lehrerbibliothek.deDatenschutzerklärung
Fragen der Dialektik (1963/64)
Fragen der Dialektik (1963/64)




Theodor W. Adorno

Reihe: Theodor W. Adorno: Nachgelassene Schriften, Abteilung IV: Vorlesungen


Suhrkamp
EAN: 9783518587683 (ISBN: 3-518-58768-4)
515 Seiten, hardcover, 13 x 20cm, Dezember, 2021

EUR 58,00
alle Angaben ohne Gewähr

Rezension
„Dialektik der Aufklärung“(1944), verfasst zusammen mit Max Horkheimer, „Minima Moralia“(1951), „Jargon der Eigentlichkeit“(1964) „Negative Dialektik“(1966), „Ästhetische Theorie“(1970) und „Erziehung zur Mündigkeit“(1971) lauten weltweit bekannte Werke des Philosophen und Soziologen Theodor W. Adorno (1903-1969). Die Schriften des Gründungsvaters der älteren Kritischen Theorie erfahren zurzeit eine Renaissance; sie werden beispielsweise für eine gesellschaftstheoretisch fundierte Medienkritik und für eine ideologiekritische Analyse der Panökonomisierung der Lebensbereiche im digitalen Kapitalismus reaktualisiert.
Verdienstvoll ist es daher, dass im Suhrkamp Verlag, im Hausverlag Adornos, nicht nur eine Gesamtausgabe seiner gedruckten Gesammelten Schriften vorliegt, sondern auch seine „Nachgelassenen Schriften“ in fünf Abteilungen veröffentlicht werden. Von diesen wurden bereits 11 Bände in gebundener Form publiziert, drei von ihnen bereits als stw-Band. Zentral für das Verständnis von Adornos Philosophie ist seine tiefsinnige Kritik an der Hegelschen Konzeption von Dialektik, welche in seinen eigenen Entwurf einer „Negativen Dialektik“ mündete. Möchte man Adorno auf seinen Denkbewegungen und -prozessen zu dieser begleiten, empfiehlt sich die Lektüre seiner Vorlesungen „Fragen der Dialektik“, die er im Wintersemester 1963/64 an der Frankfurter Universität gehalten hat.
Der Philosoph besaß die Eigenart, seine Vorlesungen frei anhand von Notizen vorzutragen, diese mittels Tonband aufzuzeichnen und transkribieren zu lassen. Diese Tonbandtranskriptionen finden sich im Theodor W. Adorno Archiv. Von den 26 einstündigen Vorlesungen über „Fragen der Dialektik“ sind alle bis auf drei überliefert. Die vorliegenden Transkriptionen wurden 2021 als Band 11 der Abteilung IV der nachgelassen Schriften von Christoph Ziermann (*1959) herausgegeben. Ergänzt hat er die Vorlesungen um Adornos „Stichworte“ zu diesen und versehen mit fundierten Anmerkungen, die von exzellenter Kenntnis des gesamten Werks des Philosophen zeugen. Ziermann verantwortete 2010 bereits die Edition von Adornos Vorlesung „Einführung in die Dialektik“ aus dem Jahre 1958. Zwischen dieser und der „Vorlesung über Negative Dialektik“ aus dem Wintersemester 1965/66 lassen sich die Vorlesungen über „Fragen der Dialektik“ werksgeschichtlich verorten.
In ihnen verteidigt Adorno einerseits Hegels Logik der „Triplizität“ gegenüber oberflächlichen Deutungen und zeigt ihre Leistungsfähigkeit auf. Andererseits deckt er an dem Schema das Verhaftetsein an der „Identitätsthese“ auf, wie es in Hegels berühmten Zitat „Das Wahre ist das Ganze.“ aus der „Phänomenologie des Geistes“(1807) zum Ausdruck kommt. Adorno zufolge sei gegenüber Harmonisierungen durch „identifizierendes Denken“ nicht nur das „Unversöhnte des realen Zustands“ hervorzuheben, sondern „die Unversöhnlichkeit des Zustand im Begriff“ zu entwickeln, was er als den „Rahmen“ seines „Programm[s] einer so genannten negativen Dialektik“(S. 95) bestimmt. Diese Form der Dialektik begreift er als einen Versuch „wirklich durchs Denken das zu leisten, was gleichzeitig die Grenzen der Möglichkeit des Denkens übersteigt“(S. 67). Adornos anspruchsvolle Vorlesungen über „Fragen der Dialektik“ sind zugleich ein Beleg für seinen eigenen Anspruch an die Philosophie, die sich nach Adorno durch die „Verpflichtung zum rückhaltlosen und rücksichtslosen Denken“(S. 12f.) auszeichne. Philosophielehrkräfte werden durch die vorliegenden Vorlesungen motiviert, sich in ihrem Unterricht mit Adornos kritischer Sozialphilosophie und seinem Dialektikbegriff problemorientiert auseinanderzusetzen.
Fazit: Die Lektüre von Theodor W. Adornos Vorlesungen über „Fragen der Dialektik“ eignen sich hervorragend, um - durch „Arbeit am Logos“ – zum Kern der Philosophie des Denkers vorzustoßen.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Theodor W. Adorno
Nachgelassene Schriften. Abteilung IV: Vorlesungen
Band 11: Fragen der Dialektik (1963/64)
Herausgegeben von Christoph Ziermann
Im Wintersemester 1963/64 hält Theodor W. Adorno an der Frankfurter Universität eine Vorlesung, die zum Glutkern seiner Philosophie führt: der Theorie der Dialektik. In intensiver Auseinandersetzung insbesondere mit Hegel und Marx profiliert er in Fragen der Dialektik seine eigene Konzeption von dialektischer Philosophie als einer radikal nonkonformistischen Denkbewegung, die sich nicht »automatisch einschnappenden Reaktionen« überlässt. Beim Versuch, zu begreifen, was sich dem Begriff entzieht, wählt die Dialektik, so wie Adorno sie versteht, nicht den bequemen Mittelweg, sondern den energischen Widerspruch, den Gang durch die Extreme »der Sache selbst«. Das erlaubt den Blick hinter die Fassade der gesellschaftlichen Wirklichkeit und markiert zugleich den »Weg ins Freie«.
Fragen der Dialektik komplettiert die Reihe der drei Vorlesungen, in denen sich Adorno diesem für ihn so zentralen Thema explizit widmete. 1966 wird er es dann in seinem philosophischen Hauptwerk Negative Dialektik vollends entfalten, zu dessen Verständnis diese nun erstmals vollständig edierte Vorlesung beizutragen vermag. Sie wird ergänzt durch die »Stichworte«, anhand deren Adorno seine Vorlesung frei sprechend hielt, sowie einen ausführlichen Anmerkungsteil, der die zahlreichen Bezugnahmen auf Ereignisse, Personen und Texte nachvollziehbar macht.
Inhaltsverzeichnis
Vorlesungen 7
Stichworte zu den Vorlesungen 347
Anmerkungen des Herausgebers 393
Editorische Nachbemerkung 493
Register 499
Übersicht 507