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Den Tod vor Augen Systematisch-theologische Blicke auf thanatologische Entwürfe
Den Tod vor Augen
Systematisch-theologische Blicke auf thanatologische Entwürfe




Dorothea Ugi

Evangelische Verlagsanstalt
EAN: 9783374066094 (ISBN: 3-374-06609-7)
336 Seiten, paperback, 17 x 24cm, 2021

EUR 24,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Im Umgang mit dem Tod wird in gegenwärtigen gesellschaftlichen Debatten ein besonderer Fokus auf die aktive und autonome Gestaltbarkeit des Sterbens gelegt. Das trägt dazu bei, dass die Frage nach dem Tod häufig auf das Diesseits reduziert wird. Demgegenüber eröffnet sich in der christlichen Theologie aufgrund des Todes Jesu, der im Horizont des Glaubens an die Auferstehung verstanden wird, eine grundsätzlich weiter gefasste Perspektive. Die Analyse und Reflexion der zwischen diesen beiden Polen bestehenden Spannungen sind Gegenstand der hier vorgelegten Dissertationsschrift aus dem Fach Systematische Theologie: Welchen Beitrag kann sie zur gegenwärtigen Debatte um Sterben und Tod leisten?

Um die Frage zu beantworten, untersucht die Verfasserin theologische Entwürfe, die zu ihren Zeiten besonders populär waren, im Blick auf mögliche Kriterien ihrer Wirkmacht, darunter die Positionen von Martin Luther, Paul Althaus und Eberhard Jüngel. Auf dieser Analyse aufbauend systematisiert sie, u.a. mithilfe performanztheoretischer und narratologischer Theoriekonstellationen, welche inhaltlichen und formalen Aspekte neu in den Blick genommen werden können, um in einer von Pluralität geprägten Gesellschaft situative und kontextsensible Deutungen anbieten zu können.
Rezension
Diese Dissertation aus dem Fach Systematische Theologie fragt nach dem spezifischen Beitrag einer christlichen Thanatologie und Auferstehungsvorstellung zur gegenwärtigen Debatte um Sterben und Tod auch über die Diesseitigkeit hinaus. Dazu werden aus drei Epochen der evangelischen Kirchengeschichte einschlägige Beiträge analysiert: a) Martin Luthers Sermon von der Bereitung zum Sterben von 1519, b) die Kriegspredigten und die Eschatologie des Lutheraners Paul Althaus (1915 / 1922) sowie das Büchlein "Tod" des Tübinger Systematikers Eberhard Jüngel von 1971 (vgl. Inhaltsverzeichnis). Auf der Analyse dieser seinerzeit populären christlichen Schriften aufbauend systematisiert die Verfasserin, welche inhaltlichen und formalen Aspekte neu in den Blick genommen werden können, um in einer von Pluralität geprägten Gesellschaft christliche Deutungen heute anbieten zu können.

Thomas Bernhard, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Ein Kind stirbt eines plötzlichen Todes. Was lässt sich den Eltern, den Angehörigen angesichts dieses schrecklichen Ereignisses Tröstendes sagen? Während die Vorstellung eines herrlichen Gottes, der alles gut ausführt, in der einen Situation Trost spenden kann, kann sie in einer anderen vor den Kopf stoßen, verstören, empören. In der theologischen Lehre wird der Tod mitunter einseitig als abstrakt erscheinende Frage nach einem jenseitigen Schicksal behandelt. Dabei sind menschliche Lebensvollzüge geradezu konstituierend für die theologische Lehrbildung. Für den Tod beweisen das besonders die vielstimmigen Passionsgeschichten.
Dieses Buch zeigt auf, wie in der Gegenwart Lebensvollzüge, in denen der Tod vor Augen steht, theologisch wieder ernst genommen werden können.

