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Infokratie Digitalisierung und Krise der Demokratie
Infokratie
Digitalisierung und Krise der Demokratie




Byung-Chul Han

Matthes & Seitz
EAN: 9783751805261 (ISBN: 3-7518-0526-5)
100 Seiten, kartoniert, 9 x 18cm, Juli, 2021

EUR 10,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
„In der postfaktischen Informationsgesellschaft geht das Pathos der Wahrheit ins Leere. Es verliert sich im Rauschen der Information. Die Wahrheit zerfällt zum Informationsstaub, der vom digitalen Wind verweht wird. Sie wird eine kurze Episode gewesen sein.“


Rezension
Wie wirkt sich die Digitalisierung auf die Demokratie aus? Diese wichtige Frage bildet den Gegenstand des neuen Essays „Infokratie. Digitalisierung und die Krise der Demokratie“ von Byung-Chul Han (*1959). Erschienen ist der Text bei Matthes & Seitz Berlin in der Reihe „Fröhliche Wissenschaft“. Der Philosoph diagnostiziert gegenwärtig eine Entartung der Demokratie zu einer „Infokratie“. Damit bezeichnet er eine Herrschaftsform, die durch Dataismus und Informationskapitalismus bestimmt wird. Ein solches Informationsregime verhindere kommunikatives Handeln im Sinne von Jürgen Habermas. „Digitale Rationalität“, so Han, ersetze im digitalen Zeitalter kommunikative Rationalität und führe zu einer „digitalen Postdemokratie“, die auch unter einer „narrative Krise“ leide. Weil Verschwörungstheorien diese als Mikroerzählungen zu beheben versprechen, erfreuten sie sich zurzeit einer solchen medialen Verbreitung. Kennzeichen der „entnarrativisierten Informationsgesellschaft“ sei nach Han ein „neuer Nihilismus“. Im Zusammenhang mit seiner Warnung vor den politischen Gefahren eines Wahrheitsrelativismus rekurriert der Philosoph auf Hannah Arendts Essay über „Wahrheit und Politik“ und auf George Orwells Dystopie „1984“.
Wie Hans andere sehr gut lesbare Essays bzw. Essaysammlungen „Gute Unterhaltung“(2006/2018), „Duft der Zeit“(2009), „Müdigkeitsgesellschaft“(2010), „Transparenzgesellschaft“(2012), „Im Schwarm“(2013), „Psychopolitik“(2014), „Kapitalismus und Todestrieb“(2019), „Palliativgesellschaft“(2020) oder „Undinge“(2021) zeugt auch sein neuer Text von einem bestimmten Selbstverständnis als Philosoph. Er begreift nämlich Philosophie als eine kritische Reflexionsinstanz, die versucht gedanklich alternative Lebensformen zu entwerfen und zu prüfen. Durch die tiefsinnigen Reflexionen Hans werden Lehrkräfte der Fächer Philosophie und Ethik motiviert, sich in ihrem Unterricht mit den Auswirkungen der digitalen Revolution auf die Demokratie kritisch auseinanderzusetzen.
Fazit: Byung-Chul Han ist mit seinem neuen, augenöffnenden Essay „Infokratie“ wieder eine fulminante Kritik der omnipräsenten Digitalisierung der Welt gelungen.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de

Verlagsinfo
Die Digitalisierung schreitet unaufhaltsam voran. Wir sind benommen vom Kommunikations- und Informationsrausch. Gleichzeitig spüren wir eine Ohnmacht angesichts des Tsunamis der Information, die deformative, destruktive Kräfte entfaltet. Die Digitalisierung erfasst inzwischen auch den Bereich des Politischen und führt zu massiven Verwerfungen im demokratischen Prozess. Wahlkämpfe als Informationskriege werden mit allen erdenklichen technischen und psychologischen Mitteln geführt. Social Bots, die automatisierten Fake-Accounts in den sozialen Medien, verbreiten Fake News, Hetze und Hass und beeinflussen die politische Meinungsbildung. Troll-Armeen greifen in die Wahlkämpfe ein, indem sie gezielt Desinformation betreiben. Verschwörungstheorien und Propaganda beherrschen die politische Debatte. Mittels digitaler Psychometrie und Psychopolitik wird versucht, das Wahlverhalten unter Umgehung bewusster Entscheidung zu beeinflussen. Byung-Chul Hans neuer Essay beschreibt die heutige Krise der Demokratie, indem er sie auf den digitalen Strukturwandel der Öffentlichkeit zurückführt. Han gibt der Krise einen Namen: Infokratie und verortet sie im Informationsregime als neue Herrschaftsform.
Inhaltsverzeichnis
Informationsregime 7
Infokratie 22
Das Ende des kommunikativen Handelns 39
Digitale Rationalität 51
Die Krise der Wahrheit 64
Anmerkungen 85