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»Lasst beides wachsen bis zur Ernte ...« Toleranz in der Geschichte des Christentums
»Lasst beides wachsen bis zur Ernte ...«
Toleranz in der Geschichte des Christentums




Arnold Angenendt

Aschendorff
EAN: 9783402132463 (ISBN: 3-402-13246-X)
243 Seiten, hardcover, 14 x 22cm, Dezember, 2018

EUR 17,90
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Arnold Angenendt beschreibt in dieser wohltuend nüchtern abgefassten Darstellung die Geschichte der Toleranz im Christentum von den Anfängen bis hin zu den Menschenrechten und der modernen Religionsfreiheit unserer Tage.

Im Zentrum steht Jesu Gleichnis vom guten Weizen, in den der Teufel Unkraut sät. Die anschließende Aufforderung »Lasst beides wachsen bis zur Ernte« überlässt es allein Gott, am Ende der Tage das Urteil über Häretiker, Ketzer oder Abtrünnige zu fällen. Dem Menschen steht dieses Urteil nicht zu. Dies ist der bedeutendste Beitrag des Christentums zur Toleranz.

Die Geschichte der Toleranz im Christentum ist allerdings weitaus vielgestaltiger und nicht frei von gegenteiligen Befunden. So billigte etwa Thomas von Aquin im Hochmittelalter die Ketzertötung, und noch die Reformatoren Luther, Zwingli und Calvin folgten ihm …

ARNOLD ANGENENDT

Geb. 1934; 1963 Priesterweihe; nach Promotion und Habilitation Lehrtätigkeit in Toronto, Bochum und Münster; 1986/87 Member of the Institute for Advanced Study in Princeton / N.J.; Mitglied mehrerer Sonderforschungsbereiche an der Universität Münster; 1997 Mitglied der Akademie der Wissenschaften des Landes Nordrhein-Westfalen; 1999 theologischer Ehrendoktor der Universität Lund / Schweden; seit 1999 emeritiert; zahlreiche Bücher in mehreren Auflagen.
Rezension
Die heute gängigen Anklagen gegen das Christentum sind vielfältig und lang: Leib- und Geschlechterfeindlichkeit, Erzeugung falscher Schuldgefühle, Anspruch auf alleinseligmachende Wahrheit und damit Intoleranz, Absegnung der Kreuzritter als Beihilfe am Tod unschuldiger Moslems, die Inquisition mit Folterung und Verbrennung der Ketzer wie der Hexen, die Mission als Kolonialkrieg bei Ausrottung ganzer Volksstämme, Antijudaismus als Wegbereiter des Holocaust ... Eine "Blutspur" von neun Millionen Opfern habe das Christentum in der Geschichte hinterlassen. Der Kirchenhistoriker Arnold Angenendt hatte schon in seinem voluminösen Werk "Toleranz und Gewalt.
Das Christentum zwischen Bibel und Schwert" (9783402002155) eine kulturelle Gegenbilanz zu diesen üblichen Vorwürfen gegen das Christentum aufgestellt. In dem hier anzuzeigenden Buch macht der Autor deutlich, dass das Christentum einen bedeutenden Beitrag zur Entwicklung von Toleranz geleistet hat. Die Geschichte der Toleranz im Christentum ist allerdings weitaus vielgestaltiger und nicht frei von gegenteiligen Befunden. So billigte etwa Thomas von Aquin im Hochmittelalter die Ketzertötung, und noch die Reformatoren Luther, Zwingli und Calvin folgten ihm.

Thomas Bernhard, lehrerbibliothek.de
Inhaltsverzeichnis
I. Der Gottesfrevel 9

1. Erste Annäherungen 9
a) Religionsgeschichtliche Befunde 9
b) Ziel der Untersuchung 13
2. Jesu Weizen-Unkraut-Gleichnis als Leitmotiv 16

II. Bibel und Alte Kirche 19

1. Die Bibel 19
a) Altes Testament: Tötung der Verfluchten 19
b) Neues Testament: Segnen statt Verfluchen 22
c) Eid als verbotene Selbstverfluchung 25
2. Drei hermeneutische Zwischenbemerkungen 26
a) Willkürgewalt und Rechtsgewalt 27
b) Objektive und subjektive Religionsepochen 28
c) Gottglauben wider Gottlosigkeit 29
3. Der eschatologische Vorbehalt 32
a) Allein Gott urteilt — nicht verflucht der Mensch 32
b) Gotteszorn im neutestamentlichen Endgericht 35
c) Gnädiger Vater und verlorener Sohn 37
d) Allversöhnung mit Gott und Teufel 38
4. Das Gewaltproblem im Christentum 41
a) Neutestamentliche Wortgewalt 41
b) Pauli Toleranz aus Gerechtfertigtsein 43
c) Pauli Anathema als Verfluchung 45
d) Streit um die gottgefälligen Opfer 47
e) Religionspsychische und doch auch brachiale Gewalt 48
5. Die Würde des sündig gewordenen Menschen 49
a) Christliche Bewertungen 49
b) Gebet für die Christen-Feinde 5o
c) Antik-philosophische Theoreme 52
6. Die Behandlung der Frevler 54
a) Frühe Beispiele für ,Laßt beides wachsen' 54
b) Gewaltlosigkeit im christlichen Osten 56
c) Doppelgesicht der Konstantinischen Wende 58
d) Augustinus im Westen: compelle intrare 6o
7. Die christliche Rechtfertigung des Krieges 62
a) Altchristlicher Totalpazifismus 62
b) Augustinus: Nur der gerechte Krieg 63

