|
Der gedichtete Himmel
Eine Geschichte der Romantik
Stefan Matuschek
Verlag C. H. Beck oHG
EAN: 9783406766930 (ISBN: 3-406-76693-5)
400 Seiten, hardcover, 15 x 22cm, März, 2021
EUR 28,00 alle Angaben ohne Gewähr
|
|
Umschlagtext
Mit der Aufklärung, mit der intellektuellen Mündigkeit gegenüber traditionellen Glaubenslehren kam zugleich die Nostalgie: die Trauer über den Verlust an Ganzheitlichkeit im Denken und Leben. Die Romantik schaffte hier Abhilfe, ohne rückwärts zu gehen: Sie erschuf einen neuen Himmel, der keiner metaphysischen Absicherung bedarf. Der Literaturwissenschaftler Stefan Matuschek blickt in seinem beeindruckenden Epochenporträt weit über Deutschland hinaus, nach England und Schottland, nach Italien und Frankreich, und schildert die Romantik als großen Impuls der Moderne, der bis in die Gegenwart hineinwirkt.
Rezension
Was verbindet man gemeinhin mit der Epoche der Romantik? Gedichte von Joseph von Eichendorff, von Heinrich Heine oder von Ludwig Uhland, phantastische Werke von Ernst Theodor Amadeus Hoffmann wie „Die Elixiere des Teufels“ oder „Der Sandmann“, Märchen der Gebrüder Grimm, Friedrich de la Motte Fouqués Kunstmärchen „Undine“, Ludwig Tiecks Komödie „Der gestiefelte Kater“, „Universalpoesie“, das Motiv der „Blauen Blume“, Friedrich Daniel Ernst Schleiermachers Reden „Über die Religion“, Landschaftsmalerei von Caspar David Friedrich, Walhalla, deutsche Mythologie, Mittelalter-Renaissance, Kompositionen von Ludwig van Beethoven oder Liedvertonungen von Franz Schubert. Romantik war aber nicht nur ein deutsches Phänomen, bekannte Protagonisten wirkten Ende des 18. Jahrhunderts und im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts auch in England, Schottland, Frankreich oder Italien.
Von der Vielfalt dieser europäischen Kulturepoche legt das Buch „Der gedichtete Himmel. Eine Geschichte der Romantik“ ein beredtes Zeugnis ab. Die bei C.H. Beck publizierte Monographie, die mit 29 Schwarz-Weiß-Abbildungen versehen ist, stammt von Stefan Matuschek (*1962). Dem Professor für Neuere deutsche Literatur, Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Friedrich-Schiller-Universität Jena gelingt es in seiner Darstellung hervorragend, den ideengeschichtlichen Kern der Romantik zu identifizieren. Dieser kommt prägnant in der Titelgebung seines Buchs zum Ausdruck. Hierbei nimmt Matuschek u.a. Bezug auf die berühmte Formulierung „den Himmel auf Erden erblicken“ aus der Rede von Novalis aus dem Jahre 1799, die später den Titel erhielt „Die Christenheit oder Europa“. Für den Wissenschaftler verfolgen die Vertreter:innen der Romantik mit ihren Werken das Ziel, dem modernen Menschen einen Zufluchtsort angesichts seiner transzendentalen bzw. metaphysischen Obdachlosigkeit zu bieten. Daher deutet Matuschek die Epoche Romantik nicht als Rückschritt gegenüber der Aufklärung, sondern als „zweiten Impuls der europäischen Moderne“. Souverän zeigt der Wissenschaftler in seiner Gesamtschau unter Berücksichtigung von romantischen Werken der Literatur, der Philosophie, der Malerei, der Architektur und der Musik ihre kulturgeschichtlichen Einflüsse und Rezeptionen auf. Lehrkräfte der Fächer Deutsch, Bildende Kunst, Musik und Philosophie erhalten durch Matuscheks Panorama nicht nur exzellentes Fachwissen, sondern werden auch motiviert, sich in ihrem Fachunterricht oder in einem fächerübergreifenden Projekt mit der Epoche der Romantik differenziert und problemorientiert auseinanderzusetzen.
