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Philosophische und populärwissenschaftliche Schriften
Hermann von Helmholtz
Meiner Hamburg
EAN: 9783787328963 (ISBN: 3-7873-2896-3)
1391 Seiten, hardcover, 16 x 24cm, Juni, 2017
EUR 99,00 alle Angaben ohne Gewähr
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Rezension
Worin besteht der Bildungs- und Kulturwert der Naturwissenschaften? Sind die Axiome der Geometrie empirischer Natur? Ist die Mechanik die Basiswissenschaft zur Erklärung der Naturvorgänge? Lassen sich psychische Prozesse auf physische Prozesse reduzieren? Gibt es Tatsachen der Wahrnehmung? Sind Empfindungen nur Zeichen der Wirklichkeit?
Selbst mit diesen philosophischen Fragen hat sich der bedeutende Naturwissenschaftler Hermann von Helmholtz (1821-1894) in seinem Werk auseinandergesetzt. Der Physiker, Physiologe, Mediziner hat nicht nur immer noch gültiges Wissen in den Bereichen Elektrodynamik, Thermodynamik, Optik, Neurophysiologie erarbeitet, wie zum Beispiel die Ausformulierung des Energieerhaltungssatzes, die Entwicklung der Dreifarbentheorie oder die Erfindung des Augenspiegel und des Opthalometer, sondern in seinen Vorträgen und Schriften sich auch mit zentralen Fragen der Wissenschaftsphilosophie intensiv befasst.
Die philosophisch bedeutsamen Texte von Helmholtz, sowohl veröffentlichte als auch nachgelassene, liegen erstmals seit 2017 in einer dreibändigen Edition mit dem Titel „Philosophische und populärwissenschaftliche Schriften“ vor. Dafür haben die Herausgeber des bei Felix Meiner erschienenen Werks, die Philosophieprofessoren Michael Heidelberger, Helmut Pulte und Gregor Schiemann, gekonnt 66 unselbständige Schriften des Naturwissenschaftlers ausgewählt, eine hervorragende Einleitung zu Helmholtz` Leben und Werk formuliert sowie erstmals eine Gesamtbibliographie seiner Schriften, auch der rein naturwissenschaftlichen, zusammengestellt. Das Œuvre des Naturforschers demonstriert die wechselseitige Verwiesenheit von naturwissenschaftlicher Grundlagenforschung und philosophischer Grundlagenreflexion.
Zu den Highlights der vorliegenden Helmholtz-Ausgabe können folgende Schriften gezählt werden: der berühmte Vortrag „Ueber die Erhaltung der Kraft“(1847) [Text 1], Vorträge zur wissenschaftssystematischen Lokalisierung und Profilierung der Naturwissenschaften wie „Ueber das Verhältniss der Naturwissenschaften zur Gesammtheit der Wissenschaft“(1862) [Text 9] und „Ueber das Ziel und die Fortschritte der Naturwissenschaft“(1869) [Text 18], Beiträge zur Metamathematik „Ueber den Ursprung und die Bedeutung der geometrischen Axiome“ (1870) [Text 19] und „Zählen und Messen, erkenntnistheoretisch betrachtet“(1887) [Text 43] sowie Arbeiten zu einer empirischen Wahrnehmungstheorie der Vortrag „Ueber das Sehen des Menschen“(1855) [Text 6], die Rede „Die Thatsachen in der Wahrnehmung“(1878) [Text 34] und ein Auszug aus dem Standardwerk „Handbuch der Physiologischen Optik“(1894) [Text 14]. Diese Texte von Helmholtz könnten beispielsweise von Lehrkräften der Fächer Philosophie, Physik und Mathematik in ihrem Unterricht produktiv herangezogen werden, um mit den Schülerinnen und Schülern über Wissenschaftsphilosophie jenseits von naiver Wissenschaftsgläubigkeit und von Wissenschaftsskeptizismus zu reflektieren und außerdem mathematisch-physikalische Grundbegriffe zu analysieren.
Fazit: Die dreibändige Ausgabe „Philosophische und populärwissenschaftliche Schriften“ des Multitalent Hermann von Helmholtz enthält philosophische Einsichten, die gerade in postfaktischen Zeiten verdienen Gehör zu finden. So hat sein Plädoyer für wissenschaftliche Tugenden wie „geistige Selbstständigkeit, Ueberzeugungstreue und Wahrheitsliebe“ [Text 18, S. 605] auf der Eröffnungsrede der Versammlung Deutscher Naturforscher und Ärzte in Innsbruck im Jahre 1869 nichts an Aktualität verloren.
Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Aus dem vielfältigen Werk von Hermann von Helmholtz versammelt diese Ausgabe die im engeren Sinne philosophischen Abhandlungen, vor allem zur Wissenschaftsphilosophie und Erkenntnistheorie, sowie Vorträge und Reden, bei denen der Autor seine Ausnahmestellung im Wissenschaftsbetrieb nutzte, um die Wissenschaften und ihre Institutionen in der bestehenden Form zu repräsentieren und zu begründen.
Ein Philosoph wollte Helmholtz nicht sein, aber er legte der philosophischen Reflexion wissenschaftlicher Erkenntnis und wissenschaftlichen Handelns große Bedeutung bei. Vor allem bezog er, in der Regel ausgehend von seinen fachwissenschaftlichen Forschungen, in den verschiedensten Kontexten zu erkenntnistheoretischen und methodologischen Problemen der Wissenschaften Stellung. Bereits »Ueber die Erhaltung der Kraft« (1847) lässt erkennen, wie verwoben naturwissenschaftliche Grundlagenforschung und philosophische Grundlagenreflexion in seinem Werk sind. Die aus den frühen sinnesphysiologischen Forschungen hervorgegangene empiristische Wahrnehmungslehre trug ihm den Ruf ein, ein maßgeblicher Vertreter des Neukantianismus zu sein. Spätere Arbeiten v.a. zur Geometrie und Arithmetik – das zeigt die vorliegende Ausgabe – stellen jedoch eine radikale Absage an den konstitutiven Kern des Kantianismus (nämlich die Existenz synthetischer Urteile a priori) dar.
Helmholtz’ philosophische Beiträge sind bisher in ihrer Vollständigkeit nicht annähernd so gut zugänglich wie sein naturwissenschaftliches Werk. Die Ausgabe enthält außerdem bibliographische Vorberichte zur Einordnung, detaillierte Namens- und Sachregister sowie mit 575 Einträgen für den Zeitraum zwischen 1842 und 2012 die erste umfassende Bibliographie von Helmholtz verfasster Werke überhaupt.
»Ich glaube, dass der Philosophie nur wieder aufzuhelfen ist, wenn sie sich mit Ernst und Eifer der Untersuchung der Erkenntnissprocesse und der wissenschaftlichen Methode zuwendet. Da hat sie eine wirkliche und berechtigte Aufgabe.«
Helmholtz in einem Brief um 1875
Inhaltsverzeichnis
Inhalt Band I
Hermann von Helmholtz – Leben und Werk
1. Helmholtz' LebenXI
1.1 Potsdam und Berlin: Energieerhaltung, BiophysikXI
1.2 Königsberg: Sinnesphysiologie, Zeichentheorie der Wahrnehmung, ErkenntnistheorieXV
1.3 Bonn und Heidelberg: Weiterführung der SinnesphysiologieXXII
1.4 Heidelberg: Grundlagen der Geometrie, WissenschaftspolitikXXVII
1.5 Berlin: Elektrodynamik, Physikalisch-Technische ReichsanstaltXXXII
2. Helmholtz’ Werk und die Philosophischen und populärwissenschaftlichen SchriftenXXXVIII
2.1 Zum Werk: Wissenschaft, Philosophie, PopularisierungXXXVIII
2.2 Zielsetzung und Textauswahl der EditionIL
2.3 Hinweise zur TexteinrichtungLII
2.4 GesamtbibliographieLIII
2.5 DanksagungenLV
AuswahlbibliographieLVI
Zu Lebzeiten veröffentlichte Schriften1
1 Einleitung zu »Ueber die Erhaltung der Kraft«3
2 Ueber die Natur der menschlichen Sinnesempfindungen10
3 Ueber Goethe's naturwissenschaftliche Arbeiten27
4 Ueber die Wechselwirkung der Naturkräfte und die darauf bezüglichen neuesten Ermittelungen der Physik50
5 Anhang zu dem Vortrag »Ueber die Wechselwirkung der Naturkräfte«84
6 Ueber das Sehen des Menschen100
7 Ueber die physiologischen Ursachen der musikalischen Harmonie130
8 On the Application of the Law of the Conservation of Force to Organic Nature167
9 Ueber das Verhältniss der Naturwissenschaften zur Gesammtheit der Wissenschaft181
10 Ueber die Erhaltung der Kraft208
11 Lectures on the Conservation of Energy249
