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Fabeltiere.  Tierische Fabelwesen der deutschsprachigen Mythen, Märchen und Sagen
Fabeltiere.
Tierische Fabelwesen der deutschsprachigen Mythen, Märchen und Sagen




Janin Pisarek

Böhlau Verlag Köln
EAN: 9783412527570 (ISBN: 3-412-52757-2)
256 Seiten, hardcover, 30 x 21cm, 2023

EUR 39,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Auf den Spuren von Drache, Wolpertinger und Co.

Jahrhundertelang bevölkerte der Mensch durch seine Vorstellungskraft die Welt mit phantastischen Wesen. Dichte Wälder, finstere Sümpfe und hohe Gebirgsketten, ja selbst einsame Dorfstraßen wurden zur Heimstätte magischer Kreaturen und unheimlicher Tierdämonen. Ganz gleich ob Lindwürmer oder Einhörner, Geisterhunde oder Basilisken - über Generationen hinweg übten tierische Fabelwesen eine enorme Faszination auf uns aus. Heute leben sie nicht nur in Märchen und Sagen weiter, sondern bereichern auch unsere Populärkultur. Doch (wieso) glaubten Menschen vergangener Epochen wirklich an diese Kreaturen? welchen Einfluss hatten sie auf kultur- und naturwissenschaftliche Diskurse? und was verraten sie uns womöglich über uns selbst?



Mit "Fabeltiere" begeben sich die Autoren auf die Suche ach Antworten. Sie zeigen dabei nicht nur die Phänomenologie bekannter und unbekannter Sagengestalten auf, sondern beleuchten auch soziokulturelle und naturkundliche Hintergründe sowie die gesellschaftlichen Funktionen dieser phantastischen Tierwesen im deutschsprachigen Raum. Besondere Ausdruckskraft verleihen diesem Buch die lebensnahen Rekonstruktionen aus Florian Schäfers Mythenatelier, die - fotografisch eindrucksvoll in Szene gesetzt - alte Sagengestalten auf neue Art erfahrbar machen.
Rezension
Ein Buch für die Hand des Lehrers, der Schüler, die Berufs-sowie Erwachsenenbildung und zum Schmökern.

Allein das Querformat mit zähnebleckendem Untier auf dunklem Cover reizt das Buch näher zu betrachten. Der Buchtitel umreist das randständige Thema und den Raum der dargelegten Narrative.

Diese intensive Bildsprache wird im gesamten Buch beibehalten. Sie führt den Betrachter von der Vergangenheit bis in die Gegenwart. Durch die hervorragende Papierqualität leuchten die Farben und eröffnen auch auf diese Weise den genussvollen Zugang zu sehr alten orientalischen Artefakten, Stichen, Gemälden sowie Marginalien, Versalien, Schnitzwerken und Karten. Exakte Bilduntertitel helfen die Motive einzuordnen und nachzuverfolgen. Die meisterhaften Landschafts-Fotografien von Hannah Gritsch mit den verwunschenen Orten, Gemäuern und in Szenen gesetzten Fabeltieren von Florian Schäfer kontextualisieren auf ihre Weise die Inhalte der Texte. So schlängeln sich allein schon durch diese Kombinationen die Pfade von alten Vorstellungen über neuzeitliche Interpretationen hin zu heutigen plastischen Umsetzungen oder realistischen Abbildungen der Fauna.

Die Gestaltung der einzelnen Textgruppen werden verschieden, doch konsequent formatiert und ermöglichen so den Lesenden sich leicht zu orientieren, aber halten diese auch in Spannung zum Inhalt. Die Texte sind in leicht verständlicher, dem Genre angepassten Sprache, dennoch fachlich korrekt, geschrieben.

Das Buch selbst gliedert sich in ein Vorwort, die Informationen zum Team, einen Prolog und fünf im Inhaltsverzeichnis kurz angerissene Kapitel. Jedem Kapitel ist ein einführender kurzer Begleittext vorangestellt. Ein umfangreiches Literaturverzeichnis ermöglicht Interessierten eine Vorstellung von dem zu erwartenden Inhalt.

Programmatisch und sehr dezidiert führt das Vorwort von Professorin Ruth Neubauer-Petzoldt sowohl in das Buch als auch in die Thematik der Fabeltierwelt ein. Ihr Anliegen, die sagenhaften Zusammenhänge hinter den Fabeltieren und Monstern der gegenwärtigen Games, Harry Potters und Film-Serien auf natur- und kulturwissenschaftlicher Ebene wieder zugängig zu machen, formuliert das Autoren-Team im Prolog.

Das erste Kapitel widmet sich neben der Abgrenzung von Text-Gattungen wie auch leicht verständlichen Definitionen der Spannung zwischen Natur und Kultur. „Wir [setzen] den Fokus in diesem Buch auf jene phantastischen Wesen, deren tierische Aspekte und deren ‚tierisches‘ Verhalten überwiegen.“ Anthropomorphe Mischwesen werden ausgeklammert und unterrepräsentierte Fabeltiere bevorzugt. Gleichwohl werden Einhörner, Drachen und Basilisken neben Bahkauv’s, Habergeißen, Rasselböcken und Würmern u.a. beachtet. Sowohl der Wandel der Wesen als auch ihr Randdasein, ihr Existieren, ihr Wirken an den Rändern und Regeln der Gesellschaft werden in das Zentrum der Texte gestellt.

