Ist Untätigkeit notwendig für ein gutes Leben? Warum ist Freizeit gegenwärtig tote Zeit? Führt Konsumismus zur Entfremdung? Warum erscheinen gegenwärtig Revolutionen als unmöglich? Lassen sich gegenwärtige Krisen auf eine Ursache zurückführen? Warum ist Leben mehr als Überleben? Philosophische Antworten auf diese Fragen gibt Byung-Chul Han (*1959) in seinem neuen Essay „Vita contemplativa oder von der Untätigkeit“. Erschienen ist das Buch des Philosophen wieder bei Ullstein.
In ihm setzt er sich, wie der Titel schon zeigt, kritisch mit Hannah Arendts Buch „Vita activa oder Vom tätigen Leben“(1960) auseinander. Untätigkeit, „geistiges Fasten“, bildet für Han „das Humanum“. Sie ermöglicht den Menschen aus dem Hamsterrad der neoliberalen Beschleunigungs- und Optimierungsgesellschaft auszutreten, über das eigene Leben zu reflektieren, Freiheitsspielräume zurückzugewinnen und eine humane Lebensform zu erreichen: „Das Leben erhält seinen Glanz erst von der Untätigkeit.“(S. 10). Der Philosoph fordert im Anschluss an Martin Heideggers Philosophie eine „Ethik der Untätigkeit“, eine „Ethik der Scheu“.
Wie Hans andere sehr gut lesbare Essays bzw. Essaysammlungen „Duft der Zeit“(2009), „Müdigkeitsgesellschaft“(2010), „Transparenzgesellschaft“(2012), „Im Schwarm“(2013), „Psychopolitik“(2014), „Kapitalismus und Todestrieb“(2019) oder „Undinge“(2021) zeugt auch sein neuer Text von einem bestimmten Selbstverständnis als Philosoph. Er begreift nämlich Philosophie als eine kritische Reflexionsinstanz, welche versucht gedanklich alternative Lebensformen zu entwerfen und zu prüfen. Durch die tiefsinnigen Reflexionen Hans in seinem neuen Buch werden Lehrkräfte der Fächer Philosophie und Ethik motiviert, sich in ihrem Unterricht mit der Relevanz der Untätigkeit für ein gutes Leben problemorientiert auseinanderzusetzen.
Fazit: Byung-Chul Han ist mit seinem neuen, augenöffnenden Essay „Vita contemplativa oder von der Untätigkeit“ wieder eine fulminante, philosophische Kritik der Gegenwartsgesellschaft gelungen.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de

Vita contemplativa
Byung-Chul Han
oder von der Untätigkeit
Ein inspirierender Gegenentwurf zu Hannah Arendts Vita activa oder vom tätigen Leben
Die Fähigkeit zur Untätigkeit kommt uns gänzlich abhanden. Dabei ist Untätigkeit keine Negation, keine Verweigerung, keine bloße Abwesenheit von Tätigkeit, sondern ein eigenständiges Vermögen. Byung-Chul Han spürt dem Reichtum, der Pracht und der Magie der Untätigkeit nach und entwirft eine neue Lebensform.

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