12 Eis und Gletscher318
13 Von den Wahrnehmungen im Allgemeinen. § 26 der ersten Auflage des »Handbuchs der Physiologischen Optik«355
14 Von den Wahrnehmungen im Allgemeinen. § 26 der zweiten Auflage des »Handbuchs der Physiologischen Optik«399
15 Ueber die thatsächlichen Grundlagen der Geometrie449
Correctur zu dem Vortrag vom 22. Mai 1868456
16 Die neueren Fortschritte in der Theorie des Sehens458
17 Ueber die Thatsachen, die der Geometrie zum Grunde liegen554
18 Ueber das Ziel und die Fortschritte der Naturwissenschaft576
Inhalt Band 2
Zu Lebzeiten veröffentliche Schriften
19 Ueber den Ursprung und die Bedeutung der geometrischen Axiome607
20 The Axioms of Geometry639
21 Vorrede zur Übersetzung von John Tyndalls »Faraday und seine Entdeckungen«648
22 Zum Gedächtniss an Gustav Magnus652
23 The Axioms of Geometry. To the Editor of The Academy668
24 Induction und Deduction671
25 Recent Progress in the Theory of Electrodynamics680
26 Ueber das Streben nach Popularisirung der Wissenschaft691
27 Zöllner contra Tyndall704
28 Ueber die Entstehung des Planetensystems719
29 Optisches über Malerei756
30 Wirbelstürme und Gewitter797
31 Das Denken in der Medicin821
32 Ueber die akademische Freiheit der deutschen Universitäten847
33 Ueber den Ursprung und Sinn der geometrischen Sätze; Antwort gegen Herrn Professor Land867
34 Die Thatsachen in der Wahrnehmung886
35 Beilagen zu dem Vortrag »Die Thatsachen in der Wahrnehmung«919
36 Ueber die elektrischen Maasseinheiten nach den Berathungen des elektrischen Congresses, versammelt zu Paris 1881937
37 Die neuere Entwickelung von Faraday’s Ideen über Elektricität953
38 Sir William Thomson’s »Mathematical and Physical Papers«996
39 Antwortrede gehalten beim Empfang der Graefe-Medaille zu Heidelberg 18861006
40 Rede über die Entdeckungsgeschichte des Princips der kleinsten Action1014
41 Zur Geschichte des Princips der kleinsten Action1037
42 Josef Fraunhofer1052
43 Zählen und Messen, erkenntnisstheoretisch betrachtet1063
44 Zur Erinnerung an R. Clausius1095
45 Suggestion und Dichtung1100
46 Bemerkungen über die Vorbildung zum akademischen Studium1102
47 Erinnerungen1114
48 Goethe’s Vorahnungen kommender naturwissenschaftlicher Ideen1130
49 Ansprache an Hrn. Emil du Bois-Reymond zur Feier seines fünfzigjährigen Doctorjubilaeums am 11. Februar 18931155
50 Einleitung zu den Vorlesungen über theoretische Physik (§§ 1 – 8)1161
51 Heinrich Hertz1182
Inhalt Band 3
Nachgelassene Schriften1195
52 Aufzeichnung über die Grundbegriffe der Mathematik und Physik1197
53 Anatomievortrag1206
54 Notiz zu den Axiomen der Geometrie1214
55 Aufzeichnung zur Elektrodynamik1215
56 Analyse des thatsächlich vorhandenen Wissens1221
57 Zur Theorie der Anziehungen innerhalb magnetisirbarer oder dielektrischer Medien1222
58 Nachträgliche Betrachtungen zur Faraday-Lecture1224
59 Zur elektrodynamischen Theorie optischer Erscheinungen1227
60 Gutachten über ein philosophisches Werk1229
61 Geometrie-Gutachten1230
62 Naturforscherrede1231
63 Kundt-Grabrede1239
64 Wie wissenschaftliche Entdeckungen zum Vorschein kommen1241
65 Geschichte der Naturwissenschaften1244
66 Über den hypothetischen Charakter des Kausalgesetzes1252
Anhang1253
Gesamtbibliographie1255
Deutschsprachige Veröffentlichungen von Hermann v. Helmholtz1258
Englischsprachige Veröffentlichungen von Hermann von Helmholtz1310
Französischsprachige Veröffentlichungen von Hermann von Helmholtz1326
Personenverzeichnis1337
Sachwortverzeichnis1347
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