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Sünde Die Entdeckung der Menschlichkeit
Sünde
Die Entdeckung der Menschlichkeit




Ingolf U. Dalferth

Evangelische Verlagsanstalt
EAN: 9783374063512 (ISBN: 3-374-06351-9)
432 Seiten, paperback, 14 x 21cm, 2020

EUR 32,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Wider die Selbstvergottung des Menschen

Der Topos der Sünde gehört nicht nur zum Kernbestand theologischer Themen, er bietet auch einen theologischen Schlüssel zum Verständnis für die Herkunftsgeschichte der kulturellen Situation unserer Gegenwart. Der international bekannte Theologe und Religionsphilosoph Ingolf U. Dalferth zeigt das am Leitfaden der Frage nach der Menschlichkeit des Menschen an exemplarischen Punkten und widerspricht damit der weitverbreiteten »Sündenvergessenheit« deutscher evangelischer Theologie.

Das Resultat ist keine klassische theologische Abhandlung zum Sündenthema, sondern eine Problemgeschichte der Sünde, in der theologische Überlegungen zur Diagnose zentraler Entwicklungen in der europäischen Denkgeschichte herangezogen werden. Dalferths Buch kritisiert den Zweig der Aufklärungstradition, der meint, die vom Sündentopos bestimmte Interpretation der conditio humana hinter sich lassen zu können, und plädiert für eine realistische Sicht auf den Menschen. Wer an den »sündlosen« Menschen glaubt und meint, auf der Erde das Himmelreich schaffen zu können, baut an der Hölle.

Ingolf U. Dalferth, Dr. theol., Dres. h.c., Jahrgang 1948, war von 1995 bis 2013 Ordinarius für Systematische Theologie, Symbolik und Religionsphilosophie an der Universität Zürich und von 1998 bis 2012 Direktor des Instituts für Hermeneutik und Religionsphilosophie der Universität Zürich. Seit 2007 lehrt er als Danforth Professor of Philosophy of Religion an der Claremont Graduate University in Kalifornien.

Dalferth war mehrfach Präsident der Europäischen Gesellschaft für Religionsphilosophie, von 1999 bis 2008 Gründungspräsident der Deutschen Gesellschaft für Religionsphilosophie und 2016/2017 Präsident der Society for the Philosophy of Religion in den USA. Er war Lecturer in Cambridge und Manchester, Fellow am Collegium Helveticum in Zürich sowie am Wissenschaftskolleg zu Berlin und von 2017 bis 2018 Leibniz-Professor in Leipzig. 2005 und 2006 erhielt er die Ehrendoktorwürden der Theologischen Fakultäten von Uppsala und Kopenhagen.

Dalferth ist Autor und Herausgeber vieler wichtiger Schriften. Er ist u. a. Hauptherausgeber der »Theologischen Literaturzeitung« (Leipzig) und der Publikationsreihe »Religion in Philosophy and Theology« (Tübingen).
Rezension
Die Bedeutung des Themas Sünde als Kernbestand christlicher Theologie steht in deutlichem Gegensatz zum oberflächlichen Sündenverständnis in der Gegenwartskultur: Während christlicher Glaube, Theologie und Religionspädagogik Sünde, Sündenvergebung und Gnade zentral verkündigen und zu vermitteln suchen, ist der Begriff der Sünde vielen modernen Menschen einigermaßen fremd geworden oder wird auf "Sünde & Sexualität" oder die "7 Todsünden" (z.B. in Form von Langnese-Eis-Essen) reduziert. Was Sünde theologisch meint, - das will dieser Band erhellen, und zwar nicht nur in theologischer sondern auch in grundlegend anthropologischer Hinsicht, wie schon der Untertitel verdeutlicht: Sündenbewußtsein ermöglicht Menschlichkeit, indem ethischer Rigorismus und menschliche Perfektionsleistung in Frage gestellt werden. Den Sinn von Sünde sieht der Autor vor allem in der Mitmenschlichkeit: Die Aufdeckung der Sünde ist Schlüssel zur Entdeckung der Menschlichkeit (vgl. S. 408ff.). Wer an den "sündlosen" Menschen glaubt und meint, auf der Erde das Himmelreich schaffen zu können, baut an der Hölle.

Jens Walter, lehrerbibliothek.de
Inhaltsverzeichnis
Einleitung 9

I Ferne Erinnerungen 19

1. Humanum: Die Frage nach der Menschlichkeit des Menschen 19
2. Vergessene Einsichten: Sünde, Sünder und Sünden 39
3. Sündigen: Von den Sünden zur Sünde und umgekehrt 64
4. Verfehltes Dasein: Metaphysik der Sünde 79
5. Verblendung: Sünde als Orientierungsversagen 92
6. Verderbtheit: Der Irrtum des anthropologischen Pessimismus 129

II Theologische Denktraditionen 130

1. Unordnung: Die Universalität der Sünde 130
2. Untugend: Die Moralisierung der Sünde 154
3. Unglaube: Die Entmoralisierung der Sünde 174
4. Gotteshass: Sünde als Affekt 193
5. Unlust: Sünde als Sündenbewusstsein 208

III Transformationen der Sünde 221

1. Selbsterhaltung: Die politische Transformation der Sünde 221
2. Selbstsucht: Die ökonomische Transformation der Sünde 234
3. Endlichkeit: Die metaphysische Transformation der Sünde 242
4. Radikal böse: Die ethische Transformation der Sünde z6o
5. Angst: Die psychologische Transformation der Sünde 275
6. Entfremdung: Die existenzphilosophische Transformation der Sünde 295
7. Daseinsschuld: Die phänomenologische Transformation der Sünde 308
8. Scham: Die kulturanthropologische Transformation der Sünde 317

IV Dekonstruktionen der Sünde 327

1. Ressentiment: Die genealogische Dekonstruktion der Sünde 328
2. Sexismus: Die ideologische Dekonstruktion der Sünde 347
3. Kolonialismus: Die identitätspolitische Dekonstruktion der Sünde 362
4. Trivialisierung: Die zeitgenössische Destruktion der Sünde 380

V Der Sinn der Sünde 391

1. Das Positive des Negativen: Die beiden Hauptstränge des Sündendiskurses 391
2. Wider Verkürzungen: Übervereinfachung als Kern der Sündenkritik 397
3. Mitmenschlichkeit: Die Aufdeckung der Sünde als Schlüssel zur Entdeckung der Menschlichkeit 408

Namenregister 419