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Selektion in die Sonderschule Das Verfahren zur Gestaltung von sonderpädagogischem Förderbedarf als Gegenstand empirischer Forschung
Selektion in die Sonderschule
Das Verfahren zur Gestaltung von sonderpädagogischem Förderbedarf als Gegenstand empirischer Forschung




Brigitte Kottmann

Verlag Julius Klinkhardt
EAN: 9783781514812 (ISBN: 3-7815-1481-1)
366 Seiten, paperback, 16 x 24cm, 2006

EUR 32,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Die Chancenungleichheit im deutschen Bildungssystem ist spätestens seit PISA bekannt. Weitgehend unbeachtet bleibt jedoch die Gruppe der Schülerinnen und Schüler, die bereits aus der Grundschule ausgeschlossen und zu einer Sonderschule überwiesen wird.

Die hier vorliegende Studie betrachtet die Schnittstelle zwischen allgemeiner und Sonderpädagogik durch eine empirische Untersuchung des Überweisungsverfahrens.

Im Anschluss an eine intensive Auseinandersetzung mit der historischen Entwicklung wird das aktuelle sonderpädagogische Feststellungsverfahren von NRW beschrieben, der Begriff des „sonderpädagogischen Förderbedarfs“ kritisch hinterfragt und der Zusammenhang von Bildungs- und sozialer Benachteiligung sowie schulischer Selektion aufgezeigt. Die empirische Analyse des Verfahrens liefert darüber hinausgehend detaillierte Daten sowohl über einzelne Kinder als auch über typische Benachteiligungsmuster. In der Untersuchung wurde von einem Schuljahr (1999/2000) eine Vollerhebung sämtlicher Überweisungsgutachten der Förderschwerpunkte Lernen, Sprache und Sprechen sowie emotionale und soziale Entwicklung eines nordrhein-westfälischen Schulamtsbezirks erstellt.



Dr. Brigitte Kottmann, geboren 1971, ist ausgebildete Grundschullehrerin und als Akademische Rätin an der Fakultät für Pädagogik in der Arbeitsgruppe „Erziehungs- und Schultheorie" der Universität Bielefeld tätig. Sie leitet dort die Lernwerkstatt und ist für das Schülerhilfeprojekt „Schule für alle" verantwortlich.


Rezension
Ich finde es immer wieder erfreulich, wenn an den überkommenen Strukturen schulischer Bildung gerüttelt wird, zumal nicht erst seit PISA bekannt ist, welche Chancenungleichheit im deutschen Bildungssystem herrscht. Die Verfasserin problematisiert in ihrer pädagogischen Dissertation an der Universität Bielefeld mutig die Selektion von Sonderschülern in der Grundschule. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass Schule insbesondere sozial Benachteiligte, Kinder mit Migrationshintergrund und Jungen (!) aktiv benachteiligt, kategorisiert und etikettiert. Sonderschule ist nicht nur eine Schule, die von sozial benachteiligten Kindern besucht wird, sondern die Sonderschule ist auch für die soziale Benachteiligung der Kinder mit verantwortlich. Die Schüler/innen werden nicht nur in ihrer Bildungs- und Entwicklungsfähigkeit als dauerhaft eingeschränkt behauptet, sondern sie werden tatsächlich in ihren Bildungsmöglichkeiten eingeschränkt, indem sie dem gemeinsamen Lernen in der Regelschule entzogen werden ...

Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung 9

2. Das Überweisungsverfahren in historischer Perspektive 17

2.1 Die Gründung des „Verbands der Hilfsschulen Deutschlands" und das Überweisungsverfahren bis zum Ende der Kaiserzeit 19
2.2 Das Überweisungsverfahren in der Zeit der Weimarer Republik 33
2.3 Das Überweisungsverfahren in der Zeit des Nationalsozialismus 41
2.4 Das Überweisungsverfahren in der Bundesrepublik Deutschland 53
2.4.1 Denkschriften und Entwicklungen der fünfziger Jahre 57
2.4.2 Die sechziger Jahre 59
2.4.3 Die siebziger und achtziger Jahre 65
2.4.4 Fazit 72
2.5 Zusammenfassung 72

