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Verlorene Heimat
Das Schicksal der Vertriebenen des Zweiten Weltkriegs
Felix Bohr, Solveig Grothe (Hrsg.)
Deutsche Verlags-Anstalt
EAN: 9783421070401 (ISBN: 3-421-07040-7)
240 Seiten, hardcover, 14 x 22cm, November, 2024
EUR 24,00 alle Angaben ohne Gewähr
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Umschlagtext
Die Vertreibung über 14 Millionen Deutscher aus den einstigen Ostgebieten im Zuge des Zweiten Weltkriegs war die größte gewaltsame Bevölkerungsverschiebung in der europäischen Geschichte. Zahlreiche Menschen starben durch Kugeln oder Krankheiten; Familien wurden auf dem Weg in die unbekannte neue Heimat zerrissen. Wer überlebte, wagte unter widrigen Bedingungen den Neuanfang. Während ihre Integration in der BRD eine Erfolgsgeschichte wurde, blieb das Schicksal der Vertriebenen in der DDR ein Tabu. Viele packten bis zum Mauerbau abermals ihre Koffer und flohen erneut. Doch die Vertriebenen in beiden deutschen Staaten teilten die unverarbeiteten Traumata infolge der Flucht.
SPIEGEL-Autoren und Historikerinnen zeigen, wie sie bis heute nachwirken und die Haltung vieler Deutscher gegenüber Migranten aus dem Nahen Osten oder Afrika prägen. Und sie machen klar, warum wir die dunkle Vorgeschichte der Zwangsumsiedlungen kennen müssen, um deutsche Fluchtschicksale zu verstehen.
Rezension
Die Gründe für eine Flucht aus der angestammten Heimat sind über die Epochen hinweg unverändert geblieben: Not, Elend, Krieg und Vertreibung. Hinter immens großen Zahlen verbergen sich individuelle Schicksale, damals wie heute.
Das vorliegende Buch der beiden Herausgeber Felix Bohr und Solveig Grothe befasst sich mit den historischen Ereignissen überwiegend nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Eine Epoche, die kurz zuvor durch die gnadenlose Herrschaft der Nationalsozialisten geprägt wurde und nach deren Niederlage der Flüchtlingsstrom in Richtung des am Boden liegenden und völlig zerstörten Deutschlands floss.
Ein ausgesprochen breites Spektrum zum Thema Flucht und Vertreibung greifen die Herausgeber in ihrem Werk auf. Unterstützt durch eine Vielzahl von Autoren werden unterschiedliche Aspekte zum Thema präzise und eindringlich beschrieben. Eindrucksvoll werden die Schicksale hinter den Ereignissen aufgedeckt. Der Leserschaft begegnen bekannte Persönlichkeiten, deren Familien zu den "Heimatvertriebenen" gehören (z.B. der frühere Bundespräsident Horst Köhler oder Marion Gräfin Dönhoff), ebenso aber die vielen Menschen, deren Namen unbekannt bleiben.
14 Millionen Flüchtlinge müssen ihre Heimat verlassen und werden teils zwangsweise in ehemals "Volksdeutschen Gebieten" angesiedelt oder fliehen als Angehörige deutscher Volksgruppen in das völlig zerstörte Deutschland und müssen, um einen Neuanfang kämpfen; die Überlebenden Deutschen sind mit ihren eigenen existenziellen Problemen beschäftigt und somit werden die Neuankömmlinge häufig kritisch oder gar feindselig betrachtet und entsprechend behandelt. "Willkommenskultur" war ein Fremdwort.
FAZIT:
Es handelt sich um ein wichtiges Buch, das einen wertvollen Beitrag zur Geschichte von Flucht und Vertreibung leistet. Als Nachkömmling zweier heimatvertriebener Eltern habe ich dieses Werk mit besonderem Interesse gelesen und war angetan von der inhaltlichen Fülle der einzelnen Beiträge des Buches. Rasch wurde klar: Vertreibung betraf keineswegs nur Deutsche, es traf auch andere Volksgruppen, die von den Nazis vertrieben wurden um Lebensraum zur Ansiedlung arischer Familien zu schaffen. Nach dem Ende der Naziherrschaft folgte die Strafe auf dem Fuße.
