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Republik der Angst Eine andere Geschichte der Bundesrepublik
Republik der Angst
Eine andere Geschichte der Bundesrepublik




Frank Biess

Rowohlt
EAN: 9783498006785 (ISBN: 3-498-00678-9)
624 Seiten, hardcover, 16 x 22cm, Februar, 2019

EUR 22,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Die Anatomie der German Angst



„Die gewaltsamen Verwerfungen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts prägten die Vorstellungen der Deutschen von der Zukunft. Die darin enthaltenen Ängste waren Ausdruck eines geschärften Bewusstseins für die Fragilität moderner Gesellschaften. In Zeiten einer weltweiten Krise westlicher Demokratien ist uns diese Unsicherheit nach 1945 wieder näher gerückt. Die historischen Erfahrungen, die diese Ängste hervorriefen, wie der Untergang von Weimar oder die Erfahrung des Nationalsozialismus, waren den Westdeutschen nach 1945 zeitlich und emotional so nahe, wie es die Terrorattacken des 11. September unserem gegenwärtigen Zukunftsbewusstsein sind. Freilich waren die Ängste der Deutschen nicht nur störend und destabilisierend. Im Gegenteil: Die erhöhte Angstbereitschaft der Deutschen sensibilisierte sie auch für mögliche Gefahren und schärfte das Bewusstsein für die Krisenanfälligkeit moderner Demokratien. Die Angstgeschichte nach 1945 trug paradoxerweise auch zur Stabilisierung und letztlich zum ‚Erfolg‘ der Bundesrepublik bei.“
Rezension
Kalter Krieg, „Kampf dem Atomtod“, NS-Prozesse, Notstandsgesetze, 68er-Revolution, Fernsehserie „Holocaust“, RAF, Waldsterben, ökologische Krise, Tschernobyl und Rechtspopulismus. Was verbindet diese Ereignisse und Entwicklungen, die man gemeinhin mit der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Verbindung bringt? Es ist die Angst einzelner sozialer Gruppen oder der gesellschaftlichen Mehrheit vor bestimmten Zukunftsszenarien, unabhängig davon, ob diese realistisch sind oder nicht.
Dieses jedenfalls behauptet der Historiker Frank Biess (*1966) in seinem bei Rowohlt jüngst erschienenen Buch „Republik der Angst. Eine andere Geschichte der Bundesrepublik“. Ängste sind für ihn nicht nur Begleiterscheinungen politischer, sozialer oder ökonomischer Faktoren, sondern ihnen kommt eine eigene historische Wirkungsmächtigkeit zu. Auf eine genaue geschichtstheoretische bzw. -philosophische Relationierung einzelner historischer Kräfte verzichtet der Historiker allerdings.
Der Professor für Europäische Geschichte an der University of California interpretiert die historische Entwicklung Deutschlands - primär Westdeutschlands - ab 1945 als „Geschichte aufeinanderfolgender Angstzyklen“. Diese haben seiner Analyse zufolge entscheidend zur Demokratisierung und Liberalisierung der BRD beigetragen. Angst diente in der deutschen Geschichte dazu, Verbindungen zu schaffen zwischen unterschiedlichen Vergangenheitskonzepten und Zukunftsprognosen. Das wird deutlich anhand von Biess` Typologie von acht historisch nachweisbaren Ängsten: „Vergeltungsangst“, „Moralische Angst“, „Kriegsangst“, „Moderne Angst“, „Demokratische Angst“, „Revolutionäre Angst“, „Allgegenwärtige Angst“, „Apokalyptische Angst“. Bei seinem Verständnis von Angst rekurriert er auf Erkenntnisse moderner Emotionstheorien.
Überzeugend gelingt Biess in seinem Buch anhand fundierter Quellenanalysen und umfangreicher Literaturauswertung zu zeigen, wie Ängste die Geschichte der Bundesrepublik beeinflussten. Besondere Erwähnung verdient an seiner Darstellung, dass er auch den „Angst-Diskurs“ bestimmende philosophische Werke berücksichtigt wie Arnold Gehlens vielfach aufgelegtes Werk „Die Seele im technischen Zeitalter. Sozialpsychologische Probleme der Industriegesellschaft“ (1957) und Hans Jonas` Buch „Prinzip der Verantwortung. Versuch einer Ethik für eine technologische Zivilisation“ (1979), in der sich die verpflichtende, methodologische Regel der „Heuristik der Furcht“ findet. Dass die Angst vor dem Klimawandel die Menschen umtreibt, zeigen jede Woche die Demonstrationen der Schülerinnen und Schüler von „Fridays for future“. Angesichts der ökologischen Krise und angesichts eines Trends zu „Retrotopien“(Bauman) empfiehlt der Historiker zu Recht eine genaue Reflexion darüber, „wovor wir uns ängstigen wollen“.
Fazit: Mit seinem gut verständlich geschriebenen Buch „Republik der Angst“ ist es Frank Biess gelungen, ein neues Narrativ für die Geschichte der BRD zu liefern, das verdient im öffentlichen und im historischen Diskurs gewürdigt zu werden. Geschichtslehrkräfte werden durch sein Werk angeregt, im Unterricht die Geschichte der Bundesrepublik unter einer anderen Perspektive zu beleuchten sowie die Rolle politischer Emotionen zu thematisieren, aber auch zu problematisieren.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Frank Biess
Republik der Angst
Eine andere Geschichte der Bundesrepublik

