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Bindungsstörungen verstehen und behandeln Ein systemisch-integratives Konzept mit einem Vorwort von Tom Levold
Bindungsstörungen verstehen und behandeln
Ein systemisch-integratives Konzept


mit einem Vorwort von Tom Levold

Alexander Trost

BRILL , Vandenhoeck & Ruprecht
EAN: 9783525400722 (ISBN: 3-525-40072-1)
312 Seiten, paperback, 15 x 23cm, Oktober, 2025

EUR 39,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Die Bedeutung von gestörten Bindungen für das Gesundheitssystem und allgemein für die Verfassung der Gesellschaft wird erheblich unterschätzt. Warum ist das so? Hochgradig belastende und traumatisierende Kindheitserfahrungen können zu sehr unterschiedlichen psychiatrischen Erkrankungen führen. Als solche tauchen sie später in der Statistik auf, die betroffenen Menschen werden symptom- und störungsspezifisch behandelt, der Ursprung des Dramas bleibt jedoch meist im Dunkeln. Alexander Trost beleuchtet in diesem Grundlagenwerk Bindung im wissenschaftlichen und empirischen Kontext, aus historischer Perspektive, aus der Sicht der evolutionären Bindungstheorie und der Kulturanthropologie. Er erläutert Definitionen und Ausdrucksformen von Bindungstraumatisierungen und Bindungsstörungen verständlich und praxisnah und erklärt, wie sie in die gängigen Klassifikationssysteme ICD und DSM und alternative Modelle eingeordnet werden. Anhand zahlreicher Fallbeispiele stellt er die wichtigsten Erklärungsmodelle und Behandlungsansätze sowie Maßnahmen für die Prävention von Bindungsstörungen vor.

Eine professionelle bindungsorientiert-systemische Behandlung und Pädagogik trägt zu einer Beendigung der Weitergabe unsicherer Bindungsmuster bei. Mit diesem Buch sind alle, die Menschen beraterisch-therapeutisch begleiten, dafür bestens gerüstet.

Prof. Dr. med. Alexander Trost, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie, Facharzt für Psychosomatische Medizin, systemischer Lehrtherapeut und Supervisor (DGSF), TZI-Lehrbeauftragter (RCI) und NLP-Master-Practitioner, MBT D-A-CH, ist in eigener Praxis als Supervisor, Dozent und Autor tätig.
Rezension
Bindungsstörungen gehören nach der ICD-10-Klassifikation zur Gruppe gestörter sozialer Funktionen. Dabei werden die gehemmte und die ungehemmte Form der Bindungsstörung unterschieden. Als Pionier der Bindungstheorie gilt John Bowlby (vgl. sein 1969 erschienenes Buch "Bindung – Eine Analyse der Mutter-Kind-Beziehung"), der davon ausgeht, dass eine zwischenmenschliche Bindung einen wichtigen Teil der menschlichen Entwicklung darstellt. Die Bindungstheorie beschreibt in der Psychologie das Bedürfnis des Menschen, eine enge und von intensiven Gefühlen geprägte Beziehung zu Mitmenschen aufzubauen. - Das hier anzuzeigende Buch beleuchtet Bindung aus historischer Perspektive, aus der Sicht der evolutionären Bindungstheorie und der Kulturanthropologie. Es erläutert Definitionen und Ausdrucksformen von Bindungstraumatisierungen und Bindungsstörungen. Anhand zahlreicher Fallbeispiele stellt er die wichtigsten Erklärungsmodelle und Behandlungsansätze sowie Maßnahmen für die Prävention von Bindungsstörungen vor. Das Buch vollzieht eine konsequente Kontextuali-
sierung von Bindungsstörungen und verengt nicht auf rein individuumszentrierte Pathologiemodelle.

Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Inhaltsverzeichnis
Vorwort von Tom Levold 9
Vorwort des Autors 11

1 Einleitung 17

2 Bindung als entwicklungspsychologisches Konzept? 23

2.1 Ein kulturhistorischer Abriss zur Geschichte der Kindheit 27
2.1.1 Antike und Mittelalter 29
2.1.2 Erziehung im Wandel der Frühen Neuzeit und Aufklärung 31
2.1.3 Das 19. Jahrhundert 33
2.1.4 Das 20. Jahrhundert 34
2.1.5 Kindheit im 21. Jahrhundert 42
2.2 Exkurs: Psychohistorie – die intergenerationale Weitergabe von Be-/Erziehungsstilen 46
2.3 Auf dem Weg zur Implementierung von Kinderrechten 47
2.3.1 Not und Tod 47
2.3.2 Gewalt gegen Kinder 48
2.3.3 Zur UN-Kinderrechtskonvention 49
2.4 Bindungsbewusstsein im 21. Jahrhundert 51

3 Resonanz, Neurobiologie und Bindung – der Stoff, aus dem wir sind 56

3.1 Die Welt ist Resonanz 56
3.2 Einige neurobiologische Basics 58
3.2.1 Psychoneuronale Grundsysteme 58
3.3 Weitere neurobiologische Aspekte 63
3.3.1 Oxytocin 64
3.4 Bindung ist die Basis 65
3.4.1 Frühe Interaktion 67
3.4.2 Die Entwicklung expliziter Bindungsmuster 70
3.4.3 Bindung im Lebensverlauf 74
3.5 Bindungsforschung und transkulturelle Aspekte 76
3.6 Mentalisieren macht menschlich 78
3.6.1 Entwicklung des Mentalisierens 80
3.6.2 Mentalisieren und Stress 84
3.6.3 Epistemisches Vertrauen 85

