lehrerbibliothek.deDatenschutzerklärung
Der philosophische Dialog
Der philosophische Dialog




Vittorio Hösele

Verlag C. H. Beck oHG
EAN: 9783406542190 (ISBN: 3-406-54219-0)
494 Seiten, hardcover, 15 x 23cm, 2006

EUR 34,90
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Seit 2400 Jahren schreiben Philosophen gerne Dialoge. Vittorio Hösele legt eine umfassende Analyse dieser literarischen Gattung, ihrer Gesetzte und Möglichkeiten vor. Seine poetologisch- hermeneutische Studie stützt sich auf zahlreiche Texte von der Antike bis zur Gegenwart und wirft zudem Licht auf die Ästhetik, Ethik und Logik des Gesprächs.



Nach über hundert jahren bietet Vittorio Hösles Buch die erste umfassende Analyse des philosophischen Dialogs. Von der Antike bis in die unmittelbare Gegenwart haben sich Phlosophen gerne dieser Form bedient. Im Dialog kann ein Autor die soziale Natur des Denkens vorführen und sich gleichzeitig hinter den Aussagend der Figuren verbergen, die keineswegs mit ihm selbst zu identifizieren sind,

Dei Studie behandlet die große Fülle des hstorischen Materials und verfolgt zugleich systematische Interessen. In der Einführung geht es um die Sonderstellung des Dialogs innerhalb der literarischen Formen der Philosophie, um die Unterscheidung von Dialogtypen und um den Zusammenhang zwischen Form und Inhalt. Der Erste Teil befasst sich it der Produktion des philosophischen Dialogs - mit den Etappen seiner historischen Entwicklung ebenso wie mit den individuellen und sozialen Voraussetzungen, unter denen Dialoge entstehen. Der zentrale Zweite Teil behandelt grundelegende Unterscheidungskriterien wie etwa Raum und Zeit des Gesprächs, die Zahl der Personen, Gesprächsformen und Gesprächsziele. ferner werden die Ästhetik des Dialogs und die Logik und Ethikndes Gesprächs diskutiert. Im abschließenden Dritten Teil zur rezeption werden Bezüge zwischen den wichtigsten philosophischen Dialogen dargelegt und das Gespräch zwischen Autor und Leser beleuchtet.



Vittorio Hösle stürtzt sich in seiner gesmtschau nicht nur auf die prominenten, sondern auch auf entlegene, aber dennoch aufschlussreiche Dialoge. Am ausführlichsten werden Platon,Cicero, Augustinus, Hume und Diderot diskutiert, doch reicht die Reihe der behandleten Autoren von der Antike über Mittelalter und Renaissance, das zeitalter der Aufklärung und das neunzehnte Jahrhundert bis in die unmittelbare gegenwart (Iris Murdoch, Paul Feyerabend). Das Buch ist eine Geschichte des philosophischen Dialogs, aber auch eien Poetik dieser bedeutenden literarischen Gattung.





Vittorio Hösle, geb. 1960, ist paul Kimbell Professor of Arts and Letters an der University of Notre Dame. bei C.H. Beck ist zuletzt von ihm erschienen: "die Philosophie und die Wissenschaften" (1999), "Moral und Politik" (1997), "Die Krise der gegenwart und die verantwortung der Philosophie" (3/1997); "Praktische Philosophie in der modernen Welt" (2/1995).
Rezension
Der Dialog ist die klassische Grundform jeglichen Philosophierens: Platon schrieb seine philosophischen Schriften alle als Dialoge, und auch Aristoteles soll diejenigen seiner Schiften, die urspünglich für die Veröffentlichung bestimmt waren, als Dialoge konzipiert haben. Leider sind von seinen Schriften nur die erhalten, die eigentlich nicht für die Veröffentlichung bestimmt waren. Seine Dialogform muss sich aber schon wesentlich von der Platons unterschieden haben, denn man hat zumindest über Cicero einen Eindruck von ihr, denn dieser nimmt sich in seinen Schriften nach eigener Aussage ein Vorbild am aristotelischen Dialog. So begann die 'Karriere' des Dialogs als philosophischer Gesprächsform und literarischer Gattung zugleich.