Es schreibt sich so leicht dahin und dabei betraf es 14 Millionen Menschen - 14 Millionen Einzelschicksale. Menschen, die Haus und Hof verlassen mussten und nur mit dem Notwendigsten versehen in eine ferne, neue Heimat flohen, in der sie nicht willkommen waren.
Das Buch regt nicht nur zum Nachdenken an, es liefert auch Hinweise für diejenigen, die zum Thema "Fluchtgeschichte der eigenen Familie" recherchieren möchten (siehe hierzu: "Wie lief Omas Flucht ab?, S. 177 ff.).
Alles in allem bietet dieses Werk eine Fülle gut lesbarer Informationen und stellt einen echten Gewinn dar!
Dietmar Langusch, Lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Das Schicksal deutscher Vertriebener aus Mittel- und Osteuropa nach 1945
Die Vertreibung über 14 Millionen Deutscher aus den einstigen Ostgebieten im Zuge des Zweiten Weltkriegs war die größte gewaltsame Bevölkerungsverschiebung in der europäischen Geschichte. Zahlreiche Menschen starben durch Kugeln oder Krankheiten; Familien wurden auf dem Weg in die unbekannte neue Heimat zerrissen. Wer überlebte, wagte unter widrigen Bedingungen den Neuanfang. Während ihre Integration in der BRD eine Erfolgsgeschichte wurde, blieb das Schicksal der Vertriebenen in der DDR ein Tabu. Viele packten bis zum Mauerbau abermals ihre Koffer und flohen erneut. Doch die Vertriebenen in beiden deutschen Staaten teilten die unverarbeiteten Traumata infolge der Flucht.
SPIEGEL-Autoren und Historikerinnen zeigen, wie sie bis heute nachwirken und die Haltung vieler Deutscher gegenüber Migranten aus dem Nahen Osten oder Afrika prägen. Und sie machen klar, warum wir die dunkle Vorgeschichte der Zwangsumsiedlungen kennen müssen, um deutsche Fluchtschicksale zu verstehen.
Mit Zeitzeugenberichten und zahlreichen Abbildungen.
Felix Bohr, geboren 1982 in Trier, studierte Geschichte und katholische Theologie in Berlin und Rom und promovierte in Göttingen über die bundesdeutsche »Kriegsverbrecherlobby«. Er ist seit 2012 für den SPIEGEL tätig, zunächst als Redakteur im Ressort Deutschland/Panorama und politischer Korrespondent in Baden-Württemberg, aktuell in der Leitung des Geschichte-Ressorts.
Solveig Grothe, geboren 1975, absolvierte nach dem Abitur ein Volontariat bei der Altmark Zeitung, wo sie anschließend als Redakteurin arbeitete. Sie studierte Politikwissenschaft, Volkswirtschaftslehre und Soziologie in Magdeburg. Ab 2004 war sie als Redakteurin bei netzeitung.de mit Schwerpunkt Politik und Medien tätig und übernahm 2006 die Projektleitung der Readers Edition. 2007 entwickelte sie das Zeitgeschichte-Projekt »einestages« und gründete das Zeitgeschichte-Ressort auf SPIEGEL ONLINE. Heute arbeitet sie im Geschichte-Ressort des SPIEGEL.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
»Die vergessenen Kinder« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
Tausende Waisen wurden 1945 in Ostpreußen, Pommern
oder Schlesien zurückgelassen. Ein Betroffener erzählt.
Von Felix Bohr
»Es gab 1945 keine Willkommenskultur« . . . . . . . . . . . . . . . 25
Historiker erklären, wie die Flucht ablief –
und wie die Integration gelang.
Von Felix Bohr und Solveig Grothe
Wer Wind sät, wird Sturm ernten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
Die Vertreibung der Deutschen ist nicht ohne die Verbrechen
der Nationalsozialisten zu verstehen. Das wird gern verdrängt.
