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Aberglaube und Zauberei in der Volksmedizin
Carly Seifarth
Bohmeier Verlag
EAN: 9783890944364 (ISBN: 3-89094-436-1)
136 Seiten, paperback, 15 x 21cm, Mai, 2005
EUR 14,90 alle Angaben ohne Gewähr
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Umschlagtext
Die früheren absonderlichen und seltsamen Gebräuche, mit denen man Krankheiten abzuwenden oder zu heilen vermeinte, erscheinen uns heute auf den ersten Blick als eine unverständliche Ausgeburt sinnlosen Aberglaubens. Aber vieles von dem, was uns heutzutage vernunftlos und widersinnig vorkommt, wird verständlich und zeigt sich als Überrest eines logischen und wohldurchdachten Vorgehens, wenn wir uns vergegenwärtigen, welche Anschauung unsere Urahnen von den Ursachen der Krankheiten hatten, als sie sich dieser Heilmethoden bedienten. Aus diesen alten Zeiten haben sich diese, wenn auch nur verstümmelt und durch Überlieferung verunstaltet, bis auf den heutigen Tag erhalten.
Weiterhin ist wichtig, welche Reste dieser ursprünglichen Vorstellung von den Krankheitsursachen noch heute im Volk zu finden sind. Wir wissen ja, dass der primitive Mensch den normalen Verlauf der Vorgänge im Körper nicht kannte, - also muss ihm auch unbekannt sein, dass sich Krankheiten aus Störungen der normalen physiologischen Funktionen des menschlichen Organismus herausbilden. Er kann also nicht auf den Gedanken kommen, dass die auslösenden Momente der in seinem Inneren tobenden Krankheit in ihm selbst entstehen und deshalb nahm er an, dass diese von außen in ihn hereinkommen.
Dafür hat der Mensch verschiedene Erklärungen entwickelt: Entweder ist ein übersinnliches, unsichtbares Wesen, ein für jede Krankheit besonderer Dämon, in ihn gefahren, oder sie ist das Werk irgendeines ihm feindlich gesinnten, zauberkundigen Bösewichtes, oder aber die Krankheit ist eine von einer Gottheit gesandte Strafe.
Bei einer solchen Auffassung von den Krankheitsursachen ist der Weg klar vorgezeichnet, den die Behandlung einzuschlagen hat. Übernatürlich wie die Ursachen der Krankheit müssen die Maßnahmen sein, die zu ihrer Beseitigung getroffen werden. Nur durch Gegenzauber kann das angezauberte Übel behoben werden.
Deshalb versuchte man durch Gebete und Weihegaben, Gott zu bestimmen, die Strafe wieder zurückzunehmen, die Krankheit zu heilen. Beschwörungen, Austreibungen, beschwichtigende Opfer, Gebete und Zauberhandlungen - diese verschiedenartigsten Mittel bringt daher der Mensch von jeher in Anwendung, um Krankheit von sich und den Seinen abzuwenden.
Sind heutzutage von der ursprünglichen Auffassung nur noch Überreste im Volk erhalten, so haben sich die Mittel, die man auf Grund dieser Vorstellungen anwandte, aber zum großen Teil erhalten.