4 Bindung und Trauma 88

4.1 Bindungsdesorganisation 88
4.2 Bindungsstörungen 95
4.2.1 Zur Geschichte der diagnostischen Einordung von Bindungsstörungen 97
4.2.2 ICD-9 und ICD-10 99
4.2.3 ICD-11 und DSM-5 101
4.2.4 Multiaxiales Klassifikationssystem für psychische Störungen des Kindes- und Jugendalters
(MAS) 106
4.2.5 Zero to Three und DC: 0–5 107
4.2.6 Eine alternative Typologie der Bindungsstörungen 110
4.3 Bindungsstörungen – eine vorläufige Definition 119
4.4 Differenzialdiagnose 120
4.5 Komorbidität 124
4.6 Prävalenz und Epidemiologie 128
4.7 Verlauf und Prognose 128

5 Diagnostik der Bindungsstörungen 132

5.1 Eine systemische Haltung zu Diagnose und Diagnostik 132
5.2 Neue Ansätze zur Erfassung und Klassifikation von Psychopathologie 136
5.2.1 Research Domain Criteria 136
5.2.2 HiTOP = Hierarchische Taxonomie der Psychopathologie 137
5.2.3 Der p-Faktor 137
5.2.4 Das Two Continua Model of Mental Health von Keyes 139
5.3 Interdisziplinär erhobene Anamnese und klinische Beobachtung 141
5.4 Standardisierte Bindungsdiagnostik 143
5.4.1 Säuglings- und Kleinkindalter 143
5.4.2 Vorschul- und Schulalter 145
5.5 Mentalisierungskompetenzen 149
5.6 Entwicklungsdiagnostik 150
5.7 Systemisch-tiefenpsychologische Verfahren im Familienkontext 151
5.8 Ressourcendiagnostik 152
5.9 Interaktive systemische Fallanalyse im Rahmen stationärer Jugendhilfe 152

6 Auf dem Weg zur (Be-)Handlung: Erklärungsmodelle 154

6.1 Soziokulturelle Einflüsse 155
6.2 Intergenerationale traumatische Erlebnisse 156
6.3 Neurobiologische und (epi-)genetische Aspekte 158
6.3.1 Genetik, Temperament, Gifte 158
6.3.2 Pränatale Stressverarbeitung 159
6.3.3 Chronischer Stress der ersten Lebensjahre 160
6.3.4 ACE-Studie und Psychoneuroimmunologie 162
6.3.5 Fazit: Somatische Folgen früher Stressbelastung 164
6.4 Bindungswissenschaftliches Krankheitsverständnis: Entwicklungs- und Bindungstraumatisierung 165
6.4.1 Misslingende Koregulation 166
6.4.2 Entwicklungs- und Bindungstraumatisierung 169
6.4.3 Vernachlässigung 171
6.4.4 Familiäre Traumatisierung 172
6.5 Psychodynamische Aspekte 175
6.6 Verhaltenstheoretische Ansätze 176
6.7 Systemische Beiträge zu Verständnis und Behandlung von Bindungsstörungen 178
6.7.1 Die Systemtheorie von Niklas Luhmann 179
6.7.2 Affektlogik und Grundbedürfnisse 181
6.7.3 Bindungswissenschaft 183
6.7.4 Metaperspektiven zu Störungen und Krankheiten 185
6.7.5 Generische Prinzipien 187

7 Therapeutisch-pädagogische Zugänge 192

7.1 Allgemeine Aspekte 192
7.2 Die therapeutische Beziehung 194
7.2.1 Die generischen Prinzipien 194
7.2.2 Das metaanalytische Modell der Psychotherapieforschung 195
7.2.3 Das Konzept der affektiven Rahmung 197
7.2.4 Das BINDEN-HALTEN-LÖSEN-Modell 199
7.2.5 Systemische Prozessbeisteuerung 205
7.2.6 Achtsamkeit 206
7.2.7 Tetralemma 207
7.3 Fallkonzeption und angewandte Methoden 208
7.3.1 »Systemisch ist die Theorie, nicht das Werkzeug!« 210
7.3.2 Therapeutische und pädagogische Methodenvielfalt 211
7.4 Behandlungsverläufe konkret 213
7.4.1 Bindungsstörungen im Kleinkindalter: Inobhutnahme und familiäre Bereitschaftspflege 214
7.4.2 Stabilisierung und Mentalisierungförderung in der stationären Jugendhilfe bei transgenerationaler Traumatisierung 222
7.4.3 Multimodale systemische Behandlung im Jugendhilfekontext 226
7.4.4 Fallverläufe aus der ambulanten kinder- und jugendpsychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung und Katamnese 229
7.4.5 Bindungsstörung mehrgenerational – tagesklinisches Setting 238
7.4.6 Bindungsstörung mehrgenerational in der stationären Behindertenhilfe 258
7.5 Mentalisierungsinspirierte Systemische Therapie (MIST) 263
7.6 Systemische Profis und ihre Bindungsstile 269
7.7 Zur Behandlung von Menschen mit Bindungsstörungen: Merksätze für die Praxis 271

8 Bindung braucht Prävention – Konsequenzen für die Politik 273

8.1 SAFE® und B.A.S.E.® – Babywatching 274
8.2 Circle of Security (CoS) – Kreis der Sicherheit 275
8.3 STEEP™ (Steps Toward Effective and Enjoyable Parenting) 276
8.4 Mind-Mindedness – ein Ansatz zwischen Prävention und Therapie 277
8.5 Die Grow Together Methode und Haltung 277
8.6 Effekte bindungsorientierter Prävention und Behandlung 278
8.7 Primärprävention als gesellschaftspolitisches Desiderat 279

Fazit und Ausblick 282

Literatur 285
Sachregister 307