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Als hätte der Himmel mich vergessen
Verwahrlost und misshandelt im eigenen Elternhaus
Amelie Sander
Bastei Lübbe
EAN: 9783404609253 (ISBN: 3-404-60925-5)
368 Seiten, paperback, 13 x 19cm, Januar, 2017
EUR 10,00 alle Angaben ohne Gewähr
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Umschlagtext
Von ihrer frühesten Kindheit an ist Amelie dem Hass der Frau ausgeliefert, die sie „Mama“ nennen muss. Nach außen hin sind die Sanders die perfekte Familie. Doch Amelie bekommt kaum zu essen und zu trinken, wird eingesperrt, gequält und erniedrigt. Wenig, das ihr nicht bei Strafe verboten ist. Erst spät findet Amelie heraus, was mit ihrer leiblichen Mutter geschehen ist. Als sie schon fast alle Hoffnung verloren hat, gelingt ihr mit 21 Jahren endlich die Flucht ...
Rezension
Den Roman "Als hätte der Himmel mich vergessen" berichtet sehr ehrlich und schonungslos über die Kindheit von Amelie Sander. Die Autorin erzählt abwechselnd mal im Rückblick Situationen aus ihrem leben als misshandeltes, verwahrlostes Kind und aus der Zeit, kurz nachdem sie aus ihrer Familie geflohen ist. Dabei bewundere ich den Mut und die Kraft, mit der Frau Sander von den schrecklichen Ereignissen, die sie bis heute demütigen und nicht nur Mitleid, sondern auch Mobbing mit sich brachten, schreibt:
Die Ehe ihrer Eltern war von Gewalt geprägt. Als Amelie etwa 3 Jahre alt war, lässt sich die Mutter scheiden und nimmt nur Nina, Amelies Halbschwester mit. Amelie bringt sie zu ihrer Stiefmutter. Das deutsche Gericht der 60er und frühen 70er Jahre verteilt die Mutter für schuldig an der Scheidung, da sie Amelies Vater verlassen hat. Doch dies ist nur der Anfang der eigentlichen Tragik. Amelies Mutter galt als schizophren und bringt sich und die ältere Schwester um. Amlies Vater heiratet wieder. Von da an hat das Mädchen unter der Unberechenbarkeit und dem Hass der Stiefmutter aber auch ihres Vaters, der dabei zusieht, nicht sehen will, selbst schreit, beschimpft und zuschlägt, zu leiden. Es ist auch nach einem Pädagogikstudium völlig unvorstellbar, was Amelie erleiden musste.
Doch nicht damit sich die Leser an dieser Grausamkeit ergötzen hat Amelie viele Jahre nach ihrer Flucht das Buch geschrieben, sondern um den Menschen überhaupt bewusst zu machen, dass es überall in Deutschland Kinder gibt, die misshandelt werden!
So wie ein Ertinkender während des Ertrinkens nicht schreit oder wild um sich wedelt, weil er es gar nicht mehr kann, sondern ganz still und ohne sich zu wehren untergeht, so sind auch misshandelte Kinder möglichst unauffällig, verteidigen ihre Familien oft mit allen Mitteln, weil sie genau wissen, dass die Misshandlungen noch schlimmer werden, wenn sie dies nicht tun.
Amelie war ein stilles Kind, weigerte sich zu sprechen, weil ihre Mutter das von ihr wollte. Sie war kein dummes Kind, doch aufgrund von jahrelangem Nahrungsentzug und dauernder Dehydrierung verlangsamte sich ihr Denken. Außerdem wurde ihr verboten, sich am Unterricht zu beteiligen, sie sollte als geistig behindert gelten. Auch körperlich wirkte sie verwahrlost, doch gelang es der Stiefmutter immer wieder, dies so darzustellen, als weigere sich Amelie, als sei sie widerspenstig und rebellisch.
Jeder Pädagoge, jeder Lehrer, jeder Erzieher, jeder Arzt, jedes Elternteil, jeder Verwandter, jeder Erwachsene muss lernen, aufmerksamer zu werden! Jedes Anzeichen von Verwahrlosung und Misshandlung muss ernst genommen werden. Statt im Zweifel für den Angeklagten muss man im Zweifel für den Schutz des Kindes entscheiden.
Das Tragische an dem Buch ist zu lesen, wie Amelie einfach nicht geglaubt wurde. Wie Ärzte nicht nachfragten, Polizisten nicht hinterfragten, Schulen vorschnell verurteilten und das einzige Heim, in dem es Amelie je gut ging sich täschen ließ, als Amelie im Beisein ihrer Schänderin bat, wieder nach Hause zu dürfen. Kinder, die pysisch und psychisch misshandelt werden stehen mental so unter Druck, dass sie oft gar nicht anders können, als das zu sagen und zu tun, was man von ihnen verlangt, ganz gleich, ob es vielleicht sogar gegen ihre Existenz geht!
Vielen Dank an Frau Sander, dass sie den Mut hatte, dies alles durch ihr Buch aufzudecken. Ein Radioreporter hätte das 100fach schlechter hinbekommen!
Ina Lussnig, Lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Amelie Sander wurde Ender der 60er Jahre in einer mittelgroßen Stadt in Deutschland geboren. Nach ihrer Flucht aus dem Elternhaus musste sie von Null auf Hundert lernen, sich im täglichen Leben zurechtzufinden und auf eigenen Beinen zu stehen. Als sie ihren Mann kennenlernte, erfüllte sich ihr größter Wunsch: einen Menschen zu finden, den sie lieben und rückhaltlos vertrauen kann. |
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