2400 Jahre philosophischer Dialog - so könnte man Vittorio Höseles Buch überschreiben. Er beleuchtet die verschiedenen Formen des Dialogs, zunächst (quasi als Einleitung) seine verschiedenen Formen, dann seinen Entstehungsprozess und seine historische Entwicklung (Erster Teil) sowie seine Gesamtstruktur, zu der Raum, Zeit, Gesprächspartner, Stilistik, Logik und Ästhetik des Gesprächs zählen (Zweiter Teil). Einen letzten Höhepunkt bietet die Thematisierung des impliziten Gesprächs zwischen Autor und Leser (also Rezeption des einzelnen Lesers) sowie die Intertextualität von Dialogen (also die Rezeption durch Texte bzw. deren Autoren).
Somit ist Vittorio Hösele eine Behandlung des Dialogs gelungen, welche die verschiedensten Perspektiven des Dialogs beleuchtet und analysiert.

Melanie Förg, Lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Die Kunst des philosophischen Gesprächs

Das neue Buch Vittorio Hösles ist die seit über hundert Jahren umfassendste Analyse des philosophischen Dialogs. Der Autor stellt diese literarische Gattung und ihre Wesensgesetze dar, gestützt auf zahlreiche Texte von der Antike bis zur Gegenwart. Seine poetisch-hermeneutische Studie wirft auch Licht auf die Ästhetik, Ethik und Logik des Gesprächs.

Die Studie arbeitet mit einer überwältigenden Fülle historischen Materials, verfolgt aber auch systematische Interessen. In der Einführung geht es um die Sonderstellung des Dialogs innerhalb der literarischen Formen der Philosophie, um die Unterscheidung von Dialogtypen und um den Zusammenhang von Form und Inhalt. Der erste Teil erörtert die Produktion des philosophischen Dialogs. Der zentrale zweite Teil behandelt grundlegende Differenzierungen wie etwa die Funktion des Traumes, Raum, Zeit und Zahl der Personen des Gesprächs, Gesprächsformen und Gesprächsziele sowie die innere Logik, Ethik und Ästhetik der Dialoge. In einem Schlußteil zur Rezeption erfährt der Leser einiges über die Bezüge zwischen den wichtigsten philosophischen Dialogen. Vittorio Hösle stützt sich in dieser eindrucksvollen Gesamtschau nicht nur auf die wichtigsten, sondern auch auf entlegene, aber interessante und signifikante Dialoge, die die Philosophiegeschichte hervorgebracht hat. Am ausführlichsten werden Platon, Cicero, Augustinus, Hume und Diderot diskutiert, doch reicht die Reihe der behandelten Autoren von der Antike über Mittelalter und Renaissance, das Zeitalter der Aufklärung und das neunzehnte Jahrhundert bis in die unmittelbare Gegenwart (Iris Murdoch, Paul Feyerabend). Das Buch ist eine Geschichte des philosophischen Dialogs, aber auch eine Poetik dieser berühmten literarischen Gattung.

Der Autor
Vittorio Hösle ist Professor an der University of Notre Dame. Bei C.H.Beck ist von ihm u. a. lieferbar: Moral und Politik (1997).

(www.beck.de)
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Einführung

1. Der Ort des philosophischen Dialoges innerhalb der literarischen Formen der Philosophie
2. Gespräch und Dialog. Historischer und fiktiver Dialog. Konversations- und Unterredungsdialog. Philosophischer und nicht-philosophischer Dialog
3. Über den Zusammenhang von Form und Inhalt im philosophischen Dialog

Erster Teil

Die Produktion des philosophischen Dialoges
1. Etappen seiner geschichtlichen Entwicklung
2. Soziale Voraussetzungen und Hindernisse
3. Individuelle Voraussetzungen und Hindernisse
4. Das Problem der Autorintention

Zweiter Teil

Das Universum des philosophischen Dialoges
1. Einzelne Dialoge und Dialoggruppen
2. Einführende Taxonomie: Direkte, indirekte und Mischdialoge
3. Der modale und ontologische Status des literarischen Universums. Personifikationen und das Problem des Realismus. Traum und Dialog
4. Der Raum des Gesprächs
5. Die Zeit des Gesprächs
6. Die Zahl der Personen des Gesprächs
7. Die Ausgangsbedingungen des Gesprächs: Verabredetes und Zufallsgespräch. Symmetrisches und asymmetrisches Gespräch. Autorität und Autonomie
8. Das Ziel des Gesprächs: Lernen von vs. Lernen über. Dissens, Konsens, Aporie. Totale vs. partielle Mitteilung
9. Die Ethik des Gesprächs
10. Die Logik des Gesprächs
11. Die Ästhetik des Dialoges

Dritter Teil

Die Rezeption des philosophischen Dialoges
1. Das Gespräch zwischen verschiedenen dialogischen Universen
2. Das Gespräch zwischen Autor und Leser

