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Warum die Politik so oft versagt und warum das besser wird, wenn wir unseren Egoismus überwinden
Warum die Politik so oft versagt
und warum das besser wird, wenn wir unseren Egoismus überwinden




Ben Ansell

Siedler-Verlag
EAN: 9783827501851 (ISBN: 3-8275-0185-7)
480 Seiten, hardcover, 15 x 22cm, April, 2024

EUR 28,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Klimawandel, Armut, Kriege: Wir wissen genau, was die größten Gefahren für unsere Gesellschaften und was wir dagegen unternehmen müssten – und dennoch enttäuscht uns die Politik immer wieder. In seiner brillanten Analyse zeigt der britische Politikprofessor Ben Ansell, warum Politik so oft scheitert. Als Kollektiv feiern wir einerseits die Ideale von Demokratie, Gleichheit, Solidarität, Sicherheit und Wohlstand – aber als egoistische Individuen handeln wir täglich dagegen. Wir wollen Gleichheit, aber unseren eigenen Wohlstand nicht antasten. Wir streben nach Sicherheit, aber nur, wenn sie unsere Freiheit nicht einschränkt. An vielen Beispielen zeigt Ben Ansell, wie unsere Institutionen und unsere werte politische Lösungen und unsere werte politische Lösungen verhindern – und wie wir das ändern können.

„Eine prägnante und packende Darstellung der politischen Themen, die uns alle angehen.“

