Im „Bildungsverlag Eins“ erschien im Jahre 2002 in dritter Auflage das Standardwerk des Pädagogikunterrichts „Pädagogik“, herausgegeben von Hermann Hobmair, als „korrigierter Nachdruck“. In dem Lehr- und Arbeitsbuch wird der Anspruch erhoben, eine „Einführung in die wissenschaftliche Pädagogik“ (S. 9) zu geben. Das Werk richtet sich an OberstufenschülerInnen des Faches Pädagogik, an angehende ErzieherInnen und StudentInnen pädagogischer Fachrichtungen. Das Buch ist im Geiste der 1970er Jahre geschrieben, was sowohl Vor- als auch Nachteile beinhaltet.
Positiv hervorzuheben ist, dass das Lehrbuch mit dem Kapitel „Pädagogik als Wissenschaft“ beginnt. Dabei wird auch auf das in pädagogischen Handlungsfeldern verbreitete „Problem der Rezeptologie“ eingegangen. Ausdrücklich heißt es in dem Buch zum Theorie-Praxis-Verhältnis: „Sie [die Theorie] kann lediglich Orientierungshilfe bieten und allgemeine Handlungshinweise geben, die erst auf den Einzelfall übertragen werden müssen.“ (S. 24) Problematisch dagegen erscheint folgende These über den Wissenschaftscharakter der Erziehungswissenschaft: „Die Pädagogik ist sowohl Natur- als auch Geisteswissenschaft, da es mit dem Menschen sowohl als Naturwesen als auch als Geisteswesen zu tun hat.“ (S. 17) Die anthropologische Sicht von der Doppelnatur des Menschen berechtigt nicht die Pädagogik als Natur- und Geisteswissenschaft anzusehen. Erziehungswissenschaft ist eine interdisziplinäre Disziplin, die je nach Sicht den Kultur-, Geistes- oder Sozialwissenschaften zugeordnet werden kann.
Eine Stärke dieses Lehrbuchs liegt in der Verbindung von Allgemeiner Pädagogik mit Teildisziplinen der Erziehungswissenschaft wie Sexualpädagogik, Medienpädagogik, Sozialpädagogik. Allerdings kommt die Allgemeine Didaktik dabei zu kurz, sie wird unter der Überschrift „Erziehung aus lerntheoretischer Sicht“ abgehandelt. Die Herausgeber subsumieren die heutige Trias Erziehung, Bildung, Sozialisation unter dem Grundbegriff „Erziehung“. Zwar wird ein hervorragender Text von Hermann Giesecke zu dem Thema abgedruckt, aber der Bildungsbegriff in dem dreiseitigen Kapitel bleibt unterkonturiert. Hier wäre es sinnvoll gewesen, Texte von Joachim Heinrich Campe, Wilhelm von Humboldt oder Eduard Spranger abzudrucken. Neben der „erziehungszentrierten“ Herangehensweise im Buch ist auch die Fokussierung auf die pädagogische Psychologie zu erwähnen. Auch wenn die psychologischen Aspekte von Erziehungswissenschaft sich im Pädagogikunterricht der Oberstufe auf Schülerseite besonderer Beliebtheit erfreuen, so hätten doch zusätzlich einige Texte von pädagogischen Klassikern in das Lehrbuch aufgenommen werden können, um den genuin pädagogischen Charakter von Erziehungswissenschaft schärfer zu profilieren.
Bilder, Aufgabenstellungen, Zusammenfassungen fördern zudem die Arbeit mit diesem Lehrwerk. Die Arbeitsaufgaben zeichnen sich durch didaktische Vielfalt aus, sie sind teilweise mit Operatoren formuliert. Besonders erwähnenswert sind die Fallbeschreibungen (z. B. S. 103f.). Ebenfalls hervorzuheben ist die bewusste Verwendung von Fachtermini in dem Werk. Das Arbeitsbuch gibt einen guten Einblick in das weite Feld der Pädagogik. Es motiviert zudem, sich mit dieser Disziplin näher auseinanderzusetzen.
Fazit: Das Lehrbuch „Pädagogik“ aus dem „Bildungsverlag EINS“ kann daher OberstufenschülerInnen und angehenden ErzieherInnen aus inhaltlichen und didaktischen Gründen zum Durcharbeiten empfohlen werden.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
 

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