Anhang
Bibliographie
Personenregister von A. Goller
Stellenregister von A. Goller

Leseprobe (von www.beck.de): Einführung

Wer das Pantheon, den Dornauszieher, die Fresken der Villa dei Misteri, Beethovens op. 111, Properz’ Elegien, Fellinis «E la nave va» beschreibt, leistet oft etwas Nützliches, manchmal etwas Unentbehrliches, aber er machte sich unbedingt lächerlich, sollte er meinen, wer seine Beschreibungen gelesen habe, brauche sich nicht mehr jene Kunstwerke anzusehen, anzuhören oder zu lesen. Und zwar gilt das auch dann, wenn jenen Beschreibungen, was schwerlich menschenmöglich ist, nichts mehr hinzugefügt werden könnte. Das hat damit zu tun, daß das Wesen des Kunstwerks darin besteht, neben dem begreifenden Denken zugleich auch einen Sinn oder zumindest die Vorstellung zu befriedigen; und eben dies ist dem Kritiker versagt, der nie mit seinem Gegenstand zu konkurrieren vermag. Wölfflin war kein bildender Künstler, Hanslick kein Komponist. Etwas anders verhält es sich allerdings im Fall des literarischen Kritikers, dem es in einzelnen Fällen gelingen mag, selber literarisch Erstrangiges vorzubringen, das, sei es implizit, sei es explizit, mit dem Beschriebenen wetteifert. Platons «Phaidros» und Ciceros «De oratore» kommen einem in den Sinn, die nicht nur bedeutende Schriften zur philosophischen Analyse von Reden, sondern unter rhetorischen Gesichtspunkten selbst erstrangig sind; analog beansprucht Friedrich Schlegels «Gespräch über die Poesie» selbst poetische Qualität.Das freilich impliziert, daß es nie möglich sein wird, diese Schriften so zu beschreiben, daß nicht ihre direkte Lektüre geistige Erfahrungen bereithält, die durch keine, auch nicht die bestmögliche, Zusammenfassung und Analyse ersetzt werden können.
Die drei genannten Werke sind philosophischer Natur, und das bedeutet, daß es zumindest einige philosophische Schriften gibt, die wie Kunstwerke genossen werden müssen – und d. h. denen man dann nicht gerecht wird, wenn man nur ihren argumentativen Gehalt analysiert. Gewiß unterscheiden sich philosophische Texte durch die besondere Art ihres Wahrheitsanspruchs, der direkter und auf Verifikation durch argumentative Analyse ausgerichtet ist, von Kunstwerken im engeren, d. h. philosophische Texte ausschließenden Sinne, und sicher ist ein Umgang mit philosophischen Texten in der Wurzel verfehlt, der jenen besonderen Wahrheitsanspruch nicht ernst nimmt. Richtig ist auch, daß es philosophische Texte gibt, bei denen die ästhetische Dimension minimal ist. Zwar ist jeder intersubjektiv überprüfbare Beitrag zur Philosophie notwendig sprachlich formuliert, oft schriftlich. Insofern untersteht jeder Beitrag zur Philosophie den Normen sprachlicher Mitteilung, und zumindest einige der spezifisch ästhetischen Normen – etwa Klarheit und Dichte – leiten in reduzierter Form auch die Alltagskommunikation. Und doch ist unbestreitbar, daß der ästhetische Wert etwa der Aristotelischen «Metaphysik», sogar einschließlich ihrer hiatusfreien Partien, nicht sehr hoch ist. Freilich gilt das nicht für alle Werke der Philosophie – nicht wenige Philosophen sind erstrangige Schriftsteller, einige sogar Dichter gewesen. Diese ästhetische Qualität ihrer Werke verlangt nach einer eigenen Analyse, die, wie gesagt, die theoretische nie wird ersetzen können, aber eben auch nicht durch diese überflüssig gemacht wird. Man kann von einem komplementären Verhältnis beider sprechen– so wie man ganz analog Werke der politischen Philosophie sowohl auf ihren Wahrheitsanspruch als auch auf ihre Funktion in einer politischen Auseinandersetzung hin analysieren kann. Beide Betrachtungen sind legitim, können einander aber auch immer wieder ignorieren. Sowohl der Philosophiehistoriker als auch der Politische Historiker werden etwa Ciceros «De re publica» lesen müssen; jenem wird es mehr um die Argumente, diesem mehr um die Funktion dieser Argumente in der politischen Auseinandersetzung der ausgehenden römischen Republik gehen.
