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Von Babyn Jar nach Darmstadt
Joscha Doepp
Wallstein
EAN: 9783835357181 (ISBN: 3-8353-5718-2)
167 Seiten, paperback, 12 x 20cm, November, 2024
EUR 18,00 alle Angaben ohne Gewähr
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Umschlagtext
Als die Ermittler der Zentralen Stelle in Ludwigsburg 1960 auf die Namen der Angehörigen des Sonderkommandos 4a der Einsatzgruppe C stießen, wurden diese von ihrer bereits vergessen geglaubten NS-Vergangenheit eingeholt. Das Sonderkommando hatte auf seiner Marschroute durch die Ukraine 1941 eine Blutspur hinterlassen: Rund 80.000 ukrainische Jüdinnen und Juden fielen den von ihm begangenen Massakern zum Opfer. Gegen elf Angehörige des 60 bis 80 Mann starken Kommandos wurde 1967 im Zuständigkeitsbereich des hessischen Generalstaatsanwalts Fritz Bauer das Hauptverfahren eröffnet.
Mit Fokus auf den Hauptangeklagten Kuno Callsen und das Massaker von Babyn Jar beleuchtet Joscha Döpp erstmals die Ermittlungen zu den Verbrechen des Sonderkommandos und deren Vorgeschichte, den Ablauf des Prozesses in Darmstadt sowie seine zeitgenössische Wahrnehmung in der Öffentlichkeit.
Während die Ermittler bahnbrechende Grundlagenforschung betrieben hatten, fiel das Gerichtsurteil aufgrund der bundesdeutschen Gehilfenrechtsprechung mit kurzen Freiheitsstrafen ernüchternd aus. Auch die begleitende Presseberichterstattung vermochte es nicht zu verhindern, dass der Prozess in Darmstadt trotz der Schwere der verhandelten Gewaltverbrechen schon bald wieder in allgemeine Vergessenheit geriet.
Rezension
Das vorliegende Werk von Joscha Döpp greift ein Verbrechen auf, das von seinem Tatort her durchaus einen beachtlichen Bekanntheitsgrad besitzt: das Massaker von Babyn Jar. Die Massenerschießungen von 33.000 ukrainischer Jüdinnen und Juden aller Altersgruppen gilt als eines der brutalsten Verbrechen während des Überfalls auf die Sowjetunion und darüber hinaus als größter Massenmord an der jüdischen Bevölkerung außerhalb der Konzentrationslager.
Bei der Lektüre wird rasch klar: Der Blutspur des SS-Sonderkommandos 4a können weitere Kriegsverbrechen zugeordnet werden, der rund 80.000 Menschen zum Opfer fielen.
Inhaltlich bezieht sich der Autor in der Veröffentlichung seiner preisgekrönten Masterarbeit auf die Verbrechen eines Sonderkommandos, das als Teil der Einsatzgruppe C an zahlreichen Massakern gegen die jüdische Zivilbevölkerung beteiligt war. Bei den bekannten Prozessen gegen die NS-Hauptkriegsverbrecher in Nürnberg und dem nachgelagerten "Einsatzgruppenprozess" 1947/48 (ebenfalls in Nürnberg) wurde lediglich gegen die ranghöheren Hauptangeklagten Kommandeure vorgegangen und geurteilt.
Für die Verantwortlichen der nachgeordneten Dienstgrade sah es zunächst so aus, als kämen sie mit einem "blauen Auge" davon.
Dies änderte sich mit dem Engagement des bekannten hessischen Generalstaatsanwalts Fritz Bauer und der Errichtung einer sog. "Zentralen Stelle" in Ludwigsburg, die systematisch Kriegsverbrechen in Osteuropa aufarbeitete und dokumentierte.
Im Zuge dessen kam es zu weiteren Prozessen in den 1960er-Jahren. Weitere Verantwortliche für Massenmorde in Osteuropa wurden von der Vergangenheit eingeholt und vor Gericht gestellt.
Das Buch greift den "Darmstädter Einsatzgruppenprozess" 1965-67 auf und beschreibt die Vorgehensweise bei der juristischen Aufarbeitung, bevor entsprechende Urteile vor dem Darmstädter Schwurgericht im November 1968 gefällt wurden.
FAZIT:
Eine sehr präzise, auf umfangreicher und detaillierter Recherche basierende Arbeit ist es, die Jascha Döpp der Leserschaft mit dem vorliegenden Buch zur Kenntnis bringt. Genau so sieht grundsolide und seriöse historische Forschung aus!
