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Ovids Metamorphosen in modernen Kurzerzählungen von Rebekka Strathausen
Ovids Metamorphosen in modernen Kurzerzählungen von Rebekka Strathausen




Rudolf Henneboehl (Hrsg.), Rebecca Strathausen

Reihe: nugae


Ovid-Verlag
EAN: 9783938952276 (ISBN: 3-938952-27-X)
112 Seiten, paperback, 17 x 23cm, Mai, 2017, 30 farbige Abbildungen aus der modernen Kunst

EUR 15,00
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Umschlagtext
Moderne Kurzerzählungen zu antiken Mythen aus Ovid's Metamorphosen (Verwandlungssagen), jeweils mit einer Hinführung und mit Deutungshinweisen versehen. Aufgegriffen werden: Apollo und Daphne, Diana und Actaeon, Narcissus und Echo, Pluto und Proserpina, Niobe, Ikarus, Erysichthon, Angst (nach Invidia) und Pygmalion.
Rezension
Der kleine Ovid-Verlag ist seit vielen Jahren für farbenfrohe und innovative Interpretationsansätze lateinischer Literatur bekannt und kann viele Veröffentlichungen insbesondere zu Ovid vorweisen, hat aber auch Schulausgaben zu Texten Vergils und Senecas im Programm.
Mit dem vorliegenden Band aus der recht neuen Reihe "nugae" (hier Band 1) beschreitet der Verlag Neuland: Es werden nicht die lateinischen Texte selbst für den Unterricht aufbereitet, sondern es werden literarische Rezeptionsbeispiele herausgegeben, die aus dem Lateinunterricht entstanden sind. Rebecca Strathausen, nach eigenen Worten Schülerin des Herausgebers und Verlagsinhabers Rudolf Henneböhl (Vgl. Geleitwort, S. 111), hat neun Erzählungen aus den ovidischen Metamorphosen zum Anlass genommen, ebensoviele Kurzerzählungen ganz verschiedenen Charakters zu verfassen. Dabei gelingt es der Autorin hervorragend, die uns oft fern liegenden Mythen elegant in der Gegenwart zu verorten und den Lesern so einen ausgezeichneten Identifikationspunkt zu bieten. Die modernen Geschichten sind stilistisch abwechselungsreich aus verschiedenen Perspektiven verfasst und treffen trotz des manchmal etwas schulhaften Erzähltons stets einen wichtigen psychologischen Punkt der zugrundeliegenden Mythen.
An dieser Stelle sei die Interpretation des Actaeon-Mythos herausgegriffen: Actaeon wird bei Ovid als Bestrafung dafür, dass er die badende Göttin Diana nackt gesehen hat, in einen Hirsch verwandelt. Die gut abgerichteten Jagdhunde des Acteon zerfleischen anschließend ihren einstigen Herrn, den sie nunmehr in der veränderten Gestalt nicht mehr erkennen. (Vgl. Met.III, 131-252.)
Strathausen setzt in ihrer spannenden Adaption dieses Mythos auf die heute nicht selten vorkommende Situation des sozialen Todes durch Bloßstellung in sozialen Medien im Internet. Fernab von jeder Magie (die übrigens in keiner der Geschichten im Gegensatz zur von Magie und Zauberei geprägten Mythologie Ovids vorkommt) verirrt sich bei Strathausen ein neuer Schüler (Phil) in die Mädchenumkleide, was zur Folge hat, dass eine der dort von ihm erblickten Schülerinnen ihn auf sämtlichen sozialen Kanälen als "Spanner" (S. 26) bloßstellt, was die soziale Ächtung durch die Mitschülerinnen und Mitschüler und letztlich einen erneuten Schulwechsel zur Folge hat. Die Tragik der Erzählung, so erläutert Henneböhl in den Deutungshinweisen (S.30), bestehe darin, dass "Actaeon ungewollt und 'schuldlos' Schuld auf sich" geladen habe und "seinem Verhängnis nicht entgehen" könne. Genau diesen Aspekt bildet die Geschichte wie unter einem Brennglas ab, ohne jedoch die tiefenpsychologisch wichtige Deutung des Mythos als Erzählung über den "potenziell bedrohlichen männlichen Sexualtrieb" (S.30) beiseite zu lassen. Es gibt in Strathausens Geschichte nämlich durchaus eine triebgesteuerte Figur (Jake), von der man nichts Gutes ahnt, die sich am Ende jedoch angesichts der vermeintlichen Schuld Phils unschuldig wähnt.
Worin besteht nun der Mehrwert dieses Bandes für den Lateinunterricht?
Die Antwort ist einfach: In jeder dieser Geschichten können auch junge Leserinnen und Leser die Ovid-Interpretation einer jungen Frau studieren und sich Anregungen für ihre eigenen Deutungen holen. Dabei hilft sicher die altersmäßige Nähe zwischen Autorin und der Zielgruppe, dabei helfen aber auch die guten Einleitungstexte und Deutungshinweise des erfahrenen Lateinlehrers Henneböhl. Bei der Lektüre kamen mir immer wieder Gedanken zur Gestaltung des eigenen Unterrichts, die ich sofort fixiert habe und bei der nächsten Behandlung der Metamorphosen einfließen lassen möchte. Gerade weil der Band einige der sehr häufig behandelten Texte aufbereitet (z. B. Apollo und Daphne, Narcissus und Echo oder auch Pygmalion) wird er jeder Kollegin und jedem Kollegen schöne Ideen für den Unterricht bringen. Die gewohnt hochwertigen Farbabbildungen erweitern den Genuss und setzen herrliche visuelle Reize zur Interpretation der Texte.
Nicht zuletzt zeigt der Band die große Wertschätzung eines Kollegen für die Talente einer Schülerin!