Daniel Ziblatt
Rezension
Der Begriff „Polykrise“ dient zur Beschreibung einer Kombination verschiedener globaler Krisen. In der Soziologie werden u.a. folgende Krisen identifiziert: ökologische Krise, Identitätskrise, Demokratiekrise und Krise internationaler Politik. Dabei wächst auch die Zahl derer, die der Demokratie und der Politik den Rücken kehren. Die Rede ist in den Medien oftmals von „Politikverdrossenheit“ oder „politischem Versagen“.
2023 erschien dazu das Buch „Why Politics Falls. The Five Traps of the Modern World“, das 2024 aus dem Englischen übersetzt von Gisela Fichtl im Siedler Verlag unter dem barocken Titel publiziert wurde: „Warum Politik so oft versagt. Und warum das besser wird, wenn wir unseren Egoismus überwinden“. Nimmt man nur den Titel, erwartet man oberflächliches Poltiker:innenbashing durch ad personam-Argumente, Hypermoralisierung von Politik und einfache Rezepte zur Bewältigung der Polykrise. Vor solchem „Bullshit“ bleibt man in dem vorliegenden Buch, das von Ben Ansell stammt, verschont.
Der Professor für Politikwissenschaft am Nuffield College der Universität Oxford identifiziert als zentrales Problem gegenwärtiger Politik den Gegensatz zwischen individuellen Präferenzen und der Erfüllung kollektiver Ziele. Ansell beruft sich bei seinen Ausführungen auf die Politische Ökonomie, genauer auf eine Variante und die in seinen Augen vorherrschende. Diese basiere nämlich auf einem bestimmten Menschenbild, „dass jeder Mensch egoistisch ist, oder zumindest eigennützig“(S. 23). Die Orientierung am Modell des Eigennutzes impliziert für ihn den Ausgang von der Welt der Individuen, was er mit der Willensfreiheit des Menschen und seiner Inhabe von Präferenzen begründet.
Für Ansell ist Politik strukturiert nach der Logik reziproker Versprechen zur Erreichung von genau fünf Zielen bzw. Werten: Demokratie, Gleichheit, Solidarität, Sicherheit und Wohlstand. Dieses Wertequintett wird von dem Politikwissenschaftler in den einzelnen Kapiteln seines Buches beleuchtet. Er beginnt jeweils mit einem Fallbeispiel, anhand dessen sich ein politischer Konflikt mit Fokus auf den Wert aufzeigen lässt. Danach kommt eine kursorische begriffliche Erläuterung des Wertes unter Bezugnahme auf Elemente der Ideengeschichte, im dritten Abschnitt folgt eine Darstellung der „Wertefalle“, zum Beispiel „Demokratiefalle“, und zuletzt unterbreitet Ansell jeweils einen Vorschlag zum Umgang mit den einzelnen „Wertefallen“. Dazu nennt er u.a. als Wege aus den Fallen – wohl in erster Linie reine Marktwirtschaften angloamerikanischer Prägung vor Augen habend - die Einführung von Bürgerversammlungen, wirksame Vermögungssteuern, Robotersteuern, CO2-Steuern, Maßnahmen für bessere berufliche Bildung, den Ausbau von Institutionen sozialer Arbeit und die Entwicklung letaler autonomer Waffensysteme (LAWS).
Auf die ethischen Kontroversen über die LAWS geht Ansell nicht ein. Des Weiteren lässt sich sein individualistisches Menschenbild hinterfragen, dass sich logisch nicht aus der menschlichen Willensfreiheit ableiten lässt. Damit ließe sich beispielsweise - in Verbindung mit der menschlichen Vernunftbegabung - auch der Kategorische Imperativs Kants begründen. Man könnte vielmehr - wie die Philosophen Aristoteles und Karl Marx - den Menschen als ein in Gemeinschaft lebendes Wesen begreifen. Nach der politischen Ökonomie von Marx besteht eine Gesellschaft gerade nicht aus atomisierten Individuen, wie von Vertreter:innen des Neoliberalismus mantrahaft behauptet, sondern aus sozialen Beziehungsverhältnissen zwischen Individuen. Kritisch lässt sich zudem anmerken, ob nicht der Wert Wahrheit bei dem Wertequintett fehlt, denn wie Hannah Arendt in ihrem wegweisenden Essay „Wahrheit und Politik“(1964) identifiziert hat, unterminiert ein Wahrheitsrelativismus jegliche Formen guter Politik. Lehrkräfte werden durch die vorliegenden Ausführungen des Politikwissenschaftlers dennoch motiviert, sich im Politikunterricht mit Wertkonflikten in Politik und Gesellschaft sowie mit Werten einer guten Politik problemorientiert auseinanderzusetzen.
Fazit: Das gut verständlich geschriebene Sachbuch „Warum die Politik so oft versagt …“ von Ben Ansell ist trotz der genannten Schwachstellen eine durchaus aufschlussreiche Lektüre, welche die Bedeutung eigener Wertorientierungen für eine gute Politik verdeutlicht.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Wie wir uns selbst und unsere politischen Institutionen verändern müssen, um unsere gemeinschaftlichen Ziele zu erreichen
Klimawandel, Armut, Kriege: Wir wissen ziemlich genau, was die größten Gefahren für uns als Gesellschaft sind und wie wir sie lösen könnten – und dennoch enttäuscht unsere Politik uns immer wieder. In seiner brillanten Analyse zeigt der britische Politikprofessor Ben Ansell, warum Politik so oft scheitert. Wir sind in fünf großen politischen Fallen gefangen: Denn als Kollektiv feiern wir einerseits die Ideale von Demokratie, Gleichheit, Solidarität, Sicherheit und Wohlstand – aber als egoistische Individuen handeln wir täglich dagegen. Wir wollen Gleichheit, aber unseren eigenen Wohlstand nicht antasten. Wir streben nach Sicherheit, aber nur, wenn sie unsere Freiheit nicht einschränkt. An vielen Beispielen – von Klimahandeln bis zur Reichensteuer – zeigt Ben Ansell: Nur wenn wir unsere Uneinigkeit akzeptieren, unsere Institutionen erneuern und unsere sozialen Normen ändern, kann es uns gelingen, unsere politischen Versprechen wirksamer und stabiler zu machen und die fünf zentralen Herausforderungen der Politik zu überwinden.
Ausgabe:
Hardcover, mit Schutzumschlag, 480 Seiten, 13,5x21,5cm
Erschienen am:
24.04.2024
Originaltitel:
Why Politics Fail
Übersetzung:
Aus dem Englischen von Gisela Fichtl
Inhaltsverzeichnis
Einleitung: Einfache Probleme - doch für die Politik unlösbar 9
TEIL!
DEMOKRATIE 39
So etwas wie den »Willen des Volkes« gibt es nicht
1. Westminster: Mittwoch, 27. März 2019 41
2. Was bedeutet Demokratie? 47
3. Die Demokratiefalle 61
4. Der Weg aus der Demokratiefalle 92
TEIL II
GLEICHHEIT 115
Gleiche Rechte und gleiche Lebensumstände
schließen einander aus
5. Jeff Bezos fliegt ins All 117
6. Was bedeutet Gleichheit? 123
7. Die Gleichheitsfalle 140
8. Der Weg aus der Gleichheitsfalle 173
TEIL III
SOLIDARITÄT 197
Solidarität interessiert uns nur, wenn wir sie selbst brauchen
9. Obamacare: Samstag, 20. März 2010, Washington, D. C. 199
10. Was bedeutet Solidarität? 207
11. Die Solidaritätsfalle 224
12. Der Weg aus der Solidaritätsfalle 253
TEIL IV
SICHERHEIT 271
Anarchie lässt sich ohne das Risiko
der Tyrannei nicht vermeiden
13. Lockdown: Rom, Samstag, 8. März 2020 273
14. Was bedeutet Sicherheit? 281
15. Die Sicherheitsfalle 301
16. Der Weg aus der Sicherheitsfalle 320
TEILV
WOHLSTAND 343
Was uns kurzfristig reicher macht,
macht uns auf lange Sicht ärmer
17. Paris: Samstag, 12. Dezember 2015 345
18. Was bedeutet Wohlstand? 353
19. Die Wohlstandsfalle 368
20. Der Weg aus der Wohlstandsfalle 400
Wie Politik gelingen kann 417
ANHANG 427
Dank 429
Anmerkungen 433
Bibliografie 449
Personenregister 470
Sachregister 473