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Zwei Leben Roman
Zwei Leben
Roman




Ewald Arenz

DuMont Buchverlag
EAN: 9783832182052 (ISBN: 3-8321-8205-5)
368 Seiten, hardcover, 12 x 20cm, September, 2024

EUR 25,00
alle Angaben ohne Gewähr

Rezension
Roberta soll den Bauernhof ihrer Eltern übernehmen, träumt aber von einem Leben als Modeschöpferin in einer Großstadt. Sie hat eine Lehre als Schneiderin in einer Stadt absolviert und möchte der dörflichen Enge entfliehen. Gertrud ist Pfarrersfrau und fügt sich nur mit Widerwillen den dörflichen Konventionen, in die der Beruf ihres Mannes sie seit Jahren hineinzwängt. Sie hängt an ihrem Sohn Wilhelm, der nach dem Abitur gerade seinen Zivildienst leistet. Alle leben in Salach, einem Dorf in Süddeutschland mit bäuerlicher Struktur, dessen Regeln sich offenbar seit Generationen nicht geändert haben. Als die Kindheitsfreunde Wilhelm und Roberta ein Paar werden und sich für Gertrud die Möglichkeit zur (zeitweisen) Flucht aus dem Dorf ergibt, nehmen die Dinge ihren Lauf: Wir erfahren von großer Freude und Zufriedenheit, aber auch von kaum auszuhaltendem Leid und Elend.

Die titelgebenden "Zwei Leben" lässt Ewald Arenz kunstvoll in diesem ruhigen und doch spannungsvollen Roman immer wieder aufscheinen: Die Leben der beiden Frauen, ihre zeitgleichen Schwangerschaften, außerdem biographische Brüche, die das Leben der Figuren in ein Vorher und ein Nachher teilen.
Es gelingt Ewald Arenz wunderbar, das Zeitcolorit der Jahre 1971/72 einzufangen und zu beschreiben. Gerade die Gegensätze zwischen dem ländlichen Bauernleben mit Holzofen und Feldarbeit einerseits und dem europäischen Großstadtleben der 68er-Zeit andererseits, in das Gertrud zeitweise entfliehen kann, prägen lange Passagen dieses schönen Romans. Die Hauptfiguren Roberta und Gertrud, die durch Wilhelm verbunden sind, werden in ganz klaren Strichen gezeichnet. Ebenso interessant sind die Nebenfiguren: Robertas strenge Eltern und ihr liebevoll agierender Opa, Gertruds homosexueller Bruder Georg und deren altgewordene Eltern, Robertas und Wilhelms etwas plumper Jugendfreund Wolfgang, der dem Dorf mehr verhaftet scheint als alle anderen.
Durch Robertas Beruf als Schneiderin sind Bilder des Webens, des Zusammenfügens, des Nähens und Schneidens an vielen Stellen präsent. Sie können vielleicht als Modell für die hohe Sprachkunst des Autors gelesen werden, der aus den beiden Leben der Frauen eine rundherum einheitliche Geschichte webt.
Der Roman taugt sicher als Schullektüre ab Klassenstufe 10, sobald genügend historische Kenntnisse vorhanden sind. Das betrifft sowohl die konkrete Zeit der frühen 70er-Jahre, in denen die Handlung spielt, als auch die Zeit des Nationalsozialismus, auf deren Spuren fast alle Protagonisten auf ihre eigene Weise wandeln. Als Geschenk für viellesende Freundinnen und Freunde eignet er sich ebenfalls, besonders wenn darunter schon Fans der bisherigen Romane von Arenz sind.

JG, www.lbib.de
Verlagsinfo
1971 in einem Dorf in Süddeutschland.
Als einziges Kind ihrer Eltern gibt es für Roberta keine andere Zukunft als die, einmal die Bäuerin auf dem Hof zu sein. Hier auf dem Land sind Vergangenheitsbewältigung, Kriegsdienstverweigerung, Feminismus, Popkultur und Miniröcke nichts, womit man sich beschäftigt. Hier zählen Arbeit, Gehorsam und moralisches Verhalten. Doch Roberta träumt davon, eigene Kleider zu entwerfen, auch wenn sie genau weiß, dass das ein Traum bleiben wird. Zugleich liebt sie ihren Hof und die körperliche Arbeit in der Natur, in der sie sich zu Hause fühlt. Und dann gibt es da noch den Pfarrerssohn Wilhelm, ihren Freund aus Kindertagen. Die beiden verlieben sich ineinander.
Wilhelm ist nicht nur für Roberta der Grund, im Dorf zu bleiben. Auch seine Mutter Gertrud bleibt wegen ihres Sohnes. Im Gegensatz zu Roberta hasst sie das Landleben und wünscht sich nichts mehr, als weggehen zu können, hinaus in die Welt.
Bald sind beide Frauen gezwungen, ihr Leben zu überdenken und Entscheidungen zu fällen, die nicht nur für sie alles verändern.

EWALD ARENZ, 1965 in Nürnberg geboren, hat englische und amerikanische Literatur und Geschichte studiert. Er arbeitet als Lehrer an einem Gymnasium in Nürnberg. Seine Romane und Theaterstücke sind mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden. Mit ›Alte Sorten‹ (DuMont 2019) stand er auf der Liste »Lieblingsbuch der Unabhängigen« 2019 und ›Der große Sommer‹ (DuMont 2021) erhielt 2021 ebenjene Auszeichnung. Zuletzt erschien ›Die Liebe an miesen Tagen‹ (DuMont 2023).