Fazit: Mit seinem Buch „Der gedichtete Himmel“ leistet Stefan Matuschek einen wichtigen Beitrag zum Romantik-Diskurs. Die Monographie, deren Lektüre auch ästhetisch ein Genuss ist, wird alle an europäischer Kulturgeschichte Interessierte für die vielfältigen und tiefsinnigen Werke dieser Epoche begeistern.
Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Matuschek, Stefan
Der gedichtete Himmel
EINE GESCHICHTE DER ROMANTIK
Mit der Aufklärung, mit der intellektuellen Mündigkeit gegenüber traditionellen Glaubenslehren kam zugleich die Nostalgie: die Trauer über den Verlust an Ganzheitlichkeit im Denken und Leben. Die Romantik schaffte hier Abhilfe, ohne rückwärts zu gehen: Sie erschuf einen neuen Himmel, der keiner metaphysischen Absicherung bedarf. Der Literaturwissenschaftler Stefan Matuschek blickt in seinem beeindruckenden Epochenporträt weit über Deutschland hinaus, nach England und Schottland, nach Italien und Frankreich, und schildert die Romantik als großen Impuls der Moderne, der bis in die Gegenwart hineinwirkt.
Die Romantik ist die Kunst, metaphysische Luftschlösser zu bauen. Sie weiß, dass ihr Himmel, wo immer sie ihn errichtet, nur ein erdichteter ist, und findet in ihm dennoch Zuflucht von der metaphysischen Obdachlosigkeit des modernen Menschen. Aus dieser Perspektive erschließt Stefan Matuschek in seiner brillanten Darstellung der Epoche die Neuerungen, die mit der Romantik in die Welt kamen: von der blauen Blume bis zur Kunstreligion, von der romantischen Ironie bis zur Schauerromantik, von der Renaissance des Mittelalters bis zur Utopie der Volkstümlichkeit. Dabei war die Romantik keineswegs nur eine deutsche Angelegenheit. Stefan Matuschek stellt uns ihre europäische Vielfalt vor Augen. In seinem weit gespannten Panorama begegnen wir Literaten wie den Schlegel-Brüdern, Goethe und Eichendorff, Keats und Shelley, Victor Hugo und Alessandro Manzoni, außerdem Philosophen, Malern und Komponisten der Zeit. Überall reagierten die Romantiker auf drei Großereignisse der Epoche: die Französische Revolution, die Revolution der Lesekultur und die Nationalisierung in der Folge von Napoleons Imperialismus. In diesem Kontext legt Stefan Matuschek eine neue Gesamtschau der Romantik vor, die deren Träume als hellsichtiger erweist, als sie oft erscheinen.
Inhaltsverzeichnis
1. Nicht nur die Aufklärung:
Der zweite Impuls der europäischen Moderne 9
a) Romantik als Fortschritt 9
Eichendorffs Mondnacht 12 – Schleiermachers Reden
Über die Religion 18 – Unruhige Zeiten 24
b) Beginn der europäischen Moderne um 1800 30
Friedrich Schlegels «Unverständlichkeit» 35 – Gegen den
‹common sense› 39 – Europäischer Kontext 43
2. Romantik als europäisches Phänomen 49
a) Die Vielfalt der Romantik in Europa 49
Schlüsselfi guren: Madame de Staël und August Wilhelm
Schlegel 53 – Schlegels Romantikbegriff 56 – Urtypen
des Romantikers: Hamlet und Don Quijote 58 –
Nationale Unterschiede 62
b) Das Phänomen Romantik 67
Die blaue Blume 68 – Leopardis L’infinito 71 –
Verschiedene Romantikbegriffe 74 – Klassizistische
Romantik 77 – Coleridge 82
c) Literarischer Stil und existenzieller Ernst: Weltschmerz 86
‹Le mal du siècle›: Chateaubriand und Lord Byron 87 –