Marburger Theologische Studien
Begründet von Hans Graß und Werner Georg Kümmel
Herausgegeben von Friedhelm Hartenstein und Michael Moxter
Die »Marburger Theologische Studien« werden für den Theologischen Arbeitskreis Pfullingen e.V. und in Zusammenarbeit mit der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig in Hamburg herausgegeben. Bis zum Band 99 erschienen sie in Marburg im Verlag N. G. Elwert unter der Herausgeberschaft von Prof. Dr. Wilfried Härle (Heidelberg) und Prof. Dr. Dieter Lührmann (Marburg). Begründet wurde die Reihe von Prof. Dr. Hans Graß und Prof. Dr. Werner Georg Kümmel (beide Marburg)
Sie umfasst wissenschaftliche Studien zu allen Bereichen evangelischer Theologie. Der Zusammenhang von universitärer Forschung und kirchlicher Praxis, aber auch der interdisziplinäre Kontext theologischer Urteilsbildung prägen das Bild der Reihe, in der auch herausragende akademische Qualifikationsschriften erscheinen. Zu ihr gehört auch das Marburger Jahrbuch Theologie (Herausgeber: Prof. Dr. Elisabeth Gräb-Schmidt und Prof. Dr. Reiner Preul), in dem in wechselnder thematischer Ausrichtung die Beiträge für das jeweils im Oktober stattfindende Graduiertenkolleg des »Theologischen Arbeitskreises Pfullingen« versammelt sind.
Inhaltsverzeichnis
VORWORT XIII

KAPITEL 1: PROBLEMSTELLUNG UND AUFBAU 1

KAPITEL 2: THEMATISIERUNGEN DES TODES IM 20. UND 21. JAHRHUNDERT 7

1. DER TOD ALS THEMA DER SYSTEMATIK DES 20. JAHRHUNDERTS 7
1.1 Brüche nach dem Ersten Weltkrieg 8
1.2 Verarbeitungen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts 20
1.3 Neuansätze seit der Einführung des Hirntodbiteriums 27

2. DER TOD ALS THEMA DER SYSTEMATIK AM ANFANG DES 21. JAHRHUNDERTS 32
2.1 Gesellschaftliche Diskurse 33
2.1.1 Der tote Körper als Repräsentation des Todes 35
2.1.2 Sterben als beherrschbarer Aspekt des Todes 38
2.1.3 Funeraler Ritus und Verdiesseitigung 42
2.2 Systematische Diskurse 46
2.2.1 Das Kreuz als christliches Urbild des Todes 47
2.2.2 Tod im Lebensvollzug und Passivität 49
2.2.3 Endlichkeit und Erinnerung 53
2.3 Systematisierungen 55

KAPITEL 3: MARTIN LUTHERS „BEREITUNG ZUM STERBEN" (1519) 61

1. SOZIOHISTORISCHE GRUNDLAGEN 62
1.1 Der zeitgeschichtliche Kontext des 1 5.116. Jahrhunderts 63
1.2 Gesellschaftliche Implikationen von Sterben und Tod 67
1.2.1 Der Tod im Leben 68
1.2.2 Sterben als prozesshafter Übergang 72
1.2.3 Individualeschatologische Todesvorstellungen 74
1.3 Die Ars moriendi 82

2. LUTHERS RECHTFERTIGUNGSLEHRE ALS THEOLOGISCHE GRUNDLAGE 86

3. „EIN SERMON VON DER BEREITUNG ZUM STERBEN" (1519) 91
3.1 Genese und Rezeption 91
3.2 Zielgruppe 94
3.3 Inhalt und Aufbau 95
3.3.1 Formelle „Liturgie" des Sterbens (1-5) 95
3.3.2 Phänomenologie des Sterbens und die Anfechtungen (6-14) 97
3.3.3 Sakramente als Heilszeichen'(15 -20) 99
3.4 Zwischenfazit anhand eines Vergleichs mit der Ars moriendi 101
3.5 „Bilder" und „Zeichen" im Sterbesermon 104
3.5.1 Kennzeichnung des Bildes als Bild 105
3.5.2 Das Bild als „Seelenbild" 108
3.5.3 Performativer Vollzug von Bild und Zeichen 110