Damit ist klar: Es handelt sich um eine exakt gehaltene und im Tonfall angemessene Darstellung der Taten des Sonderkommandos 4a auf dem Gebiet der heutigen Ukraine. Es gelingt dem Autor, die Leser über die unfassbaren Verbrechen zu informieren, einige der Hauptverantwortlichen als Charaktere zu beschreiben und überdies den ausgesprochen schwierigen und langwierigen Prozess der juristischen Aufarbeitung zu erläutern. Dabei wird stets die notwendige Distanz zu Taten und Personen gewahrt, ohne in Emotionslosigkeit abzugleiten.
Es wird hierbei nicht nur auf die umfassenden Recherchen der Zentralen Stelle zurückgegriffen, sondern auch die besondere zeitgeschichtliche Problematik wird ersichtlich, die für die Führung der Prozesse in den 1960er-Jahren Gültigkeit hatte. Die (aus heutiger Sicht) wesentlich zu milden Urteile werden gekonnt kritisch eingeordnet und so entsteht ein Blick auf diese Zeit ohne jegliches "Bashing", sondern mit einer Einordnung, die beeindruckend ist, ohne zu relativieren.
Dietmar Langusch, Lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Fritz Bauers letztes großes Strafverfahren: die in der Ukraine begangenen Verbrechen des Sonderkommandos 4a vor Gericht
Als die Ermittler der Zentralen Stelle in Ludwigsburg 1960 auf die Namen der Angehörigen des Sonderkommandos 4a der Einsatzgruppe C stießen, wurden diese von ihrer bereits vergessen geglaubten NS-Vergangenheit eingeholt. Das Sonderkommando hatte auf seiner Marschroute durch die Ukraine 1941 eine Blutspur hinterlassen: Rund 80.000 ukrainische Jüdinnen und Juden fielen den von ihm begangenen Massakern zum Opfer. Gegen elf Angehörige des 60 bis 80 Mann starken Kommandos wurde 1967 im Zuständigkeitsbereich des hessischen Generalstaatsanwalts Fritz Bauer das Hauptverfahren eröffnet.
Mit Fokus auf den Hauptangeklagten Kuno Callsen und das Massaker von Babyn Jar beleuchtet Joscha Döpp erstmals die Ermittlungen zu den Verbrechen des Sonderkommandos und deren Vorgeschichte, den Ablauf des Prozesses in Darmstadt sowie seine zeitgenössische Wahrnehmung in der Öffentlichkeit.
Während die Ermittler bahnbrechende Grundlagenforschung betrieben hatten, fiel das Gerichtsurteil aufgrund der bundesdeutschen Gehilfenrechtsprechung mit kurzen Freiheitsstrafen ernüchternd aus. Auch die begleitende Presseberichterstattung vermochte es nicht zu verhindern, dass der Prozess in Darmstadt trotz der Schwere der verhandelten Gewaltverbrechen schon bald wieder in allgemeine Vergessenheit geriet.
Joscha Döpp
Joscha Döpp, geb. 1996, studierte Geschichte, Germanistik, Politikwissenschaft und Kunstgeschichte in Frankfurt a.M. und Toronto. Seine Masterarbeit zum Darmstädter Einsatzgruppenprozess wurde 2024 mit dem Stanislav Zámečník-Studienpreis des Comité International de Dachau (CID) ausgezeichnet. Nach dem Studium arbeitete er in einem Projekt zu den Frankfurter Sparkassen im Nationalsozialismus am Fritz Bauer Institut in Frankfurt a.M. mit. Dort ist er seit 2024 Doktorand mit einem Forschungsprojekt über den Rechtsanwalt Henry Ormond.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung 7
2 Der Mord an der jüdischen Bevölkerung in der Ukraine 21
3 Die Justiz der Alliierten und das Sonderkommando 4A 43
4 Die Zentrale Stelle in Ludwigsburg und ihre Vorermittlungen zum Sonderkommando 4A (1960-1964) 59
5 Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Darmstadt gegen das Sonderkommando 4A (1965-1967) 75
6 Kuno Callsen vor dem Schwurgericht Darmstadt (1967/68) 99
7 Zur Öffentlichkeitswirksamkeit des Prozesses 1967/68 122
8 Fazit 137
Anhang 145
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