Vorläufer: Rousseaus Spaziergänger und Goethes
Werther 95 – Senancour, Obermann 97 –
Nachtwachen 100
d) Deutsche Klassik als Teil der europäischen Romantik 104
Schillers romantische Tragödie 109 – Goethe und
die Romantiker 113 – Faust 1173. Revolutionen:
Die Französische und die romantischen 123
a) Romantik als Revolutionsreaktion 123
Die ‹Neue Welt› und die ‹Neue Mythologie› 128 –
Politische und philosophische Revolution 136 – Politische
Neuigkeiten und Enttäuschungen in Deutschland 139 –
Hölderlins Hyperion 142
b) Subjektivierung und Ästhetisierung der Religion 145
Ästhetischer Katholizismus: Novalis und Chateaubriand 148 – Kunstbetrachtung als Andacht 153 –
Kunstreligion 159
c) Mythos als Zukunftsprojekt 163
Der aufgeklärte Mythosbegriff 166 – Neue Mythenbildner: Blake, Shelley, Hölderlin 171 – Shelleys
Entfesselter Prometheus 174 – Hölderlins Brot und
Wein 179
d) Strategien der Offenheit 183
«Progressive Universalpoesie» 186 – Ästhetik des
Hässlichen und Grotesken 189 – Die modernen Begriffe
von Literatur und Kunst 195 – Romantische Ironie 197
4. Lesewelten:
Die Modernisierung der Literatur 205
a) Die moderne Situation der Literatur 205
Aufstieg des Romans 208 – Literaturkritik 214
b) Das Fantastische 216
E. T. A. Hoff manns Der Sandmann 220 – Nachtstücke,
Gespenster-Hoff mann 224 – Goethes und Keats’
Vampire 230
c) Märchen für Erwachsene und Kinder 234
Von der Erwachsenen- zur Kinderliteratur: Grimms
Märchen 236 – Gegenwartsorientiert: Aufgeklärte und romantische Märchen 240 – Tiecks Blonder
Eckbert 244 – Hoff manns Goldener Topf 246 –
Fouqués Undine 248
d) Schauerromantik 252
Matthew Lewis, The Monk 253 – ‹Gothic› 258 –
Hoff manns Elixiere des Teufels 264 – Frankenstein 269
5. Nationalisierung:
Politik, Wissenschaft und Populärkultur 273
a) Napoleons Ende und der Anfang der Nationalliteratur 273
Nationalliteratur als Irrtum und Gewohnheit 273 –
Ein Brennpunkt romantischer Tendenzen 279 – Fichtes
Reden und Foscolos Roman 282
b) ‹Rückwärts gekehrte Propheten›:
Der Idealismus der Historiker 285
Renaissance des Mittelalters 287 – Neue Gotik 288 –
Kathedralen als Nationaldenkmäler: Der Kölner Dom und
Notre-Dame de Paris 292 – Rekonstruktion und Idealisierung 296 – Germanistik 298 – Dante als literarische Größenordnung 302
c) Volk und Volkstümlichkeit 306
Volkstümlichkeit als Utopie 309 – Nationale Unterschiede: Wordsworth, Berchet, Hugo, Arnim 310 –
Volkstum: ‹Turnvater› Jahn 316 – Nationalgeschichtlich-patriotisches Theater: Kleist und Manzoni 319 – Goethes Manzoni 326
d) Die Erfindung der germanischen Mythologie 329
Jacob Grimms Deutsche Mythologie 332 – Propaganda,
Selbstkritik und nationale Verengung 335 – Ossian
als nordischer Homer 340 – Germanen auf der Bühne:
Fouqués Dramen 343 – Kippfi guren und versteinerte
Mythen 3456. Romantik als Epoche, Romantik als Modell 351
Transzendenz in der modernen Lyrik: Baudelaire und
Rilke 354 – Extreme und beiläufi ge Romantik:
Surrealismus und Der Fänger im Roggen 358 – Doppelte
Romantik: Ideologie und literarische Technik bei Wolfgang Hilbig 364
7. Das selbstgemachte Jenseits 369
Anhang
Anmerkungen 377
Bildnachweis 393
Personenregister 395
|
|
|