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Der freie Wille Die Evolution einer Illusion
Der freie Wille
Die Evolution einer Illusion




Franz M Wuketis

S. Hirzel Verlag Stuttgart
EAN: 9783777615097 (ISBN: 3-7776-1509-9)
181 Seiten, hardcover, 13 x 21cm, Juni, 2007

EUR 22,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Siehe Werbetext
Rezension
Die klassische philosophische Frage, ob der Mensch einen freien Willen besitzt, erfährt seit den Behauptungen führender deutscher Neurobiologen eine Renaissance. Die Hirnforscher Gerhard Roth und Wolf Singer wie auch der Kognitionspsychologe Wolfgang Prinz behaupten, Willensfreiheit sei eine Illusion. Ihre provokante These verbreiten die Wissenschaftler in Feuilletons und Interviews in überregionalen Zeitungen und Magazinen. Kritisiert wurden die Willensfreiheits-Leugner u.a. von Philosophieprofessoren wie Peter Bieri, Michael Pauen, Herbert Schnädelbach und Jürgen Habermas.
Franz W. Wuketis, Professor für Wisenschaftstheorie an der Universität Wien, bekannt durch seine Arbeiten zur Evolutionsbiologie, schließt sich in seinem Buch "Die Evolution einer Illusion" der Position von Roth, Singer und Prinz an. Im Vorwort seines Werks formuliert Wuketis folgende Grundthese: „Die Vorstellung vom freien Willen ist eine Illusion.“(S. 7) Dabei definiert er Illusion etwas grob als „Veränderung bestimmter Sachverhalte oder Ereignisse durch die subjektive Wahrnehmung.“(S. 161) Der Wiener Wissenschaftler begründet seine These mit dem Verweis auf die evolutionstheoretische Bedingtheit des Willens. So stellt er heraus, „dass die Idee der Willensfreiheit selbstverständlich von unserem Gehirn produziert wird und wir keinen zwingenden Grund für die Annahme finden können, dass der „freie Wille“ eine eigenständige Realität sei.“(S. 91) Die Abhängigkeit des Willens genügt Wuketis als Beleg, um dem Willen das Prädikat Freiheit abzusprechen: „Ein abhängiger freier Wille ist allerdings ein Widerspruch in sich.“(S. 151) Mit anderen Worten, Wuketis behauptet: Der Wille kann kein freier Wille sein, weil er biologisch bedingt bzw. determiniert ist.
Der Wissenschaftstheoretiker entfaltet in seinem Buch aber noch eine zweite These, nämlich dass Willensfreiheit eine aus evolutionsbiologischer Perspektive notwendige, vorteilhafte Illusion für den Menschen ist (S. 153). Nach Wuketis dient das Konstrukt eines freien Willens dazu, „uns über unsere eigene Bedeutungslosigkeit in einem sinnlosen Kosmos hinwegzutäuschen.“(S. 155)
Vergleicht man die von Wuketis in seinem Buch vertretene Position mit den in der Willensfreiheits-Debatte vertretenen Thesen, so fällt auf, dass sie sich mit den Kerngedanken von Wolfgang Prinz deckt. Der Psychologieprofessor vergleicht Willensfreiheit mit einem Einhorn, das in der Ontologie der Naturwissenschaften nicht vorgesehen ist und charakterisiert den freien Willen als eine soziale nützliche Institution. Bemerkenswerterweise nimmt Wuketis in seinem Buch, in dem zwar die Schriften Roth und Singer berücksichtigt werden, keinerlei Bezug auf die Arbeiten von Prinz.
Zur Entfaltung seiner These gibt Wuketis zunächst einen Überblick über die „Ideen zur Willensfreiheit von der Antike bis heute“(S. 17-29), bei der er allerdings Immanuel Kants Position nur verkürzt wiedergibt und zum Beispiel Heinrich Rickerts Fundamentalkritik des Determinismus unterschlägt. Auch in Bezug auf die von Roth und Singer vom Zaun gebrochene rechtsphilosophische Debatte folgt Wuketis den beiden Neurobiologen. Wie diese hält er daran fest, dass zwar der Begriff der persönlichen Schuld obsolet ist, dennoch der Täter zur Verantwortung gezogen werden muss (S. 143): „Als Lebewesen bleiben wir mit der Fähigkeit zu moralischem und unmoralischem Handeln ausgestattet.“(S. 155) In diesem Zusammenhang kritisiert Wuketis die Todesstrafe „in jedem Fall als ungerechtfertigt.“(S. 143) Der Illusion des freien Willens fällt die Aufgabe zu, den Menschen „subjektiv in einen weit besseren Zustand zu versetzen als jede Kontrollbehörde.“(S. 157) Dem Buch von Wuketis ist ein „Glossar“ mit den wichtigsten Begriffen der Willensfreiheits-Debatte beigegeben, allerdings aus seiner spezifisch evolutionsbiologischen Sicht, denn Wuketis plädiert in seinem Buch für eine „evolutionstheoretische Betrachtungsweise“ des freien Willens und für ein „darauf gegründetes säkulares Menschenbild.“(S. 8)
Auch wer Wuketis evolutionstheoretischen Determinismus nicht teilt, wird durch sein Buch „Der freie Wille“ aus dem „S.Hirzel Verlag“ zum Reflektieren angeregt.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Vielfach gilt der freie Wille als Eigenschaft, die den Menschen aus der Welt der Lebewesen heraushebt. Was, wenn diese Vorstellung eine Illusion ist? Hirnforscher und Philosophen haben bereits viel darüber diskutiert, und Franz M. Wuketits betrachtet die Frage nun von einer neuen Seite: aus der Sicht der Evolutionsbiologie. Dabei stellt er fest, dass das Zusammenleben von Menschen auch dann funktioniert, wenn sich die Idee der Willensfreiheit als Illusion herausstellt; schließlich haben sogar Illusionen ihren Sinn im Dienste des Überlebens.

Sein neues Buch soll informieren, unterhalten – und zum Nachdenken anregen.

Inhaltsverzeichnis
Vorwort 7
Einleitung: Wozu soll Willensfreiheit gut sein? 11

1. Willensfreiheit - ein beherrschender Gedanke 17
2. Die Kraft der Illusionen 40
3. Zufall und Notwendigkeit in der Evolution 58
4. Zur Evolution des menschlichen Geistes 81
5. Willens(un)freiheit: die Evolution einer Illusion 107
6. Willens(un)freiheit: Leben mit einer Illusion 125

Nachwort: Jenseits von Freiheit und Würde 153

Glossar 158
Literatur 166
Personenregister 175
Sachregister 178