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Deutschland - Missionsland Zur Überwindung eines pastoralen Tabus
Deutschland - Missionsland
Zur Überwindung eines pastoralen Tabus




Matthias Sellmann (Hrsg.)

Herder Verlag
EAN: 9783451022067 (ISBN: 3-451-02206-0)
288 Seiten, kartoniert, 14 x 21cm, 2004

EUR 26,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Das im November 2000 veröffentlichte bischöfliche Schreiben "Zeit zur Aussaat" stellt deutlich fest, dass Deutschland die Entchristianisierung droht und die katholische Kirche darum aufgefordert ist, ihre missionarische Kraft wieder zu entdecken.

Überraschend ist dieser Vorstoß der Bischöfe nicht nur, weil er die konfessionelle Lage in Deutschland in ungewohnter Nüchternheit analysiert, sondern vor allem, weil er einen selbstverständlichen Umgang mit dem Missionsbegriff pflegt.

Sind die Gründe für die missionarische Zurückhaltung von gestern heute einfach überwunden? Wie sieht ein Missionsbegriff aus, der seine kolonialen Schattenseiten überwindet? Welche pastoralen Umstrukturierungen wären nötig, um missionarisch Kirche zu sein? Sind wir nur Subjekt oder nicht längst auch schon Objekt der missionarischen Aktivität neureligiöser Bewegungen?


Rezension
Der Band, erschienen in der Reihe "Quaestiones Disputatae" versammelt verschiedene theologische Beiträge zu einer missionarischen Pastoral im Kontext der aktuellen Situation in Deutschland. Vorbild für einen neuen Stil der Pastoral ist vor allem die französische Kirche.

Im Beitrag "Das unbekannte Evangelium" zeichnet Hans Gasper , theol. Referent bei der Deutschen Bischofskonferenz, die Etappen nach, in welchen sich die Neuaufnahme des Missionsbegriffs vollzogen hat, bis hin zu dem wegweisenden Dokument der deutschen Bischöfe „Missionarisch Kirche sein“ von 2000.
Otmar John , Referent für missionarische Fragen bei der DBK, begründet die Rede von Deutschland als Missionsland einerseits aus dem Blickwinkel auf die abnehmende Bedeutung des Christentums in Westeuropa, andererseits von der theologischen Einsicht in das missionarische Wesen der Kirche. Ihm ist es wichtig nicht nur soziologisch beim Bedeutungsverlust der Kirchen in unserer Gesellschaft anzusetzen, denn es geht bei einer Neumissionierung nicht um die Wiederherstellung eines früheren Zustands.
Der Prozess der Säkularisierung wurde in Deutschland zweifellos durch die Wiedervereinigung beschleunigt. Sinnvollerweise richtet ein Beitrag von Annegret Beck, Referentin in der Schulabteilung des Bistums Erfurt, den Blickwinkel auf die Menschen in den neuen Bundesländern im Osten Deutschlands. Soziologische Untersuchungen über die Religiosität der Ostdeutschen bieten viel Ernüchterndes über das Phänomen der Religionslosigkeit.
Wie sieht missionarische Pastoral konkret aus? Der Salzburger Dogmatiker Hans-Joachim Sander beschreibt den missionarischen Auftrag der Kirche unter dem Anspruch der Ohnmacht und Gewaltlosigkeit. Es ist ein Weg, der „über eine ressentimentfreie Solidarität mit den Menschen“ verläuft (Sander 142). Voraussetzung ist große Wertschätzung gegenüber den Menschen, die durch die Verkündigung neu erreicht werden sollen. Ihre Würde, ihre Einstellungen und ihre Anfragen sind zu respektieren; es ist aufzuheben, was sie in ihren Lebensentwürfen entdeckt haben.
Für Rainer Bucher, Prof. für Pastoraltheologie an der Universität Graz, ist die Reich-Gottes-Botschaft „Entdeckungsprinzip der Gottesgegenwart unter den Menschen“ (Bucher 267).
Annegret Beck bringt Beispiele verschiedener Projekte in Ostdeutschland, mit denen Nichtchristen angesprochen werden sollen, gemäß dem Sendungsauftrag Jesu Mt 28,16-20. Dabei kann es aber nicht darum gehen, schnellstmöglich viele neue Christen zu taufen (Beck 116), der erste Schritt ist zu tun: Geht zu allen Völkern... .
Hadwig Müller, Referentin im Missionswissenschaftlichen Institut Aachen, beschreibt konkrete Beispiele für die Neuaufbrüche in der französischen Pastoral: in Evry, Sens-Auxerre usw. Für Hadwig Müller ist der Boden für die neuen Wege der Pastoral eine Theologie, die sich in enger Verknüpfung mit der Praxis versteht, und eine Praxis, die sich von der Theologie nährt. „Je länger ich mich mit den theologischen und pastoralen Aufbrüchen in Frankreich beschäftige, desto deutlicher wird mir, dass die Praxis dieser Aufbrüche eine deutliche theologische Sprache spricht – und dass die theologischen Texte, die sie in Gang bringen und begleiten, ihrerseits konkretes Handeln sind“ (Müller 230).

Hans-Joachim Sander spricht mir aus dem Herzen wenn er schreibt: „Es ist wirklich Zeit, dass man in der deutschen Kirche endlich wieder begreift, eine Mission zu haben und nicht nur Erbgüter zu verwalten hat“ (121). Dazu leisten die Aufsätze dieses Buches einen wichtigen und lesenswerten Beitrag!
Peter Förg, www.lehrerbibliothek.de




Inhaltsverzeichnis
Einführung S. 9
Von Matthias Sellmann

"Das unbekannte Evangelium". Der Aufbruch zu einer missionarischen Kirche in Deutschland im Spiegel seiner wichtigsten programmatischen Dokumente S. 25
Von Hans Gasper

Warum missionarisch Kirche sein? Argumente jenseits der Selbstauslieferung an soziologische Empirie S. 42
Von Ottmar John

Mission vor der eigenen Tür? Eine Synopse missionstheologischer Modelle S. 69
Von Andreas Wollbold

Mission oder Dialog? Zukunftsperspektiven für den katholischen Glauben in den neuen Bundesländern S. 92
Von Annegret Beck

Mission und Religion - unentrinnbar ein Dispositiv der Gewalt? Von der Not und dem Segen einer missionarischen Kirche S. 121
Von Hans-Joachim Sander

lndividualisierbarkeit des Religiösen? Die Pflege religiöser Grammatik als Aufgabe einer missionarischen Kirche S. 146
Von Johann Ev. Hafner

Wer missioniert denn uns? Die Mission durch neureligiöse Gruppierungen und die christliche Identität S. 178
Von Eckhard Türk

Anwesenheit des Einen? Zur christlichen Mission in Zeiten postmoderner Abwesenheit S. 204
Von Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz

Was macht den Unterschied der Initiativen in der französischen Kirche aus? Theologisches Handeln und handelnde Theologie S. 229
Von Hadwig Müller

Neuer Wein in alte Schläuche? Zum Innovationsbedarf einer missionarischen Kirche S. 249
Von Rainer Bucher

Die Autorinnen und Autoren des Bandes S. 283