Die Anatomie der deutschen Angst.
Frank Biess erzählt die Geschichte der Bundesrepublik als eine Geschichte kollektiver Ängste. Die Furcht vor Vergeltung in der unmittelbaren Nachkriegszeit, die Angst vor einem Atomkrieg und kommunistischer Infiltration in den fünfziger Jahren und dann vor Arbeitslosigkeit durch Automatisierung und vor autoritären politischen Tendenzen, schließlich die apokalyptischen Ängste der achtziger Jahre: Immer waren die politischen Debatten und die deutsche Politik von Angst geprägt, nicht zuletzt von der Angst vor der vermeintlichen Allgegenwart des Faschismus.
Biess geht es nicht darum, im Rückblick die Berechtigung dieser Ängste zu bewerten. Er beschreibt vielmehr ihre prägende Rolle für die Entwicklung des Landes. Die Erfahrung von Krieg und Gewalt, lautet seine These, begleitete die Demokratisierung und Liberalisierung der Bundesrepublik; die Angst stellte die soziale und politische Ordnung in Frage – und stabilisierte sie zur gleichen Zeit.
Schließlich diskutiert der Autor die Auswirkungen dieser Angstgeschichte auf die politische Kultur der Berliner Republik. Sind die aktuellen Ängste vor Krieg, Einwanderung und Terrorismus noch spezifisch deutsch, also auf die deutsche Vergangenheit bezogen? Oder spiegeln sie allgemeinere «transnationale» Befürchtungen, die sich in anderen westlichen Nationen auch finden lassen? Er geht damit der spannenden Frage nach, ob die Geschichte der «deutschen Angst» heute an ihr Ende gelangt ist.

Themen: Deutschland; Deutschland: Kalter Krieg (1945 bis 1990 n. Chr.); Politikwissenschaft; Geschichtsschreibung, Historiographie; Zweiter Weltkrieg; Umgang mit Angst und Phobien
Inhaltsverzeichnis
INHALT
Vorwort 9
EINLEITUNG - Angst und Demokratie 15
KAPITEL EINS –Vergeltungsangst 41
KAPITEL ZWEI – Moralische Angst 85
KAPITEL DREI – Kriegsangst 117
KAPITEL VIER – Moderne Angst 155
KAPITEL FÜNF – Demokratische Angst 193
KAPITEL SECHS – Revolutionäre Angst 239
KAPITEL SIEBEN – Allgegenwärtige Angst 295
KAPITEL ACHT – Apokalyptische Angst 359
EPILOG – German Angst
Dank 465
Anmerkungen 471
Quellen- und Literaturverzeichnis 563