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Metzler Lexikon Christlicher Denker
700 Autorinnen und Autoren von den Anfängen des Christentums bis zur Gegenwart
unter Mitarbeit von Ulrich Volp und Ulrike Lange
Markus Vinzent (Hrsg.)
Verlag J. B. Metzler
EAN: 9783476017062 (ISBN: 3-476-01706-0)
821 Seiten, hardcover, 16 x 24cm, Oktober, 2000
EUR 49,90 alle Angaben ohne Gewähr
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Umschlagtext
Kultur und Denken der Gegenwart und der Vergangenheit sind tief geprägt durch christliche Denker und Denkerinnen und deren vielfältige, sich oftl gegenseitig bekämpfende wie anspornende Ansitze. Der Ruckbezug auf die historisch-jüdische Lebenspraxis des Jesus von Nazareth und deren philosophisch-religiöse Reflexion führte zu einer unabsehbaren Kreativität, angefangen bei den Größen des ersten und zweiten Jahrhunderts bis in unsere Gegenwart. Ihr entwuchsen philosophisch-theologische Schulen (Neuplatonismus, Thomismus, Idealismus u.a.), Themen und Problemstellungen (Person und Wurde, Freiheit und Verantwortung, Menschenrechte, Sprache und Hermeneutik) und markante Positionen, Bewegungen, Institutionen und Kirchen,,,, die die Welt veränderten. Das Lexikon, von über 200 Fachleuten verfaßt, führt ohne nationale Beschränkung in mehr als 700 Porträts von bekannten Persönlichkeiten wie Außenseitern in die faszinierende, nicht auf einen Nenner zu bringende christliche Geisteswelt ein. Philosophie, Ökumene, Politik, Frauen, Mystik, innovatives Denken und religiöser Fanatismus, heute noch Relevantes, aber auch Zeitgebundenes und Zeittypisches begegnen in den spannend zu lesenden Abrissen von Leben und Werk. Bibliographische Notizen erleichtern den Einstieg in weitere Lektüre. Ein Sach- und Namenregister sorgt für weitere Zugänge.
Der Herausgeber
Markus Vinzent, Dr. theol. (1991, Universität München) und habil. (1995, Universität Heidelberg), Professor für Kirchengeschichte an der Universität Köln (l998-1999), H.G.Wood Professor of Theology an der University of Birmingham (seit 1999). Veröffentlichungen zum frühen Christentum, zur Theologie- und Ethikgeschichte und Forschungsprojekt zum Exil der Theologen 1933-1945.
Rezension
Wer – für den Religionsunterricht – schnelle und gediegene Information über christliche Denker (und Denkerinnen) aller Nationen (z.B. koreanisch-christliche Denker) und Jahrhunderte (bis zurück in die Alte Kirche) benötigt, dem sei dieses Lexikon empfohlen. Es deckt die Bereiche Kirchengeschichte und Dogmatik / Systematische Theologie ab und geht bin in die Gegenwart hinein (z.B. Art. Ebeling, Gerhard). Besonders erfreulich ein ca. 40-seitiges Register, das das Lexikon abermals aufschließt. Die Personen werden in ihrer Biographie, ihren Werken und ihren Hauptideen vorgestellt; dabei wird nicht nur das Denken, sondern auch das Tun und Erleben beschrieben (z.B. Mystik). – Quellen- und Literaturhinweise ermöglichen jeweils einen vertiefenden Zugriff.
G.B. für lehrerbibliothek.de
Inhaltsverzeichnis
Vorwort V
Artikel A-Z 1
Verzeichnis der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter 762
Abkürzungsverzeichnis 770
Register 776
Artikelverzeichnis 815
Leseprobe:
Franz von Assisi
Giovanni Francesco Bernardone; geb. 1181/82 in Assisi; gest. 3. 10. 1226 ebd.
