Liebe Leserinnen, liebe Leser,
wen eigentlich sollten aus pädagogischer Perspektive (Musik)-Lehrerlnnen besser kennen als ihre SchülerInnen? Gelten uns Schülerinnen und Schüler als Subjekte des Lehr-/Lerngeschehens, so müssen wir sie als individuelle
Partner kennen. So kann jeder Einzelne optimal gefördert und beraten werden, so können Lernerfolge für die jeweiligen Lerngruppen in ihrer kommunikativen Dynamik ermöglicht werden und somit kann letztlich - durchaus im emphatischen Sinne - Orientierung gegeben werden. Lehrerinnen und Lehrer sollten sich freilich auch mit der Frage beschäftigen, wie es um die Heranwachsenden im Allgemeinen steht, wie die Jugendlichen ihre Lebenssituationen in Schule und Familie einschätzen, welche Wünsche und Erwartungen sie an die Zukunft haben.
Zu letzteren Fragekreisen steuern die seit den -1950er Jahren durchgeführten so genannten "Shell-Studien" immer wieder interessante Antworten bei. Die vor wenigen Monaten erschienene 44- Shelt Jugendstudie" mit dem Titel Jugend 2002. Zwischen pragmatischem Idealismus und robustem Materialismus zeichnet äußerst differenziert und aussagekräftig das aktuelle Porträt der jungen Generation. Grundlage ist die ausführliche' Befragung einer für Deutschland repräsentativen Gruppe Von 2500 jugendlichen im Alter zwischen 12 und 25 Jahren. Akzente setzt die neue Jugendstudie bei der Erfassung geschlechtsspezifischer Unterschiede hinsichtlich der Einstellungen der Jugendlichen zur Politik sowie der Charakterisierung des Wertewandels, der in den letzten Jahren zu einer pragmatischen Haltung in der Jugend geführt hat. Die Studie zeigt deutlich - nur dieser eine Aspekt sei hier herausgegriffen einerseits ein prägnantes Demokratiebewusstsein, andererseits ein hohes Desinteresse an den traditionellen Formen organisierter Politik. Verkürzt lautet die Devise der Jugend: Demokratie, ja - Parteipolitik, nein. Die AutorInnen der Studie ziehen hieraus den wohl richtigen Schluss, nämlich neu darüber nachdenken zu müssen, was denn in unserer gegenwärtigen Gesellschaft eigentlich "politisch" ist. Sicherlich nicht alles und jedes. Aber: - so heißt es in "Jugend 2002' - umso mehr sich die junge Generation in der Gesellschaft, aber eben außerhalb der organisierten Politik engagiert, umso mehr wird dieses Engagement in der Gesellschaft "politisch".
Mich hat dieser dialektische Gedankengang sogleich auf eine ähnliche Schiene geführt. Ebenfalls verkürzt: Lebendige Musikpraxen, ja - formalisierter Musikunterricht, nein! Auch dieser Widerspruch ist bei vielen unserer Schülerinnen und Schüler offe'nsichtlich. Auch er sollte uns inspirieren, darüber nachzudenken, wie die lebendigen Musikpraxen außerhalb des Unterrichts diesen selbst wieder beleben können. Vielleicht haben aus dieser Sicht Musik und Politik doch mehr gemeinsam, als wir gemeinhin denken.
Wer wissen will, wie es wirklich um die Jugend steht, sollte sich die Shell-Jugendstudie zu Gemüte führen - dieser Leseempfehlung aus einer Rezension von Jugend 2002 schließe ich mich an.
Ortwin Nimczik
Inhaltsverzeichnis
BASIS
Musik mit Schlaginstrumenten im Musikunterricht
Ortwin Nimczik
PRAXIS
Eine kleine Literaturauswahl
zu Rhythmustraining, Bodypercussion, Bewegung und mehr
Zusammengestellt von Heike Austrup
„Man kriegt viel zu hören, bevor einem die Ohren abfallen“
Schlagzeugklänge zum selbst aktiv werden
Stephan Froleyks
Körpergeschichten
Klänge des eigenen Körpers erforschen – Erarbeitungsmöglichkeiten rund um Vinko Globokars Kompositionen „?Corporel“ und „Toucher“
Lars Oberhaus
Klänge gegen Schläge
„Amadeu Antonio Kiowa“ – ein Klangkonzept für Schlagzeug mit politischem Hintergrund
Ulrike Ertle
Elektronische Klopfgeister
Die musikalische Funktion von Drum-Computern und ihre Auswirkung auf die Popmusikproduktion – vier Lernstationen ab Klasse 8
Friedrich Neumann
Im Groove der Mandalas
Anregungen zur Erarbeitung, Übung und Gestaltung von Rhythmen mit Schlaginstrumenten
Heinrich Klingmann
Let there be drums
Das Schlagzeug in der Rockmusik – Geschichte zum Ausprobieren
Walter Lindenbaum
WORKSHOP
Come and go
Ein einfaches Arrangement eines Spirituals
Volker Milde
Musikalische Entdeckungsreise zu Alltagsgegenständen
Gestaltungsanregungen durch John Cages „Living Room Music“
Ortwin Nimczik
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