Differenzordnungen erhält. Wer als legitime:r Deutsch-Könner:in gelten kann, hat weniger mit Sprachkenntnissen zu tun als mit gesellschaftlich umkämpften, nationalstaatlich gerahmten Normen und Normalisierungen. Diese werden nicht nur in Curricula und schulischen Verfahren, sondern auch in (unterrichtlichen) Interaktionen verhandelt und reproduziert. Bestimmte Sprechweisen werden dabei mit Möglichkeiten der formalen Teilnahme wie symbolischen Zugehörigkeiten verknüpft.

Natascha Khakpour, Dr., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Koblenz-Landau und war zuvor u.a. an der Universität Wien beschäftigt. Mit interdisziplinären Zugängen arbeitet sie zu Sprache(n), Rassismus und Herrschaftskritik im Feld von Migration und Bildung.
Rezension
Die These der Autorin lautet: Wer als legitime:r Deutsch-Könner:in gelten kann, hat weniger mit Sprachkenntnissen zu tun als mit gesellschaftlich umkämpften, nationalstaatlich gerahmten Normen und Normalisierungen. Sie nimmt dabei in der Einleitung auch Bezug auf das im Spätsommer 2020 in Österreich erschienene populäre Buch "Generation Ha­ram", in dem die ehemalige Lehrerin und Journalistin Melisa Erkurt anhand ihrer Erfahrungen in und mit dem österreichischen Schulsystem strukturellen Rassismus und Bildungsbenachteiligung thematisiert. Mit dem Untertitel "Warum Schule lernen muss, allen eine Stimme zu geben" weist die Autorin auf ein zentrales Anliegen hin: aufzuzeigen, dass der schulische Status quo es gerade nicht schafft, allen Schüler*innen die Mittel mitzugeben, sich Gehör zu verschaffen. Auch die wissenschaftliche Beschäftigung mit schulischen Ungleichheiten bezieht sich auf die Erfahrungen der Schüler*innen, die in formalen Bildungskontexten als Migrationsandere hervorgebracht werden. Ein zentraler Aspekt ist es, Unterscheidungspraktiken kritisch zu befragen. In den letzten Jahren entstanden zwar Arbeiten zu schulischen Subjektivierungsweisen im Kontext rassistischer Verhältnisse, jedoch finden sich wenig systematisierende Auseinandersetzungen mit der Kategorie Deutsch-Können. Der national und institutionell legitimen Sprache Deutsch kommt dabei eine zentrale Rolle zu: Es besteht eine unhinterfragbare Verknüpfung der Nationalsprache Deutsch mit der konzeptionellen Monolingualität der Schule.

Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Schlagwörter:
Erziehungswissenschaft | Schule | Lernen | Sprache | Differenz | Deutsch | Migrationsgesellschaft | Migration | Deutsch-Können
Inhaltsverzeichnis
Danksagung 11

1 Einleitung 13

Teil I
Ausgangspunkte der Arbeit 21


2 Ausgangspunkte der Untersuchung: Feld und Forschungsstand 22

2.1 Das natio-ethno-kulturell codierte Phänomen Seiten­einsteiger*innen – Diskurse und schulorganisatorische Rahmenbedingungen 23
2.1.1 Diskursive Konstellationen 23
2.1.2 Bildungspolitische Historisierungen im deutschen und österreichischen Kontext 24
2.1.3 Aktuelle organisationale und migrationsgesellschaftliche Bedingungen des Schulbesuchs 26
2.2 Subjektverhältnisse in rassismuskritischen Perspektiven auf Schule 30
2.3 Sprachverhältnisse in rassismuskritischen Perspektiven auf Schule 34

Teil II
Theoretisch-methodologische Zugänge 39


3 Theoretische Grundlegungen: Hegemonie – Schule – Sprache 40

3.1 Entwicklung einer hegemonietheoretischen als gesellschaftskritische Perspektive auf schulische Bildung 41
3.1.1 Begründungen und Grenzen einer hegemonietheoretischen Perspektive auf schulische (Subjekt-)Bildungsverhältnisse 42
3.1.2 Antonio Gramscis staatstheoretische Grundlegungen 48
3.1.3 Schule als Hegemonialapparat und als Terrain des Ringens um Hegemonie 61
3.2 Migrationsgesellschaftliche Subjektivierung im schulischen Kontext 70
3.2.1 Subjekte und Subjektivierungen in rassistischen Verhältnissen 71
3.2.2 Subjektivierungsrelevante schulische Modi 76
3.3 Deutsch-Können als floating signifier im Kontext hegemonialer Sprach- und Sprechverhältnisse 89
3.3.1 Hegemoniale Sprach- und Sprechverhältnisse in der Migrationsgesellschaft 89
3.3.2 Deutsch-Können als floating signifier 97
3.4 Theoretischer Analyserahmen zur Untersuchung von Artikulationsgeschehen 100
3.4.1 Stuart Halls Konzept der Artikulation 101
3.4.2 Die Figur des Native-Speakers als Artikulation von Sprache und race 109
3.4.3 Analysemodell zur Untersuchung von Artikulationsgeschehen 110

4 Methodologische Grundlegungen 115

4.1 Kritische Migrationsforschung zwischen Reifizierung, Verantwortung und Transformation 115
4.2 Artikulation als zentraler methodologischer Zugriff eines kokonstruktiven Paradigmas 117
4.3 Kontextualisierungen: migrationsgesellschaftliche Wissensproduktion und reflexiver Anspruch 121
4.4 Artikulation als Verhältnis von Diskurs und Subjekt – methodologische Implikationen 128

