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Normative Ethik
Normative Ethik




Dietmar Pfordten, von der

Walter de Gruyter
EAN: 9783110226904 (ISBN: 3-11-022690-1)
441 Seiten, paperback, 16 x 23cm, Mai, 2010

EUR 44,95
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Die normative Ethik dient der Kritik und Rechtfertigung der Moral, des Rechts und anderer primärer Normordnungen. In diesem Buch wird eine normative Ethik entfaltet, die ihren letzten Bezugspunkt in der Berücksichtigung der Individuen hat. Sie schlägt einen neuen, dritten Weg jenseits der bisher vorherrschenden Strömungen des Kantianismus und des Utilitarismus ein. Diese normativ-individualistische Ethik ermöglicht Antworten auf verschiedene konkrete ethische Fragen, etwa nach dem Bestehen von Pflichten gegen sich selbst, nach der Zulässigkeit paternalistischen Entscheidens für andere, nach überpflichtgemäßem Handeln sowie nach Lösungen für ausgewählte Probleme der Medizinethik.
Rezension
In der gymnasialen Oberstufe werden im Ethik-Unterricht u.a. grundlegende Konzeptionen der Ethik behandelt. Dazu zählen neben anderen auch die Hauptströmungen des Kantianismus bzw. der Deontologie auf der einen Seite und des Utilitarismus bzw. Konsequentialismus auf der anderen Seite. Deontologie (von griech. to deon = das Gesollte, Gemußte, die Pflicht) geht von einer grundsätzlichen Pflicht aus, Kant z.B. vom sog. Kategorischen Imperativ, oder christliche Ethik, die von Geboten ausgeht. Hier spielt die Gesinnung, das Motiv der moralischen Handlung eine entscheidende Rolle. Anders der Utilitarismus (u.a. J. Bentham, J.S. Mill, Peter Singer) bzw. Konsequentialismus; hier sind ausschließlich die (Gesamt-)Folgen von Handlungen ethisch entscheidend und (angenommene) empirische Befunde dominieren die ethischen Entscheidungen. Diese Lager stehen sich im ethischen Diskurs oft unversöhnlich gegenüber. Das hier anzuzeigende Buch "Normative Ethik" hingegen vermittelt bewußt zwischen beiden Positionen. Vor allem durch Abwägen der Belange aller Betroffenen von den Anderen bzw. der Gemeinschaft entsteht ein dritter Weg in der Ethik. Entscheidend ist die Berücksichtigung der Individuen im Vergleich zu den Belangen anderer Individuen.

Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
In dem Buch wird ein neuer, dritter Weg in der normativen Ethik jenseits der beiden großen Hauptströmungen des Kantianismus bzw. der Deontologie auf der einen Seite und des Utilitarismus bzw. Konsequentialismus auf der anderen Seite vorgeschlagen. Zu einer begründeten normativen Ethik sind - so die zentrale inhaltliche These der Untersuchung - fünf Elemente erforderlich: erstens die einzelnen Menschen bzw. Lebewesen als Ausgangspunkt, zweitens ihre Ziele, Wünsche, Bedürfnisse und Strebungen, also ihre Belange, drittens der Bezug dieser Belange auf alle Handlungsteile im weiteren Sinn, nicht nur auf einzelne wie den guten Willen oder die Konsequenzen der Handlung, viertens die Notwendigkeit einer Abwägung, schließlich fünftens als Kriterium der Abwägung: die mehr oder minder große Abhängigkeit bzw. Unabhängigkeit der Belange aller Betroffenen von den Anderen bzw. der Gemeinschaft. Die Entfaltung dieser fünf Elemente einer adäquaten normativen Ethik ermöglicht Antworten auf konkretere ethische Fragen, etwa nach dem Bestehen von Pflichten gegen sich selbst, nach der Zulässigkeit paternalistischen Entscheidens für Andere sowie nach der Beurteilung überpflichtgemäßen Handelns sowie einzelner Probleme der Medizinethik.

Dietmar von der Pfordten, Georg-August-Universität Göttingen.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung 1

1. Der Begriff der Ethik 1
2. Theorien der normativen Ethik 14
3. Fünf Elemente einer adäquaten normativen Ethik 17

I. Die letztlich zu berücksichtigenden Wesen: Individuen 23

1. Präzisierung des normativen Individualismus 23
2. Normativ-individualistische Theorien 28
3. Die Wahl der Bezeichnung 30
4. Sachliche Abgrenzung 32
5. Begründung des Individualprinzips 38
6. Begründung des Allprinzips 46
7. Begründung des Prinzips der grundsätzlichen Gleichberücksichtigung 46
8. Die ontologische Voraussetzung 48
9. Asymmetrie und Symmetrie der Verpflichtungen 49

II. Die entscheidenden Eigenschaften der zu berücksichtigenden Individuen: Ziele, Wünsche, Bedürfnisse, Strebungen (Belange bzw. Interessen) 50

1. Kritik verschiedener Vorschläge 50
2. Ziele, Wünsche, Bedürfnisse, Strebungen 57
3. Das Kontinuum zwischen subjektiver Manifestation und objektiver Beurteilung 65
4. Belange bzw. Interessen 67
5. Interessen und Präferenzen 69
6. Weitere Qualifikationen von Belangen bzw. Interessen 72
7. Menschenwürde und Autonomie 74
8. Die moralisch zu berücksichtigenden Eigenschaften und die Handlungsmotivation 87
9. Eine Bestätigung des normativen Individualismus 88