4. SYSTEMATISIERUNGEN 113

KAPITEL 4: PAUL ALTHAUS' KRIEGSPREDIGTEN UND „DIE LETZTEN DINGE" 117

1. VERORTUNGEN 118
1.1 Althaus, der deutsch-nationale Lutheraner 120
1.2 Methodische Prämissen Althaus `scher Theologie 128
1.3 Grundzüge Althaus `scher Theologie 129

2. STERBEN UND TOD IN AUSGEWÄHLTEN KRIEGSPREDIGTEN (1915) 133
2.1 Kontext: Der Erste Weltkrieg 134
2.1.1 Heimat, Front und „inbetween" 134
2.1.2 Psychische Auswirkungen des Krieges 138
2.1.3 Männlichkeitskonstrukte 141
2.2 Predigten aus dem Band „Kommt, laßt uns anbeten!" (1915) 144
2.2.1 Die protestantische Kriegspredigt des Ersten Weltkriegs 144
2.2.2 Althaus' Kriegserfahrung und ihre sprachlichen Implikationen 150
2.2.3 Relecture ausgewählter Predigten Althaus' 153
2.3 Schlussfolgerungen 166

3. ALTHAUS' THANATOLOGIE IN „DIE LETZTEN DINGE" 169
3.1 Bearbeitung des Themas „Tod" 170
3.1.1 Bestimmungen des Todes 171
3.1.2 „Zwischenzustand" und Auferstehung 173
3.2 Gerichtsgedanke und Zorn Gottes 176
3.2.1 Voraussetzungen des Gerichtsgedankens 176
3.2.2 Das Gericht Gottes als Krise und göttliche Machtanzeige 177
3.2.3 Der Zorn Gottes als Chiffre 178
3.3 Schlussfolgerungen 179

4. SYSTEMATISIERUNGEN 181

KAPITEL 5: EIN BEITRAG DER SYSTEMATIK IN DER GEGENWART 185

1. PARADIGMATISCHE GEGENWARTSNARRATIVE 186
1.1 Apologetik einer Gegenwartsdiagnose 187
1.2 Die Marktwirtschaft und ihre Narrative 189
1.3 Sterben und Tod als Antinomien marktlogischer Narrative 194

2. NARRATION UND PERFORMANZ ALS METHODISCHE FIGUREN 196
2.1 Das Verhältnis von Narratologie und Peormanztheorie 197
2.2 Identität und Narration 198
2.2.1 Implikationen der Erzählung für die Identität 198
2.2.2 Das Verhältnis von Fremd- und Selbstnarration 205
2.2.3 Die religiöse Erzählung als Fremdnarration 210
2.3 Performanz und Präsenz 214
2.3.1 Die Emmausbegegnung (Lk 24) 216
2.3.2 Permanztheoretische Aspekte mit Austin, Gumbrecht, Fischer-Lichte 217
2.3.3 Zusammenfassung 228

3. „TOD" (1971) VON EBERHARD JÜNGEL 232
3.1 Überblick: Der Tod als Verhältnislosigkeit 233
3.2 Systematisierung und Würdigung 241
3.3 Desiderata für eine gegenwärtige Anschlussfähigkeit 244

4. GEGENWÄRTIGE SYSTEMATIK IM PLURALEN VOLLZUG 248
4.1 Das Paradigma vom „guten Sterben" 249
4.2 Anforderungen an narrative Framings 255
4.2.1 Die Besonderheit der Sterbesituation 255
4.2.2 Narratives Framing und Situationsverarbeitung Sterbender 258
4.2.3 Schlussfolgerungen 264
4.3 Die Aufgabe(n) der Systematischen Theologie 268
4.3.1 Reflexion und Systematisierung der Kriterien 269
4.3.2 Konkretionen 273
4.3.3 Ausblick: Implementierung in die Praxis 282

LITERATURVERZEICHNIS 291
ABBILDUNG 316
PERSONENVERZEICHNIS 317