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Was ist mit den Polen los?
Was ist mit den Polen los?




Marta Kijowska

Deutscher Taschenbuch Verlag
EAN: 9783423262149 (ISBN: 3-423-26214-1)
207 Seiten, kartoniert, 14 x 21cm, September, 2018

EUR 16,90
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Polen heute: Nach erfolgreichem Neuaufbau, EU- und Nato-Beitritt ist die positive Stimmung umgeschlagen. Eine ultrakonservative Regierung streitet mit den EU-Partnern und setzt im Land rechtsstaatliche Prinzipien außer Kraft. Wie ist das zu erklären?



Die wechselvolle Geschichte Polens, die Krieg und Unterdrückung brachte, hat das Selbstverständnis des Volkes tief geprägt. Selbstbehauptungswille und Furcht vor Benachteiligung haben sich fest eingeschrieben. Heute spalten Gegensätze die Gesellschaft, liberale Offenheit steht gegen konservative n Autoritätsglauben.



Marta Kijowska zeichnet ein lebendiges aktuelles Bild des Landes und eröffnet Wege zu einem besseren Verständnis unserer Nachbarn.
Rezension
Die Autorin Marta Kijowska weiß wovon sie schreibt und spricht. Gebürtige Polin, seit langem in Deutschland lebend mit regelmäßigen Besuchen und stetem Kontakt in ihr Heimatland Polen. Beide Länder, deren Bevölkerung, Geschichte und politische Entwicklung und Wege sind ihr also bestens bekannt.

Was ist mit den Polen los? - die aktuellen Entwicklungen unter der derzeitigen nationalistisch orientierten Regierung in Polen haben sie ganz offensichtlich motiviert, auf ihre selbst gestellte Frage eine Reihe von Antworten aus unterschiedlichen Bereichen des Lebens zu suchen (und zu finden).

Die wechselvolle Geschichte Polens, einer Nation die nur selten eigenständig sein konnte und durfte, hat zweifelsfrei einen nachhaltigen Einfluß auf das Selbstverständnis und das Selbstwertgefühl der Polen. Die ersten drei Kapitel dieses Buches beschäftigen sich mit diesem Sachverhalt, ausgehend von der Frage, warum die heutige polnische Gesellschaft sich gespalten darstellt, obwohl die letzten knapp 3 Jahrzehnte den Polen einen Weg in Freiheit und Demokratie ermöglichten und sie diesen Weg auch mutig und entscheiden gingen. Die aktuelle Regierung dreht das Rad zurück und rückt nationalistische Interessen wieder in den Vordergrund.
Eine Nation auf der Suche nach der eigenen Identität - Kijowska gelingt es, dem Leser entsprechende Sachverhalte an zahlreichen gut belegten Beispielen in ausgezeichnet lesbarer Form nahe zu bringen.
Der besonderen und besonders verhängnisvollen Beziehung zu den Nachbarstaaten Deutschland und Russland (früher: Sowjetunion) widmet sie ein eigenes Kapitel und verdeutlicht, warum sich das Verhältnis auch heute nach wie vor nicht unkritisch darstellt.
Die Angst vor dem/den Fremden begründet sich ebenfalls historisch und führt zu einem ablehnenden Kurs bezogen auf die Migrationspolitik der Polen innerhalb der EU. Ebenso problematisch gestaltet sich die Beziehung zwischen Polen und Juden und das, obwohl Polen einst als Hochburg der europäischen Juden galt. Die Ereignisse in der Ära der deutschen Okkupation und die Rolle der polnischen Bevölkerung der jüdischen Bevölkerung gegenüber bedarf, über die berechtigte Abgrenzung von deutschen Gräueltaten hinaus, einer weiteren historisch-kritischen Aufarbeitung.
Mit dem EU-Beitritt Polens im Jahre 2004 entwickelte sich die Wirtschaft Polens hervorragend. Polen galt als Musterschüler der Europäischen Union und im Jahr der EU-Präsidentschaft zeigten die polnischen Politiker, allen voran Donald Tusk, dass sie durchaus in der Lage sind, eine Staatengemeinschaft zu führen. Aber: wohin steuert die PiS-Regierung das Land heute?
Mit einer positiv stimmenden Hoffnung schließt Kijowska das Buch: die junge polnische Bevölkerung steht mehrheitlich zur Demokratie und zu den politischen Werten Europas. Bleibt abzuwarten, ob die Wahlen im kommenden Jahr 2019 dies widerspiegeln.

Der Autorin gelingt es in beeindruckender Manier, Polen und seine Menschen nicht nur zu beschreiben, sondern auch Verständnis für eine besondere Situation aufgrund der historischen Bedingungen zu wecken. Ohne zu beschönigen, ohne aktuelle Entwicklungen zu entschuldigen, die auch sie selbst ganz offensichtlich kritisch betrachtet.
Ein Spagat besonderer Art gelingt ihr ebenfalls vorbildlich: das derzeit mit Problemen behaftete Verhältnis Polens zu den europäischen Nachbarn, insbesondere zu Deutschland, neutral und mit Blick auf die Befindlichkeiten aller Beteiligten zu beschreiben, das gelingt wahrhaftig nur wenigen so wie ihr.
Ein absolut lesenswertes Buch mit einer deutlichen Hoffnung auf ein "Happy End"!

Dietmar Langusch, Lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Der schwierige Nachbar
Nach erfolgreichem demokratischem Neuaufbau, EU- und Nato-Beitritt ist die positive Stimmung in Polen umgeschlagen. Eine ultrakonservative Regierung verbreitet harsche Töne nach außen wie nach innen, verweigert sich europäischen Vereinbarungen, beschneidet demokratische Grundrechte und setzt rechtsstaatliche Prinzipien außer Kraft. Proteste und Demonstrationen erschüttern das Land. Diese Entwicklung hat tiefe Wurzeln in der Vergangenheit, die Polen den Verlust der Souveränität und jahrhundertelange Unterdrückung brachte. So stehen ausgeprägtes Misstrauen gegenüber Fremden und eine diffuse Furcht vor Benachteiligung gegen liberale Offenheit und Freiheitssinn. Die traditionell konservative katholische Kirche hat wieder großen Einfluss. Und weit verbreitet ist das Bedürfnis, alles daran zu setzen, sich ja nicht wieder von den Nachbarn aus Ost oder West unterbuttern zu lassen.

Marta Kijowska, geboren 1955 in Krakau, ist Journalistin, Publizistin, Übersetzerin aus dem Polnischen und Buchautorin. Sie lebt seit Langem in Deutschland und ist oft in Polen. Sie wurde mehrfach mit Preisen und Stipendien ausgezeichnet. Zahlreiche Beiträge in großen Zeitungen, für Hörfunk und Fernsehen zur polnischen Literatur, Kultur und Geschichte sowie Sachbücher und Literaturübersetzungen.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 9

Die Kluft 13
Ein Land – zwei Gesellschaften

Das hässliche Spiegelbild 37
Die Krise des polnischen Selbstwertgefühls

Smolensk 55
Eine Tragödie in drei Akten

Patrioten 72
Ringen mit der eigenen Geschichte

Im ewigen Clinch 93
Zwischen Deutschland und Russland

Der Fremde 118
Emigranten – Immigranten – Flüchtlinge

Nachbarn 140
Das schwierige polnisch-jüdische Erbe

Die Reifeprüfung 161
Europa – ja, EU – nein?

Der Protest 180
Anfang einer neuen Zivilgesellschaft?

Anmerkungen 200