III. Die sieben Teile der Handlung, auf die sich die Belange beziehen: grundsätzliche Pluralität 90

1. Die sieben Teile der Handlung im weiteren Sinn 91
2. Versuche einer psychologisch-handlungstheoretischen Reduktion: Gründe und Motive 95
3. Versuche einer ethischen Reduktion 99
4. Die deskriptive Begründung der grundsätzlichen Pluralität des Bezugs 101
5. Die normative Begründung der grundsätzlichen Pluralität des Bezugs 102
6. Der Grund für das Scheitern der Beschränkung des Bezugs 105
7. Handlungen und Normen bzw. Regeln 107
8. Die ethische Doktrin vom doppelten Effekt 107
9. Das Straßenbahnproblem (runaway-tram problem / trolley problem) 117
10. Sollen die Zahlen zählen? 128
11. Handeln als Tun und Unterlassen 135

IV. Der modale Status der Zusammenfassung bzw. Abwägung der divergierenden Belange: Vollständigkeit 150

1. Die Möglichkeit einer Zusammenfassung 151
2. Die Wirklichkeit einer Zusammenfassung 159
3. Die Notwendigkeit einer Zusammenfassung 159
4. Gut, richtig und gerecht als Begriffe der Abwägung bzw. Zusammenfassung 162

V. Die inhaltliche Zusammenfassung bzw. Abwägung der divergierenden Belange: das Prinzip der relativen Individual- und Ander- bzw. Gemeinschaftsabhängigkeit 165

1. Der Fokus der Zusammenfassung 165
2. Kritik des Vertragsprinzips / Diskursprinzips 169
3. Kritik des Verallgemeinerungsprinzips 175
4. Kritik des Maximierungsprinzips 191
5. Kritik weiterer Prinzipien: Gleichheit, Genügen / Suffizienz, Pareto, Aufopferung / Kaldor-Hicks, Maximin, Utilex, Leistung, Priorität 201
6. Das Prinzip der relativen Individual- und Ander- bzw. Gemeinschaftsabhängigkeit der Belange 210
7. Die Belange der Individualzone 214
8. Die Belange der Relativzone 220
9. Die Belange der Sozialzone 221
10. Der Widerstreit zwischen Belangen der gleichen Zone 224
11. Der Widerstreit zwischen Belangen verschiedener Zonen 239
12. Die Hierarchie der Prinzipien 243

VI. Metaethik: individualistisch-objektivistische Kohärenz245

1. Eine Analyse der fünf Elemente normativer Ethik 248
2. Eine Metaethik der individualistisch-objektivistischen Kohärenz 252

VII. Die Realisationsformen der Ethik und ihrer Gegenstände 259
1. Bewertung, Norm und Regel 259
2. Pflicht (Verbot, Gebot) und Pflichtfreiheit (Erlaubnis, Freistellung) 261
3. Zum Verhältnis zwischen Wertungen sowie Normen und Regeln 263
4. Rechte 264

VIII. Pflichten gegen sich selbst? 272

1. Die fünf möglichen Relationspole einer Pflicht 272
2. Worauf bezieht sich das „gegen“ bei den Pflichten gegen sich selbst? 274
3. Die Pflichten gegen sich selbst in traditionellen Ethiken und bei Kant 275
4. Die Pflichten gegen sich selbst nach der hier entfalteten Ethik 276

IX. Typen von Pflichten 281

1. Unterlassenspflichten 281
2. Tuns- bzw. Hilfeleistungspflichten 285
3. Gemeinschaftspflichten 286
4. Pflichten zwischen Fremden 288
5. Pflichten zwischen Bekannten 289
6. Pflichten in Gemeinschaften 290
7. Tugendpflichten 292

X. Über- und unterpflichtgemäßes Handeln
(Super- und Supraerogation) sowie Indifferenz 294

1. Überpflichtgemäßes Handeln 294
2. Unterpflichtgemäßes Handeln 304
3. Indifferenz 305
4. Weitere deontisch-axiologische Kombinationen? 305

XI. Handeln für Andere ohne oder gegen deren Willen (Paternalismus) 307

1. Der Begriff des Paternalismus 307
2. Normativer Individualismus 310
3. Keine Verwirklichung von Pflichten gegen sich selbst 311
4. Die entscheidenden Eigenschaften 312
5. Spezifik der Sozialethik, politischen Ethik und Rechtsethik 315

XII. Einzelne Typen moralischer Konflikte 319

1. Interesse des Akteurs und Interesse des Anderen bezüglich einer Akteurshandlung 321
2. Zwei Pflichten gegenüber einem Anderen 322
3. Pflichten gegenüber zwei Anderen 324
4. Pflichten gegenüber drei und mehr Anderen 332
5. Kollision zwischen moralischen und rechtlichen Pflichten 337

XIII. Welche Wesen sind ethisch zu berücksichtigen? 338

1. Sind nur empfindungsfähige Lebewesen zu berücksichtigen? 339
2. Sind Naturkollektive wie Arten oder Ökosysteme zu berücksichtigen? 341
3. Sind die Lebewesen alle gleich oder ungleich zu berücksichtigen? 343
4. Wie weit reicht die Würde? 347

XIV. Schuld, Gerechtigkeit, Verantwortung, Verhältnismäßigkeit 352

1. Schuld 352
2. Gerechtigkeit 356
3. Verantwortung 363
4. Verhältnismäßigkeit 364

XV. Individualethik und Sozialethik 365

1. Der zentrale Unterschied: Gemeinschaft und Repräsentation 366
2. Mitglieder und Nichtmitglieder 369
3. Strukturen der Gerechtigkeit in Gemeinschaften 370
4. Gemeinwohl 377

XVI. Drei beispielhafte Fragen der Angewandten Ethik 381

1. Arzt und Patient 381
2. Sterbehilfe 385
3. Gentechnik beim Menschen 391

Danksagung 401
Literatur 403
Index 419