3. Die Feststellung von sonderpädagogischem Förderbedarf 74

3.1 Vom Sonderschulaufnahmeverfahren zur Verordnung von 1995: Bildungspolitische Voraussetzungen zur Neukonzeption des Verfahrens 74
3.2 Die Verordnung über die Feststellung des sonderpädagogischen
Förderbedarfs und die Entscheidung über den Förderort (VO-SF) 78
3.2.1 Die Beteiligten, ihre Perspektiven und Aufgaben 82
3.2.2 Der Umgang mit dem neuen Gesetz und die Situation nach Inkrafttreten 94
3.2.3 Die Kooperation zwischen der Grund- und der Sonderschullehrkraft im dialogischen Verfahren 96
3.2.4 Förderorte und Organisationsformen sonderpädagogischer Förderung 98
3.3 Vergleich zwischen dem Sonderschulaufnahmeverfahren (1973) und dem VO-SF (1995)103
3.4 Kritische Betrachtung des VO-SF und des Begriffs „Sonderpädagogischer Förderbedarf' 105
3.4.1 Kritik an der KMK Empfehlung 105
3.4.2 Kritik am Begriff „Sonderpädagogischer Förderbedarf' 107
3.4.3 Kritik an dem Verfahren gemäß VO-SF 118
3.5 Pädagogische Diagnostik und Diagnostische Verfahren 120
3.5.1 Begriffsklärung und Einordnung 121
3.5.2 Von der standardisierten IQ-Messung zur Förderdiagnostik 122
3.5.3 Kritik an dem Missbrauch von Diagnostik als selektive Statusdiagnostik 127
3.6 Das Verfahren und Feststellungsgutachten als Gegenstand der Forschung 128
3.6.1 Das Verfahren als Gegenstand von Forschung 128
3.6.2 Überweisungsgutachten als Gegenstand empirischer Forschung 131
3.6.3 Anknüpfen der eigenen Untersuchung 135
3.7 Zusammenfassung 137

4. Lern- und Entwicklungsstörungen 138

4.1 Förderschwerpunkt Lernen: Lernbehinderung 141
4.2 Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung 147
4.3 Förderschwerpunkt Sprache und Sprechen: Sprachbehinderung 1 50
4.4 Zusammenfassung 152

5. Bildungsbenachteiligung durch schulische Selektion 153

5.1 Benachteiligte Gruppen im Bildungssystem 154
5.1.1 Kinder, die von Armut betroffen sind 155
5.1.2 Kinder mit Migrationshintergrund 158
5.1.3 Jungen 161
5.2 Lernbehinderung als Kumulation von Benachteiligungen 162
5.3 Stufen der negativen Bildungskarriere im Elementar- und Primarbereich 166
5.3.1 Besuch des Kindergartens 166
5.3.2 Zurückstellung in den Schulkindergarten 168
5.3.3 Wiederholung einer Klasse 171
5.3.4 Übergänge zu weiterführenden Schulen 173
5.4 Zusammenfassung 175

6. Methodisches Vorgehen und Konzeption der Untersuchung 177

6.1 Gegenstand und Fragestellung der Untersuchung. 177
6.2 Methodisches Vorgehen. 179
6.3 Beschreibung des Datenmaterials:
VO-SF Gutachten im Schuljahr 1999/2000 186

7. Quantitative Analyse 189

7.1 Einführung 189
7.2 Der Ablauf des Verfahrens 191
7.3 Der Zeitpunkt des Verfahrens 204
7.4 Diagnostische Testverfahren 214
7.5 Die Bildungslaufbahn der Kinder 225
7.6 Der familiäre Hintergrund und die Lebenssituation 234
7.7 Die Einstellung der Erziehungsberechtigten 244
7.8 Kinder nichtdeutscher Herkunft 250
7.9 Kinder ohne sonderpädagogischen Förderbedarf 256
7.10 Zusammenfassung der quantitativen Analyse 261

8. Clusteranalyse

8.1 Methodisches Vorgehen 265
8.2 Beschreibung der sechs Cluster 268
8.3 Zusammenfassung und vergleichende Darstellung der Cluster 273

9. Qualitative Analyse 277

9.1 Lernbehinderung im Zusammenhang mit sozialer Benachteiligung 278
9.2 Soziale Benachteiligung und Migrationshintergrund als Legitimation einer Lernbehinderung? 284
9.3 Überalterung und bereits erfolgte Klassen Wiederholung als Indiz einer Lernbehinderung? 294
9.4 Die früh überwiesenen deutschen Jungen mit Erziehungsschwierigkeit oder Sprachbehinderung 302
9.4.1 Kinder mit dem Förderschwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung 302
9.4.2 Kinder mit dem Förderschwerpunkt Sprache 307
9.5 Zurückstellung als möglicher Beginn einer Misserfolgskarriere? 312
9.6 Kinder, die an der Regelschule verbleiben 318
9.7 Zusammenfassung und Interpretation der qualitativen Analyse 326

10. Resümee und Ausblick 332

Literaturliste 343