Noch heutzutage, - in der Gegenwart - gebraucht man diese zauberischen und abergläubischen Heilmittel selbst oder wendet sich zuversichtlich Hilfe erwartend an "kluge" Frauen und "weise" Männer, denen sie bekannt sind. Oft ohne sich dieser Ursprünge bewusst zu sein, werden diese auch heute noch durch die Generationen weitergetragen. Insbesondere auch deshalb, weil man nicht erst heutzutage erkannt hat, dass viele dieser traditionellen "Mittelchen" und "Zaubersprüche" auch dem heutigen Menschen helfen.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
A. Entstehung der Krankheit
I. Die Krankheit ist durch Dämonen bedingt
Der Alb
Das Fütel
Wechselbalgdämonen
Die Krankheitsdämonen in Wurmgestalt
Verstorbene als Krankheit verursachende Geister
II. Dämonische Menschen als Ursache der Krankheit
III. Die Krankheit ist eine Strafe Gottes
Zusammenfassung
B. Heilung der Krankheit
Heilung durch das Wort
Sprüche mit echtem epischen Eingang
Brandsegen
Zwiegesprächssegen
Wurmbeschwörungen
Drei Frauen-Segen
Drei-Blumen-Segen
Segen von Drei-sonderbaren-Männern
Segen, die von der Lebensgeschichte Christi handeln
Heilung der Krankheit durch Gebete
Literaturverzeichnis
Lebenslauf
Leseprobe
Leseprobe aus dem Kapitel "Der Alb"
Eine dieser Krankheiten verursachenden Gestalten, die sich von urgermanischen bis auf den heutigen Tag erhalten haben, ist das in Sachsen, unter dem Namen Alp, Mure, Mahre, Nachtmahre, allgemeine übernatürliche Wesen. Auch unter dem Namen Truht, Trude, Drude, erscheint es in unserem Vaterlande, als Schrettel im Fränkischen Hochland und als Bodsmärte im Altenburgischen.
Diese verschiedenen Namen sind lokale Bezeichnungen, ein und desselben dämonischen Wesen, welches im Volksglauben als Druckgeist auftritt, und diese als Albdrücken und Atembeschwerden auslösenden Beängstigungen im Schlafe verursacht. Es setzt, hockt und legt sich, zumeist in der Nacht, dem schlafenden Menschen auf die Brust, drückt und quält ihn fürchterlich, presst ihm die Kehle zusammen, so dass er ächzend und stöhnend kaum Atem zu holen vermag und zu ersticken meint.
Die Erklärung des natürlichen Hintergrundes dieses Krankheitsdämonen und aller folgenden aus ihm hervorgegangenen, mythischen Gebilden, die gleiche oder ähnliche Beschwerden verursachen, aus den vorgenannten Albträumen, ist bereits erwähnt worden. Es ist sehr einleuchtend, dass die Erscheinungen des Albdrückens einen so mächtigen Eindruck auf den Menschen zurückließen und sich diesem mit so deutlicher Greifbarkeit vor die Augen stellten, dass er glauben musste, diese Traumbilder seien wirkliche Gestalten. "Aus der Erinnerung an den oft wiederholten Zustand entwuchs dann der Aberglaube und aus diesem ging die reiche Albsagebildung hervor."
So können wir bei unseren heimischen Albsagen zwei Formen unterscheiden, analog bei den zweierlei Albträumen, die Höfler anführt: Wir haben erstens den Albunlusttraum, aus dem die Atemnot, Beklemmung, Schrecken und Angst verursachenden Gestalten hervorgegangen sind, und zweitens den Alblusttraum bei dem der Druckgeist Lustempfindungen und Pollutionen verursacht und als minnendes (aufreizendes) männliches oder weibliches Wesen empfunden wird.
Der letzte, der erotische Albtraum, erklärt, dass die Marengestalten in der Volksmeinung oft das Äußere nackter Frauen, schöner Mädchen haben und andererseits in Gestalt von Soldaten, Knechten und Vergleichbarem erscheinen. In einer solchen Form, in der Gestalt einer weißen Frau, die sich auf die im Bett Liegenden legt und sie drückt, tritt der Alb in Lumwitz bei Dresden auf. Während eine andere Sage besagt, dass einem Mädchen in Leipzig-Plagwitz, das oft von Albdrücken geplagt wurde, der Alb als Soldat, und zwar in Uniform erschien.
Der Druckgeist im Albunlusttraum erscheint bald in menschlicher bald in tierischer Form. So zeigt sich der Alp in Sachsen auch als altes Weib, als männliches Ungeheuer und selbst in Gestalt einer Katze, Iltis oder Fuchs, ebenso in Gestalt eines Marders ist er gesehen worden.