Mehr solcher Bände aus der Reihe "nugae" wünscht sich
Johannes Groß, www.lehrerbibliothek.de .
Verlagsinfo
Jeder der zehn Novellen sind jeweils ein Bild und eine kurze Einleitung vorangestellt und es folgt jeweils eine kurze Deutungshilfe. Die Erzählungen sind aus dem Lateinunterricht als kreative Umformungen zu ovidischen Mythen entstanden. Rebekka Strathausen transferiert darin den antiken Mythos in heutige, meist schülernahe Situationen und verleiht ihm auf diese Weise eine oft verblüffende Aktualität. Ihre besondere Fähigkeit besteht darin, die Essenz einer antiken mythologischen Erzählung zu spüren, all die Nuancen des Persönlichen zu erkennen und zu durchdenken und diese dann in einen modernen Kontext umzuformen und neu zu erzählen. Diese Erzählungen sind ein Beispiel für die Wirkmacht, die der Mythos in der Seele entfalten kann, wenn man bereit ist, auf seine feinen Töne zu hören. Sie ergänzen sich in idealer Weise mit Bildern aus der modernen Kunst, denn auch die Malerei versucht mit den ihr eigenen Mitteln, dem Wesenskern der Verwandlung und des ovidischen Figurentheaters Ausdruck zu verleihen. Aus diesem Grund enthält der Band viele neue und sehr aktuelle Bilder zu ovidischen Mythen.

Das Heft ist gut geeignet auch als Abiturgeschenk oder als Auszeichnung für besondere Leistungen im Fach Latein.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort

Einführung
Der Dichter Ovid
Die Metamorphosen

Ovidische Erzählungen
1. Apollo und Daphne (I 452-567)
2. Diana und Actaeon (III 131-252)
3. Narcissus und Echo (III 339-510)
4. Pluto und Proserpina (V 359-437)
5. Niobe (VI 146-312)
6. Ikarus (VIII 183-235)
7. Erysichthon (VIII 725-884)
8. Angst (nach Invidia, IX 760-832)
9. Pygmalion (X 217-297)


Geleitwort ‒ Rebekka Strathausen

Bildnachweis