"In den letzten Jahren hat es viele Überlegungen und kritische Anfragen gegeben, was die Rolle des Religionsunterrichts im berufsbildenden Bereich angeht." (Aggi Kemmler, S. 190)

Genau so ist es! Viele Kolleginnen und Kollegen "vor Ort" haben sich neue Modelle überlegt, haben experimentiert, mit mehr oder weniger guten Ergebnissen.
Das vorliegende Buch ist meines Wissens das erste, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Zukunft des RU in der Theorie zu reflektieren und Erfahrungen aus der Praxis darzustellen. Es ist eine Fundgrube für alle, die sich ernsthaft Gedanken über diese Thematik machen und neue Wege suchen oder auch mit guten Argumenten Bestehendes erhalten wollen.

In der Einführung wird von einer 3-fachen These ausgegangen: RU ist "beziehungsorientiert", "berufsorientiert" und "handlungsorientiert". RU ist kein "isolierter Lernort", sondern "Teil des größeren Bildungszusammenhanges".
Wer jetzt glaubt, dass die Aufsätze darauf abzielen, den RU in den fachlichen Unterricht zu integrieren oder ihn berufsspezifisch zu funktionalisieren, der erfährt wenig später -auch noch in der Einführung-, dass das Buch einen anderen Schluss ziehen wird: Indem der RU "sich selbst treu bleibt, dient er der pädagogischen und theologischen Sache am besten." Diese Zielrichtung wird meines Erachtens im theoretischen Teil mit hervorragenden Argumenten belegt. So zeigt z.B. A. Verhülsdonk, dass der RU der Wirtschaft gerade durch die Distanz zwischen religiösem Denken und zweckrationalem Handeln langfristig nützt.

Sehr gut finde ich die Ausführungen von J. Schmidt zum "informellen Lernen", die diejenige Form von Lernen auf einen theoretischen Nenner bringt, von der jede Religionslehrkraft weiß, die aber "Außenstehenden" nur schwer begreifbar gemacht werden kann.

Die Qualität der Beispiele aus der Unterrichtspraxis sind unterschiedlich, die Anknüpfungen an den jeweiligen Ausbildungsberuf erscheinen mir nicht immer sehr schlüssig und auf den ersten Blick nahe liegend. Diese Gefahr wird auch explizit genannt.
Hier wird auch deutlich, dass es Religionslehrkräfte, deren Unterrichtsgruppen aus verschiedenen Klassen, eventuell sogar aus verschiedenen Jahrgangsstufen oder gar Berufsgruppen zusammengesetzt sind, sehr schwer haben, Bezüge zum jeweiligen Fachunterricht herzustellen.

Im Anhang findet sich ein ausführlicher Überblick über die unterschiedlichen Situationen des katholischen Religionsunterrichts an den berufsbildenden Schulen aller 16 Bundesländer. Hier erfährt man, an welchen Schularten RU als ordentliches Lehrfach eingerichtet ist, ob und wieviel dieser RU ausfällt, wie die konfessionelle Trennung bzw. Kooperation gehandhabt wird und welche Möglichkeiten SchülerInnen islamischen Bekenntnisses haben. Auch die wichtigsten länderspezifischen Schulgesetze zum RU an berufsbildenden Schulen sind hier zu finden.

Alles in allem eine hervorragende Informationsquelle, der ich viele LeserInnen wünschen möchte!

Nicht ganz unerwähnt lassen will ich allerdings ein paar kleine Schattenseiten:
- das Buch bezieht sich ausschleßlich auf den katholischen RU. Die Einbeziehung der evangelischen Seite könnte sicher weitere fruchtbare Ergebnisse bringen.
- es gibt leider kein Stichwortverzeichnis, das ein schnelles Wiederfinden von Textstellen ermöglichen könnte.
- Der Druck der grau gesetzten Hervorhebungen, Anmerkungen und Zitate ist etwas "pixelig" und daher schwierig zu lesen.

Helmut Böhm für Lehrerbibliothek.de

„Wir bauen einen Motor. Wer sind wir als Religionslehrerinnen und Religionslehrer in einem solchen Lernfeld? Der Kolben, das Motorenöl, der Abrieb, oder die Sinngebung für Mobilität an sich?"

So fragen sich Religionslehrerinnen und –lehrer angesichts des möglichen Beitrags des RU zu den Lernfeldern an beruflichen Schulen. In diesem Band stellen sich erstmals prominente Berufs- und Religionspädagogen und erfahrene Praktikerinnen und Praktiker der Diskussion um die „Lernfelddidaktik als Herausforderung“.

Inhaltlich fundierte Grundlegungen und praktisch erprobte Beispiele aus dem Unterricht verbinden sich dabei zu einer anregenden und informativen Lektüre.

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