»So hat der Herr mir, dem Bruder Franziskus, gegeben, das Leben der Buße zu beginnen: denn als ich in Sünden war, kam es mir sehr bitter vor, Aussätzige zu sehen. Und der Herr selbst hat mich unter sie geführt, und ich habe ihnen Barmherzigkeit erwiesen. Und da ich fortging von ihnen, wurde mir das, was mir bitter vorkam, in Süßigkeit der Seele und des Leibes verwandelt. Und danach hielt ich eine Weile inne und verließ die Welt.« So blickt F. am Ende seines Lebens zurück auf den Prozeß der religiösen Lebenswende, die seinen Lebensgang geprägt hat. Der Kaufmannssohn löst sich aus dem sozialen Umfeld des aufstrebenden Bürgertums, von den Maßstäben des Reichtums und der politischen Macht, um sich den verachtetsten Mitmenschen zuzuwenden und gerade darin Erfüllung und Sinn zu finden. Die Pflege der Aussätzigen und die Erneuerung verfallener Kapellen sind die ersten Schritte eines Büßerlebens, das sich an der Schlichtheit des von Jesus seinen Jüngern vorgelebten »Evangeliums« orientiert. Die Lebenswende wird definitiv zum »Verlassen der Welt«, als sich F. 1206/07 öffentlich aus dem Rechtszusammenhang der Familie löst und sich unter den Schutz der Kirche stellt. Unter dem Eindruck von Jesu Aussendungsrede Mt 10, einem klassischen »Erweckungstext« in der Geschichte des christlichen Mönchtums, erhält seine Auffassung vom »evangelischen Leben« 1209 ihre abschließende Prägung durch die Verbindung von strikter persönlicher Armut und »apostolischer« Bußpredigt. — F. schließt sich keinem der alten Orden an, gewinnt aber Anhänger (und Anhängerinnen, Klara von Assisi) aus allen Ständen, die durch die Radikalität seiner Lebensweise und durch sein persönliches Charisma angezogen und überzeugt werden. Anders als ein Großteil der von ähnlichen Impulsen getriebenen religiösen Bewegungen seiner Zeit verbindet F. das Ideal der »evangelischen Armut« mit der unbedingten Treue zur Institution der römischen Kirche. Schon 1209/10 macht er sich mit elf Gefährten nach Rom auf und erhält von Innozenz III., dem an der Integration religiöser Aufbrüche in die kirchliche Disziplin liegt, eine erste mündliche Bestätigung seiner Lebensform. Später erweist sich F.' Kirchenbindung in der Bereitschaft, auch gegen seine ursprünglichen Vorstellungen an der Umformung der außerordentlich rasch anwachsenden Gemeinschaft der fratres minores (»Minderbrüder«) zum Bettelorden und an der Abfassung einer Ordensregel (1221 Nichtbullierte Regel; 1223 endgültige Bullierte Regel) mitzuwirken. Im Zuge dieses Institutionalisierungsprozesses legt F. die förmliche Leitung der Gemeinschaft nieder, ermahnt seine Brüder aber auch in der Folgezeit — zuletzt in seinem Testament — nachdrücklich, an den Idealen seines geistlichen Aufbruchs und insbesondere an der Verpflichtung zur gemeinschaftlichen Armut festzuhalten. — F. wirkt in erster Linie durch sein persönliches Auftreten, in dem sich existentieller religiöser Ernst mit Charme und Spontaneität verbindet und eine seltene Einheit von kindlicher Frömmigkeit und liebevoller Zuwendung zu Menschen und Tieren spürbar wird. Die Erinnerung daran bildet die Grundlage der literarischen Gestaltung seines Lebensbildes, die unmittelbar nach seinem Tode einsetzt. Wenn dabei die Verähnlichung mit Christus als Leitmotiv erscheint, entspricht das F.' eigenem Selbstverständnis; er erfährt seine letzten, durch Krankheit gezeichneten Jahre als Intensivierung der Nachfolge, die in der Stigmatisation als leiblichem Zeichen vollkommener Christusgemeinschaft gipfelt. Obwohl F. sich als ignorans et idiota (unwissend und ungebildet) bezeichnet, verfaßt er eine ganze Reihe kleiner Schriften, die seine Anhängerinnen und Anhänger — von ihm selbst dazu ermuntert — als kostbares Vermächtnis seiner charismatischen Persönlichkeit aufbewahren und überliefern. Sie zeigen, wie er mit schlichten sprachlichen Mitteln seiner religiösen Leidenschaft Ausdruck verleihen und sie poetisch steigern und verfeinern kann. Das gilt in besonderer Weise für den berühmten Sonnengesang, der fern von idyllischer Naturverklärung die Kreaturen, auch in ihrer bedrohlichen Potenz, hineinnimmt in das Lob des Schöpfers und Erlösers. — »Sein höchstes Streben, sein vornehmster Wunsch und seine oberste Lebensregel war, das heilige Evangelium in allem und durch alles zu beobachten« (Thomas von Celano). F., schon 1228 heiliggesprochen, hat durch die diesem Ziel entsprechende Übereinstimmung von Religion und Lebensform in seiner Zeit und über seine Zeit hinaus als christliche Persönlichkeit gewirkt. In ganz ungewöhnlicher Weise ist er schon von den Zeitgenossen in seiner religiösen Individualität wahrgenommen worden, wovon die genaue Schilderung seines Äußeren in den Legenden ebenso zeugt wie Cimabues unstilisiertes Porträt in der Unterkirche von S. Francesco in Assisi. Durch sein personhaftes Glaubenszeugnis hat F. überdies die religiöse Aufmerksamkeit in neuer Weise auf den Ursprung des Christentums in der Konkretion des Lebens Jesu gelenkt.
Ed.: Opuscula. Hg. K. Esser. Grottaferrata 2. Aufl. 1989. — Übers.: Schriften. Hg. L. Hardick/ E. Grau. Werl 7. Aufl. 1982. - Lit.: H. Feld, F. und seine Bewegung. Darmstadt 1994; G. Wendelborn, F. Wien u.a. 2. Aufl. 1982.
Hellmut Zschoch
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