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Scheidewege Jahresschrift für skeptisches Denken Herausgegeben von der Max Himmelheber-Stiftung

Jahrgang 50  2020/2021
Scheidewege
Jahresschrift für skeptisches Denken


Herausgegeben von der Max Himmelheber-Stiftung



Jahrgang 50 2020/2021
Hirzel
EAN: 9783777629247 (ISBN: 3-7776-2924-3)
410 Seiten, kartoniert, 17 x 24cm, August, 2020

EUR 38,90
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Scheidewege



Überkommenes wird in unserem Denken im gleichen Maße fragwürdig wie Fortschrittsgläubigkeit: Das Gestern ist nicht zu wiederholen, aber das Morgen kann auch nicht einfach eine verbesserte Form des Heute sein. In die Tradition zu retirieren ist so aussichtslos wie die Hoffnung, dass dem Fortschritt, so wie er derzeit betrieben wird, ein zweckmäßiger Mechanismus der Selbstregulation innewohne, der endlich alles zum Guten wenden werde.

In dieser Situation gibt es niemanden, der für sich in Anspruch nehmen dürfte, Gebrauchsanweisungen geben zu können; die gleichwohl im Umlauf befindlichen, die das Heil in der Programmierung und Planung suchen, müssen skeptisch geprüft und ihre Fehler müssen benannt werden. Skeptisches Denken ist auf jene gerichtet, die glauben, den Code des Lebens und des Zusammenlebens entschlüsselt zu haben und daraus schnellfertig die Verfahren ihres Handelns ableiten zu können. Skeptisches Denken erbringt Einwände und Einsichten, die nicht immer Weg und Ziel, aber doch eine Richtung anzeigen.

Die Prüfung kann überall ansetzen: Dort, wo das Denken als Philosophie betrieben wird, und dort, wo es, formuliert oder nicht, einem Handeln zugrunde liegt - in der Naturwissenschaft und der Technik, in der Anthropologie und in der Pädagogik, in Politik und Soziologie -, kein Bereich, in dem nicht ältere oder brandneue Gebrauchsanweisungen gültig wären, die der Prüfung bedürfen.

Diese Aufgabe haben sich die „Scheidewege“ gestellt. Die Vielfalt der möglichen Themen, in denen kein Bereich des menschlichen Lebens ausgespart sein kann, hat ebensolche Vielfalt der Form zufolge: sie reicht vom Essay bis zur Polemik, von der Beschreibung bis zur Mahnung, von der Rezension bis zum Bekenntnis - das heißt: von der Meditation bis zum Kampf.