III. Das Mittelalter 67

1. Die neue Religionsgewalt im Westen 67
a) Mission als Zwangsprozeß 67
b) Mission als Verinnerlichungsprozeß 70
2. Die neue Verfluchung 71
a) Häresie als religiöser Fluch 71
b) Kultische Unreinheit als Pollution 73
c) Kultische Reinheit als Motiv der Kreuzzüge 75
3. Der umgedrehte Jesus 78
a) Kampf um den ersten Platz 78
b) Verfluchung statt Segnung 79
c) Rhetorische und faktische Gewalt im Investiturstreit 82
d) Neues Verständnis der Papstautorität 87
4. Die anhaltende Wirkung des Weizen-Unkraut-Gleichnisses 88
d) ,Reißt nicht aus' 88
b) Gratians >Decretum< 92
c) Verbrechen gegen die Majestät Gottes 97
d) Abaelard und die Vielheit der Glaubenswege 98
5. Der unerhörte Umbruch 99
a) Thomas von Aquin: ,Reißt aus' loo
b) Ketzerische Hartnäckigkeit 102
c) Inquisition als Justizverfahren 104
d) Häresie in den Universitäten 105
e) Entsetzen ob der ersten Ketzertötungen 108
6. Das Spätmittelalter 109
a) Zersplitterte Toleranz 109
b) Jan Hus und seine Verbrennung zu Konstanz 111
c) Behördliche Ahndung der Blasphemie 113
d) Päpstliche Generalexkommunikation

IV. Die Reformation 117

1. Die reformatorische ,Freiheit des Christenmenschen' 117
a) Luther, Zwingli und Calvin 117
b) Neuzeitlich-katholische Inquisition 121
c) Hexenverfolgung: katholisch? 124
2. Zurück zum Nicht-Ausreißen 126
a) Gegen alttestamentliche Religionsgewalt 126
b) Dissenters und Pietisten als letzte Toleranz-Verteidiger 127

V. Die Aufklärung 133

1. Die aufklärerischen Anwege 133
a) Gewissen in historischer Entfaltung 133
b) Vom Deismus zum Atheismus 136
c) Gegen die Radikalaufklärer 138
d) Gewissen ohne Gotteszorn und ohne Eid 139
2. Das Gewissen für Religionsfreiheit 141
a) Angeborene und unverlierbare Menschenwürde 141
b) Gewissen schafft Religionsfrieden 144
c) Gewissen nur subjektiv? 146
3. Das Weizen-Unkraut-Gleichnis bei den Aufklärern 147
a) Thomas Hobbes 147
b) John Locke 149
c) Pierre Bayle 150
d) Voltaire 151
e) Immanuel Kant 152
4. Postaufklärerisch: Verlust der Mehrdeutigkeit 154

VI. Die moderne Religionsfreiheit 157

1. Das 19. und das 20. Jahrhundert 157
a) ,Freiheit wie in Belgien' 157
b) Deutsche Revolution von 1848 159
2. Das Vorbild der Alten Kirche 162
a) Rückgriff auf altkirchliche Gewaltlosigkeit 162
b) Eine ,kopernikanische Wende'? 164
c) Verlockender Fortschritt und nicht vorhersehbare Zukunft 166
3. Die Menschenwürde als ,Religion der Moderne'? i68
a) Säkularer Staat als religiöser Freiheitsgewinn i68
b) Böckenfördes allbekanntes Diktum i68
c) Frage nach dem ‚Mehr' 169
4. Vom „Laßt beides wachsen" bis zu den Menschenrechten 171
a) Ewiges Gottesgesetz wider menschenrechtliche Zufallsgeschichte 171
b) Mensch als Ebenbild Gottes 173
c) Freiheit als ,Unruhe' der westlichen Geschichte? 174

VII. Von dem ,was uns fehlt' und vom Allernotwendigsten 179

1. Thomas Nipperdey 179
2. Martin Walser 179
3. Clifford Geertz 180
4. Jürgen Habermas 181

VIII. Fazit 183

Anmerkungen 185
Quellen 213
Literatur 222
Register 241