Von Mary Fulbrook
Abschiebung bei Nacht – ohne Vorwarnung . . . . . . . . . . . . . 49
»Polenaktion«: Die Ausweisung Tausender Juden 1938
war Generalprobe für den Holocaust.
Von Jasmin Lörchner
»Ich war kein Täter, aber …« . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
1940 vertrieb die SS Zehntausende Polen,
um auf ihren Höfen »Volksdeutsche« anzusiedeln.
Von Martin Pfaffenzeller
Mein Vater schrie jede Nacht im Schlaf . . . . . . . . . . . . . . . . 71
Wie die Flucht aus Schlesien bis heute weiterwirkt
Von Markus Deggerich
Auszug aus Karelien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
Finnland: 1944 mussten 400 000 Karelier ihre nun sowjetische
Heimat verlassen. Ihre Eingliederung gilt als vorbildlich.
Von Martin Pfaffenzeller
Kopf gegen Herz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
Marion Gräfin Dönhoff ließ der Verlust ihrer Heimat
nicht bitter werden. Doch mit ihrer Haltung machte
sie sich viele Feinde.
Von Dela Kienle
»Wir Deutschen waren schließlich der Feind« . . . . . . . . . . 101
Tausende deutsche Flüchtlinge wurden in dänischen Lagern
interniert. Wurden sie dort unmenschlich behandelt?
Von Katja Iken
Schiff, brüchig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .111
Die erstaunliche Geschichte eines besonderen Beibootes
Von Johanna Wagner
Der Plan von der Abschaffung der Minderheiten . . . . . . . . 117
»Aktion Weichsel«: 1947 deportierte Polen 140 000 Ukrainer
in die ehemals deutschen Gebiete. Das war der Plan dahinter.
Von Jan Opielka
Stumme Zeugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
Im Südosten Polens erinnern Denkmäler mit kyrillischer
Inschrift an die ausgelöschten Dörfer zweier Volksgruppen.
Von Solveig Grothe
Abrakadabra – Flüchtlinge weg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129
Wie die SED-Führung das Vertriebenenproblem
wegzauberte – mit Folgen bis heute.
Von Solveig Grothe
»Wer nicht angekommen ist,
kann andere nicht willkommen heißen« . . . . . . . . . . . . . . . 141
Eine Soziologin hat untersucht, wie Fluchterfahrungen
von 1945 politische Einstellungen der Gegenwart mitformen.
Von Eva-Maria Schnurr
Heer ohne Soldaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145
Einst waren Vertriebenenverbände mächtige Lobbygruppen.
Heute haben einige wieder Zulauf. Warum?
Von Frederik Seeler
Der Goldzug der Nazis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
In Polen sollen Nazis einen Zug mit Gold vergraben haben.
Von Frank Thadeusz
Bildanalyse: »Das Mädchen mit der Rettungsweste« . . . 158
Was erzählt das Kunstwerk auf einem Seenotrettungsschiff?
Von Kathrin Maas
Ein jüdischer Staat in Bayern? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165
Holocaustüberlebende kamen 1945 im bayerischen
Föhrenwald unter – das »letzte Schtetl« Europas entstand.
Von Alois Berger
Wie lief Omas Flucht ab? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177
So recherchieren Sie die Fluchtgeschichte Ihrer Familie.
Von Friederike Bieber
Das Espelkamp-Experiment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183
Vertriebene bauten nach dem Krieg die Modellstadt
Espelkamp auf. Ist der Ort ein Vorbild für gelungene
Integration?
Von Christoph Gunkel
Kompendium: Gerichte mit Tradition . . . . . . . . . . . . . . . 195
Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215
Chronik: Das Jahrhundert der Vertreibungen . . . . . . .. . 217
Empfehlungen: Bücher, Filme, Museen und Online-Angebote . . . . . 223
Autor*innenverzeichnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227
Dank .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229
Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .231
Bildnachweis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235
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