5 Methoden und Forschungspraxis 136

5.1 Zugang zum Feld 136
5.2 Interviews als interaktive situierte Erhebungspraxis 142
5.3 Zwischenreflexion – Interviews in Kontinuität eines repressiven Migrationsmanagements 145
5.4 Interpretationspraxis – auf dem Weg zu einer artikulationstheoretischen Lesart 146

Teil III
Empirische Analysen 151


6 Deutsch in Verfahrensmäßigkeiten – Regulation formaler Teilnahme an Schule und (un-)versuchte
Widersetzungspraktiken 152

6.1 Praktiken des Verfahrens. Eine von Kafka inspirierte Lesart schulischer Organisiertheit 153
6.2 Deutsch-Können und Temporalisierung als Differenzierung 156
6.2.1 Teilnahme im Noch-Nicht – Aufschub der formalen Teilnahme an schulischer Bildung 156
6.2.2 Warten müssen – Kontinuitäten biografischer Erfahrungen im Migrationsmanagement 163
6.2.3 Der Kampf gegen die Zeit – Inszenierungen von
Handlungsfähigkeit auf dem Weg in die (richtige) Schule 170
6.2.4 Zwischen Noch-Nicht und Nicht-Mehr – Unzeitigkeiten und die Verunmöglichung formaler Teilnahme an schulischer Bildung 178
6.2.5 Zusammenführende Theoretisierung: Zeitlichkeit – Möglichkeit – Handlungsfähigkeit 184
6.3 Deutsch-Können und Verräumlichung als Differenzierung 188
6.3.1 Die Schulzuweisung als räumlich-sortierende Praxis 188
6.3.2 Die Klasse sortiert sich – der Raum im Raum 194
6.3.3 Sortieren und Segregieren – die „normale Klasse“ als Raum des Deutsch-Könnens 198
6.3.4 Zusammenführende Theoretisierung: Verräumlichung – Differenz – Erfahrung 202
6.4 Deutsch-Können: Willkür von Verfahrensweisen und Widersetzungsversuche 206
6.5 Zusammenschau: zeitliche und räumliche Arrangements entlang von Deutsch-Können als regulierende Machttechniken und (un-) mögliche Widerständigkeiten 209
6.5.1 Deutsch-Können und die Machtbeschaffenheit schulischer Verfahren 211
6.5.2 Die (Un-)Möglichkeit von Widerständigkeit 218

7 Deutsch-Können zwischen Disziplinierung und Ermächtigung in schulischen Interaktionsgeschehen 221

7.1 Nicht-Deutsch-Können und Regulation symbolischer Zugehörigkeit 222
7.1.1 Infrage stehende legitime Anwesenheit in der Schule 223
7.1.2 Kontinuität der infrage stehenden Anwesenheit auf nationalem Terrain 235
7.1.3 Dialekt-Können als innere Differenzierung 249
7.1.4 Zur Abwesenheit von Deutsch-Können in schulischen Interaktionsräumen 254
7.1.5 Zusammenführung 255
7.2 Deutsch-Können: ambivalente Praktiken des Bestärkens 259
7.2.1 Deutsch-Können und (ausbleibende) Bestärkung 259
7.2.2 Fleißig und ein Vorbild sein 262
7.2.3 Zusammenführung: Deutsch-Können als ambivalente Bestärkungspraxis im Spannungsfeld von Unterwerfung und Ermächtigung 264
7.3 Sprechpraxis (im) Interview: Sichtbarmachung einer situierten Praxis und widersinniges
Sprechen 267
7.3.1 Aushandlungen der Interviewsprache 267
7.3.2 Sprachwechsel im Interview 272
7.3.3 Zusammenführung: das Interview als sprachlich vermittelter Artikulationsraum 274
7.4 Zusammenschau: Deutsch-Können zwischen Disziplinierung und Ermächtigung 275
7.4.1 Inszenierungen von Widerständigkeit im Interview 278
7.4.2 Deutsch-Können im Spannungsfeld von Disziplinierung und Ermächtigung 279

8 Diskussion der Ergebnisse 282

8.1 Zwischenfazit – Deutsch-Können als umkämpftes Artikulationsgeschehen 282
8.2 Deutsch-Können als (schulisch) umkämpftes Positionierungsgeschehen 285
8.2.1 Schule nur für legitime Deutsch-Könner*innen 286
8.2.2 (Un-)Mögliche Verhandlungen der natio-ethno-kulturell codierten Subjektposition Deutsch-Könner*in 287
8.3 Die Produktion von Scheitern in der Schule 289
8.4 Zwang, Konsens und (un-)mögliche Widerständigkeit in schulischen Verhältnissen 292

9 Schluss und Ausblick 296

9.1 Schlüsse aus Anlage und Prozess der Studie 296
9.2 Ausblick – Artikulationen von Deutsch-Können im schulischen Kontext 299

Abkürzungsverzeichnis 301
Siglenverzeichnis 301
Literaturverzeichnis 302
Anhang 324
Abbildungsverzeichnis 326
Tabellenverzeichnis 326
Transkriptionsregeln 327
Kurzportraits der zentralen Fälle 328