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Der entmündigte Leser
Für die Freiheit der Literatur
Eine Streitschrift
Melanie Möller
Galiani-Berlin
EAN: 9783869713021 (ISBN: 3-86971-302-X)
240 Seiten, Festeinband mit Schutzumschlag, 13 x 21cm, April, 2024
EUR 24,00 alle Angaben ohne Gewähr
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Rezension
Melanie Möllers Buch „Der entmündigte Leser“ ist ein ebenso streitbares wie kluges Plädoyer für einen selbstbewussteren Umgang mit Literatur – und gegen eine übergriffige Lesepädagogik, die zwischen Leser und Text tritt. Die Autorin, selbst Klassische Philologin, schreibt mit spürbarem Furor, aber auch mit Sachkenntnis und Leidenschaft für das Lesen als individuelle Erfahrung. Wer sich auf den Essay einlässt, spürt schnell: Hier geht es nicht nur um Lektüremethoden, sondern um ein Grundverständnis von Bildung, Eigenverantwortung und ästhetischem Erleben.
„Der entmündigte Leser“ liest sich als Reaktion auf Entwicklungen, die Möller kritisch beobachtet: das wachsende Bedürfnis nach moralischer Anleitung beim Lesen, die didaktische Durchdringung von Texten im Schulunterricht, aber auch der Trend, Literatur primär auf ihre gesellschaftliche Relevanz oder politische Botschaft hin zu befragen. Möller verteidigt dagegen den offenen, subjektiven, manchmal auch irritierenden oder widersprüchlichen Lektüreeindruck – und damit letztlich das Recht auf Eigenständigkeit beim Lesen.
Für den Schulunterricht ist „Der entmündigte Leser“ eine herausfordernde Lektüre – weniger im Sinne eines direkten Einsatzes im Unterricht, sondern vielmehr als Impuls für die Lehrenden selbst. Wer Literatur vermittelt, findet hier wertvolle Denkanstöße: Wie viel Deutung vorgeben? Wie viel Begleitung braucht das Lesen – und ab wann wird sie zur Bevormundung? Wo beginnt die Freiheit der Leserin, des Lesers – und wo wird sie ungewollt eingeschränkt?
Didaktisch wäre es spannend, einzelne Thesen aus „Der entmündigte Leser“ in der Oberstufe zu diskutieren – etwa im Rahmen von Projekten zur Literaturtheorie, zu Lesekulturen oder zur Frage, was „gute“ Literaturvermittlung eigentlich ausmacht. Für Schülerinnen und Schüler kann das Buch aber auch ein Anstoß sein, die eigene Lektürehaltung zu reflektieren und sich von der Vorstellung zu lösen, es gäbe für jedes Gedicht eine „richtige“ Interpretation.
„Der entmündigte Leser“ ist kein einfaches Buch – es argumentiert pointiert, mitunter polemisch, und setzt einen gewissen literaturwissenschaftlichen Hintergrund voraus. Aber gerade deshalb lohnt es sich: als Anstoß zum Nachdenken über die Rolle von Literatur, über die Freiheit des Lesens – und darüber, was Schule eigentlich leisten will, wenn sie Literatur vermittelt. Ein Buch, das stört, herausfordert, und genau dadurch lange nachhallt.
Verlagsinfo
Literatur muss frei sein, wild, darf böse sein und muss auch weh tun können, sonst verliert sie ihren Reiz, sagt Melanie Möller. Sie muss ein Freiraum bleiben für ungeschützte Gedanken und scharfe Worte. Dafür liefert die Autorin einen wilden Ritt durch mehrere Jahrhunderte Literaturgeschichte im Kampf für die Freiheit des Worts.
Bibelverbot für Schulen in Utah, Verbannung von Klassikern aus Lehrplänen und Schulbüchern, glättende Übersetzungen, zensierte Klassiker, politisch korrekte Vorgaben für Literatur, Sensitivity-Reading, Triggerwarnungen, Verbot ›schwieriger‹ Vokabeln: Ein Verhängnis!, sagt Melanie Möller und warnt davor, den Leser zu unterschätzen. In Sachen Kunst darf es keine Abstriche geben. Wer verwässert, entmündigt den Leser – und der ist schlauer, als man denkt.
»Was fehlt, ist ein leidenschaftlicher Kampf für die Autonomie der Literatur, der diese schützt wie eine bedrohte Minderheit – und zwar kompromisslos«, so die Autorin. Melanie Möller führt ihn. |
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