Ja, sogar in leblosen Gegenständen glauben die Leute, wie aus unseren heimischen Sagen hervorgeht, die sie quälenden Albwesen zu erkennen, und zwar fast ausschließlich in solchen Dingen, die die Lagerstätte in Albträumen bilden, zum Beispiel Bettfedern, Strohhalme, Flaumfedern, Getreideähren und Reiser.
Nicht nur Menschen, sondern auch Tiere werden vom Alb heimgesucht. Diese Schwitzen und Schnauben dann des Nachts und sind am Morgen ganz mit Schaum bedeckt. Kleinere Tiere drückt der Alb tot. Wenn man nämlich junge Gänse in einen Schweinestall steckt und sie sterben, so sagen die sächsischen Bauern, der Alb habe sie erdrückt. Sterben die Kaninchen, und sie sehen dann breitgedrückt aus, so legt man einen Besen in den Stall, dann verliert der Alb die Macht.
An den meisten uns heute im Volk entgegentretenden Mahr- und Albberichten sehen wir jedoch, dass die Rolle der germanischen Druckgeister von den, alle Wahngestalten der primitiven Welt vererbenden Hexen übernommen worden ist. Das Albdrücken und alle seine Erscheinungen wird diesen oder anderen dämonischen Menschen zur Last gelegt, was beiläufig erwähnt bereits in heidnischer Zeit auf animistischer und vor allem auf präanimistischer Stufe der Kultur geschah. Es gibt daher nach dem heutigen Volksglauben Leute, die aus Bosheit gegen andere, aus angeborenem Drang nachts in irgendeiner Verwandlung albdrücken, "alben" gehen. In erster Linie nimmt man das in Sachsen von Personen an, deren Augenbrauen zusammengewachsen sind. Doch sind auch Menschen mit "kleinen Augen" verdächtig. Man erzählt ferner, dass die zuerst Genannten einem anderen, auf den sie Zorn oder Hass haben, den Alb mit bloßen Gedanken zuschicken können. Im östlichen Erzgebirge meint man vom Alb, dass er ein Mensch sei, der in der "Scheechezeit" (Scheuchzeit, Gespensterstunde) geboren wurde und die Macht habe, unsichtbar umherzuwandeln und sich den Leuten auf die Brust zu setzen. Er kommt durchs Schlüsselloch und wächst dann, wenn er im Zimmer ist, immer größer und größer. Er steigt, wie sie glauben, stets über den Kopf des Schlafenden ins Bett hinein. Wollen sie sich dann aber schnell umdrehen, so ist es schon zu spät. Sie hören den Alb zuweilen, aber sie sehen ihn nie.
Übrigens kann jemand auch freiwillig Albdrücker werden. Er braucht nur nicht an Gott zu denken, dann kann er "alben" gehen. In der Regel tut er dies nicht in seiner menschlichen Gestalt. Es wird vielmehr geglaubt, dass sein Geist, seine Seele den Körper verlässt und irgendeine Hülle annimmt, zumeist die einer Maus, eines Strohhalmes oder einer Stecknadel. In dieser Gestalt schlüpft er durchs Schlüsselloch und setzt sich dem Schlafenden auf Brust und Kehle, um ihm die Atmungsorgane bis zum Ersticken zusammenzupressen, so dass der Gemarterte weder atmen noch schreien kann.
Verstopft man das Schlüsselloch, so kann man den Alb loswerden, ja sogar fangen.
Man hat dann eine Stecknadel, einen Strohhalm oder einen Bettzipfel in der Hand. Noch viele andere Mittel kennt das Volk, um sich von den nächtlichen asthmatischen Beschwerden, von den Erscheinungen der Atemnot, der Brustbeklemmung, die es alle durch die Tätigkeit des Albs zu erklären versucht, zu befreien. Wer an derartigen Übeln leidet ...
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