S. Hirzel Verlag
Rezension
1971 erschien die erste Ausgabe der „Scheidewege“, der „Jahresschrift für skeptisches Denken“, herausgegeben von der Reutlinger Max Himmelheber-Stiftung. Ein halbes Jahrhundert später endet mit dem 50. Band die Ära dieses Organs, eines Flagschiffs des anspruchsvollen, kritischen, sprachlich elegant verfassten Essays. Zwei Gründe für die Einstellung dieser Zeitschrift in der hiesigen Form führt Walter Sauer (*1939) (ehemaliger Professor für Erziehungswissenschaft an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg), der die „Scheidewege“ zusammen mit Michael Hauskeller (*1964) (Professor für Philosophie an der Universität Liverpool) seit 2004 redaktionell betreute, in seiner Einleitung zu dem letzten Band an: erstens das Schwinden der Leserschaft und zweitens das der Autorenschaft, die in einem hochspezialisierten Wissenschaftssystem weniger Bereitschaft besitzt, überhaupt Essays zu verfassen.
Wie der Name der seit dem 34. Band im S. Hirzel Verlag publizierten Zeitschrift anzeigt, zielen ihre Beiträge darauf ab, Zweifel an aktuellen gesellschaftlichen, politischen, pädagogischen und philosophischen Trends anzumelden und diese Entwicklungen einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Einfache primär technologische Gebrauchsanweisungen zur Lösung von zentralen gesellschaftlichen Problemen der Spätmoderne werden in den Beiträgen der „Scheidewege“ aufgedeckt und mit guten Argumenten zurückgewiesen. Gegenüber unkritischer Fortschrittsgläubigkeit einerseits und dem Traum von „Retrotopien“(Bauman) anderseits zeichnet sich skeptisches Denken aus durch sein Festhalten an dem Projekt Aufklärung und durch den Versuch in einer zunehmend unübersichtlichen Zeit Denkrichtungen zur lebensweltlichen Orientierung zu geben. Dazu enthält das ökophilosophisch ausgerichtete und transdisziplinär angelegte Periodikum, das mit künstlerischen Abbildungen oder Fotographien versehen ist, fundierte Beiträge von wissenschaftlich oder publizistisch ausgewiesenen Expertinnen und Experten, überwiegend aus den Disziplinen Philosophie, Politik, Soziologie, Pädagogik, Psychologie, Naturwissenschaften und Technik. „Scheidewege“-Texte stammen u.a. von Günther Bittner, Gernot Böhme, Jürgen Dahl, Thomas Fuchs, Michael Hauskeller, Hans Jonas, Klaus-Michael Meyer-Abich, Josef H. Reichholf, Hans-Martin Schönherr-Mann, Robert Spaemann oder Ernst Ulrich von Weizsäcker. Eine Übersicht über die Vielfalt der Autorinnen und Autoren des Organs findet sich in dem Gesamtregister der Bände 1-50, das dem letzten Band beigefügt ist.
Auch die Ausgabe der „Jahresschrift für skeptisches Denken“ für den Jahrgang 2020/21 wird wieder ihrem eigenen Anspruch vollauf gerecht. Unterschiedliche aktuelle Themen wie ökologische Krise, Technisierung der Welt, Transhumanismus oder Probleme der Europäischen Union werden in den Beiträgen kritisch beleuchtet. Ebenso wird in dem letzten „Scheidewege“-Band auf den ersten Blick Ungewöhnliches thematisiert wie die Kulturgeschichte des Kaffees, das Besondere der Nase oder die Mühlenrenaissance, die eine philosophische Deutung erfährt. Besondere Erwähnung verdienen zudem die ästhetisch ansprechenden Abbildungen ausgewählter Aquarelle der Malerin Anita Albus, die in der Jahresschrift abgedruckt wurden. Für Lehrkräfte der Fächer Philosophie, Ethik, Politik und Pädagogik bietet das Jahrbuch genügend Themen, die es verdienen mit Schülerinnen und Schülern in einem problemorientierten Unterricht diskutiert zu werden.
Fazit: Wer dem skeptischen Denken nahesteht oder sich mit aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen kritisch auseinandersetzen und sich dabei guter Argumente bedienen möchte, dem sei die letzte Ausgabe der „Scheidewege“ unbedingt zur Anschaffung empfohlen.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Hier melden sich Autorinnen und Autoren zu Wort, für die Überkommenes ebenso fragwürdig ist wie maßlose Fortschrittsgläubigkeit. Die hochwertigen Bände, herausgegeben von der Max Himmelheber - Stiftung, stehen für eine Kultur des hoffnungsvollen Zweifelns quer gegen alle Konventionen. SCHEIDEWEGE erscheint einmal im Jahr.

Pressestimmen:
Die Lektüre ist in jedem Fall gewinnbringend und nachhaltig. (pro ZUKUNFT)
Inhaltsverzeichnis
Walter Sauer 50 Jahre Scheidewege Jubiläum und Ende 5
Günther Bittner Skeptisches Denken? 10
Josef H. Reichholf Skepsis ist nötig: Es wandelt sich nicht allein das Klima 23
Gerhard Fitzthum Verbundenheit und Ausbeutung 30
Frédéric Holzwarth Verbundenheit – ein leibliches Phänomen 55
Andreas Weber Die Tragfähigkeit der Luft 74
Valérie Wagner Vom Verschwinden der Vögel 89
Nora S. Stampfl Sind wir noch zu retten?! 110
Mins Minssen NO RESEARCH AREAS: Märchenhaft forschungsfrei 130
Andreas Weber Die Psyche ist eine Pflanze 148
Anita Albus Sonnenfalter und Mondmotten 161
Norbert Jung Naturverständnis und Psychotop 177
Rainer Hagen Die Geschichte von den zwei Richtungen 196
Sigbert Gebert Technik, Technisierung, Moral und Glück – Technikphilosophie und philosophische Technik 200
Thomas Fuchs Transhumanismus und Verkörperung 222
Friedrich Pohlmann Spielen 242
Claus Wiegert Schach dem Schachmatt 261
Rainer Hagen Über den Ruf der Nase 265
Michael Holzwarth Vom Kaffee zum Café 270
Marcel Remme Mühlenrenaissance – ein philosophischer Deutungsversuch 292
Peter Cornelius Mayer-Tasch Wege und Scheidewege des Deutsch-Äthiopiers Hermann Goetz (1878–1970) 311
Hans-Martin Schönherr-Mann Zur Genealogie der Apokalypse 324
Burkhard Liebsch Zahllose Verluste 348
Heinz Theisen Selbstbegrenzung und Selbstbehauptung Europas 366
Friedrich Pohlmann Mut und Feigheit 376
Biographische Angaben 404
Gesamtregister der Bände 1–50