Und doch ist die Situation dann sowohl komplexer als auch interessanter, wenn eine Isolierung der beiden Betrachtungsweisen nicht richtig funktioniert. Um auf unser Ausgangsbeispiel der Komplementarität von theoretischer und ästhetischer Betrachtung zurückzukommen, ist eine Trennung beider dann unmöglich, wenn erst eine ästhetische Analyse des philosophischen Werkes ein korrektes Verstehen der entscheidenden Argumente ermöglicht. Derartiges gilt für verschiedene Werke der Philosophie, die ganz unterschiedlichen Genres angehören. Stilistische Mittel werden etwa benutzt, um bestimmte Gedanken als zentral hervorzuheben; sie sind oft Ausdruck einer bestimmten Einstellung, eines Lebensgefühls, vor deren Hintergrund allein gewisse Argumente richtig verstanden werden können. Wahrscheinlich ist es kein Zufall, daß gerade philosophische Revolutionäre wie Heraklit oder Nietzsche, die mit einer jahrhundertelangen Tradition brechen, stilistisch besonders aufreizend schreiben, was man von jemandem wie Thomas von Aquin, der sich als Teil einer Tradition versteht, nicht wird behaupten wollen. Der Reiz von Wittgensteins «Tractatus», ohne den sein Erfolg bei Menschen, denen seine logischen Aussagen verschlossen sind, nicht zu erklären wäre, ist auch und gerade stilistischer Natur – die Verbindung von logischer Ordnung, die an Spinoza, und aphoristischer Formulierung, die an Nietzsche erinnert, ist nicht nur extrem originell; sie ist glänzendes Pendant seines inhaltlichen Programms, des logischen Atomismus, ebenso wie einer meisterhaften Beherrschung der formalen Logik, die gleichzeitig weiß, daß mit Logik allein sehr wenig erfaßt ist.
Jene These, daß die argumentative Analyse eines philosophischen Textes auf ästhetische Überlegungen angewiesen ist, gilt in besonderem Maße für philosophische Dialoge. Weshalb? Deswegen, weil zumindest eine echte Teilmenge der philosophischen Dialoge – nämlich diejenigen, in denen der Autor des Textes selbst kein Gesprächspartner ist – den Leser vor bedeutende hermeneutische Probleme stellt. Der Autor spricht in ihnen, anders als etwa in einem Traktat, nicht in erster Person;und bevor man seine Argumente analysiert und bewertet, die ja nicht einfach mit denen einer Gesprächsfigur identifiziert werden können, muß man wissen, was der Autor eigentlich sagen will.Das herauszufinden ist nicht immer einfach, ebensowenig wie es einfach ist, etwa Shakespeares eigene moralische Überzeugungen zu eruieren – so offenkundig es auch ist, daß es sich um keine gute Idee handelt, wenn man ihm etwa Äußerungen Richards III., aber auch Lears als seine eigenen Ansichten nur deswegen zuschreibt, weil sie ja in Wirklichkeit von ihm stammen.Bei der Rekonstruktion der einem Philosophen, und nicht nur seinen literarischen Kreaturen, zuzuschreibenden Thesen ist ästhetischer Takt zwar nicht die einzige, aber doch eine unabdingbare Bedingung, und wer seiner ermangelt, wird auch bei großen logischen Fähigkeiten selten die Argumente eines Dialoge schreibenden Philosophen richtig erfassen, weil das, was er analysiert, eben nicht das Argument, wenigstens nicht das vollständige Argument des betreffenden Philosophen ist.
Damit ist schon ein zentraler Grund genannt, warum im Rahmen einer literarischen Theorie der Philosophie der philosophische Dialog eine besonders wichtige Rolle spielt – besonders wichtig, weil in seinem Falle die literarische Theorie für die Philosophie im engeren Sinne relevant ist. Zur genaueren Klärung dessen, was ich unter «philosophischem Dialog» verstehe, will ich im folgenden erstens das Spezifikum des philosophischen Dialoges in Abgrenzung von den anderen literarischen Formen der Philosophie behandeln, seine Sonderstellung innerhalb ihrer. Zweitens will ich den philosophischen Dialog als literarisches Genre von dem realen philosophischen Gespräch, als philosophisches literarisches Genre von den nicht-philosophischen literarischen Dialogen abgrenzen. Drittens will ich einiges zum Zusammenhang von literarischer Form und philosophischem Inhalt im philosophischen Dialog ausführen.