Das zweite Kapitel setzt sich fächerübergreifend, ausführlich mit einzelnen Fabeltiergruppen und Fabeltieren auseinander. Die einzelnen Gruppen werden durch Zwischenüberschriften, die nicht im Inhaltsverzeichnis zu erkennen sind, übersichtlich gegliedert. Die ‚Handschrift‘ jedes einzelnen Fachgebietes ist klar zu erkennen und macht den Facettenreichtum der Wesen deutlich. Die Frage nach dem ‚Wofür stehen die Fabeltiere?‘ wird durch Naturgewalten, die Monster hervorbringen, sinnvoll erweitert. Exkurse verdeutlichen die soziokulturellen Zusammenhänge, die verschiedenen Etappen wissenschaftlicher Auseinandersetzung und erhellen Irrungen und Wirrungen der Mythologieforschung.

Das dritte Kapitel gewährt einen Einblick in das Entstehen, der Fabeltier-Plastiken von Florian Schäfer. Sie zeigen den heutigen Umgang mit Fabelwesen, den Interpretationsspielraum und die Freude am händischen Fabulieren.

Kapitel Vier fasst prägnant die Erkenntnisse aller vorangegangenen Kapitel zusammen und stellt sie im aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnishorizont dar.
Kritisch anzumerken wäre, dass der „deutschsprachige“ Raum der Mythen, Märchen und Sagen lediglich Deutschland, Österreich und die deutschsprachige Schweiz umfasst. Die verschiedenen Gebiete der deutschen Minderheiten, die ebenso Rückschlüsse auf Motivverbreitungen, orale Entwicklungen und Rückwirkungen aufeinander zulassen würden, sind weitestgehend ausgespart geblieben.

Basierend auf der leicht zugängigen Sprache, dem reichen Fundus an Bildmaterial, den durchdachten Definitionen und Textabgrenzungen sowie den verschiedenen Blickwinkeln auf eine weiterhin stark interessierende Thematik, sollte dieses Buch in keiner Schulbibliothek fehlen. Persönlich habe ich es mit großem Genuss und Gewinn für mich gelesen.

Claudia-Maria Maruschke (geschrieben für die Lehrerbibliothek, lbib.de)
Verlagsinfo
Fabeltiere
Für die Menschen der vorindustriellen Zeit war die Natur trotz weitreichender Handelsbeziehungen ein wilder und manchmal auch gefährlicher Ort. Wälder, Sümpfe und Gebirge hielt man für die Heimstätte magischer Kreaturen und fabelhafter Tiere. Wesen, deren Faszination noch heute ungebrochen ist. Lindwürmer und Einhörner, Hausdrachen und Wolpertinger lebten weiter in Sagen und Erzählungen, die im 19. Jahrhundert durch die Brüder Grimm und viele andere zusammengetragen und schriftlich fixiert wurden. Das Buch unternimmt eine Reise in die Welt der Fabeltiere des deutschsprachigen Raumes. Die Autor:innen haben das umfangreiche, vielfältige in der Literatur überlieferte Material gesichtet, sortiert und aufbereitet. Florian Schäfer schuf auf dieser Basis zahlreiche lebensnahe Nachbildungen von Fabeltieren basierend auf historischen Beschreibungen und macht damit diese mythologischen Wesen auf einzigartige und faszinierende Weise zugänglich.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 6

Das Team 8

Kapitel 1: Von Fabelwesen und fabelhaften Tieren 10
Exkurs: Fabelwesen an den Rändern der mittelalterlichen Kultur 20
Exkurs: Am Rande der bekannten Natur - Fabelhafte Kreaturen der Wunderkammer 26


Kapitel 2: Die Fabeltiere 34

Das Einhorn - Sinnbild der Reinheit 36
Exkurs: Einhörner - Ein biblischer Mythos besiegt Tod und Spott 56

Von Dorftieren und Tiergespenstern - Schwarze Hunde, dreibeinige Hasen und gespenstische Kälber 58

Das Bahkauv - Teuflische Chimären aus Aachens Unterwelt 84
Exkurs: Werwölfe - zwischen oraler Tradition und Populärkultur 98

"Sonst holt dich ..." - Hötzeltier, der Habergeiß und andere Schreckgestalten 102

Von Katastrophen, Krankheiten und Viehseuchen - Fabeltiere als personifizierte Naturgewalten 124
Exkurs: "Da steckt der Wurm drin"? Dämonische Würmer in mittelalterlichen Wurmsegen 148

Alles nur ein schlechter Scherz? Von Elbentritschen, Rasselböcken und Wolpertingern 150
Exkurs. auf den Spuren der Elwerdritsche - Mehr als Jägerlatein? 158
Exkurs: Der Dilldappe als Comic-star 162

Von grausamen Schlangen und mächtigen Drachen 174
Exkurs: Drachen in der germanischen Mythologie und Heldensagen 184

Vom Basilisk, dem König der Schlangen 214

Kapitel 3: Im Mythenatelier - Ein blick hinter die Kulissen 238

Kapitel 4: Des Pudels Kern - Ein Fazit 242

Literatur 251