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Kochen und Essen als implizite Religion Lebenswelt, Sinnstiftung und alimentäre Praxis
Kochen und Essen als implizite Religion
Lebenswelt, Sinnstiftung und alimentäre Praxis




Adrian Portmann

Waxmann
EAN: 9783830912040 (ISBN: 3-8309-1204-8)
350 Seiten, paperback, 15 x 21cm, 2003

EUR 29,90
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Die These, dass profane Phänomene in modernen Gesellschaften zunehmend religiöse Funktionen übernehmen, gewinnt angesichts des Bedeutungsverlustes der traditionellen Religion und ihrer Institutionen an Aktualität. In dieser Studie wird die Plausibilität dieser Vermutung anhand von konkreten Lebensvollzügen aus dem Bereich der Ernährung überprüft, anhand von Praktiken also, die notwendig und elementar, gleichzeitig aber in vielfältiger Weise als Zeichen codiert sind. Dabei werden Koch- und Essakte und ihre Ritualisierungen in einer dichten Beschreibung auf ihre Bedeutungen und ihr sinnstiftendes Potenzial hin untersucht und als Praxisformen einer facettenreichen "impliziten Religion" rekonstruiert.



Dr. Adrian Portmann, geboren 1965 in Basel, Studium der evangelischen Theologie in Basel und Berlin, arbeitet als Universitätspfarrer in Bern.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung

TEIL I VORARBEITEN

1 Theologische Verortung: Wahrnehmung als Aufgabe der Theologie
1.1 Wahrnehmung als Voraussetzung einer adäquaten Theorie der Praxis
1.1.1 "Kirchliche Statistik" (Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher)
1.1.2 "Religiöse Volkskunde" (Friedrich Niebergall, Paul Drews)
1.1.3 Praktische Theologie als Handlungswissenschaft (RolfZerfass, Karl-Fritz Daiber, Gert Otto)
1.1.4 Neuere Ansätze (Henning Luther, Albrecht Grözinger, Wolf-Eckart Failing/Hans-Günter Heimbrock)
1.1.5 Relevante Ausschnitte der gesellschaftlichen Wirklichkeit
1.2 Wahrnehmung als Voraussetzung einer für die Gegenwart relevanten Theologie
1.2.1 Korrelation von menschlicher Situation und christlicher Botschaft (Paul Tillich)
1.2.2 Kritische Korrelation von heutiger Erfahrung und christlicher Tradition (David Tracy)
1.2.3 Hermeneutische Grundlegung der Praktischen Theologie (Friedrich Schweitzer)
1.2.4 Theologie als Religionshermeneutik (Wilhelm Gräb)
1.2.5 Unumgänglicher Zeit- und Kontextbezug
1.2.6 Relevante Ausschnitte der gesellschaftlichen Wirklichkeit
1.3 "Deskriptive Theologie" als erster Arbeitsgang theologischer Studien (Don Browning)
1.3.1 Der Ansatz von Don Browning
1.3.2 Zum Verhältnis von Praktischer und Systematischer Theologie
1.4 Zur vorliegenden Arbeit: Religiöse Randphänomene als Gegenstand einer deskriptiv theologischen Studie
1.4.1 Zum Gegenstand
1.4.2 Zu Methodologie und Methoden
1.4.3 Zur Verortung im Aufgabenspektrum der Theologie

2 Problemskizze: Religion in der Gegenwart
2.1Ein unübersichtliches Bild
2.2 Gesellschaftliche Entwicklungen in der reflexiven Moderne als Bedingung für die Konstitution von Religion
2.2.1 Funktionale Differenzierung
2.2.2 Individualisierung und kulturelle Pluralisierung
2.2.3 Erlebnisorientierung und Milieubildung
2.2.4 Neue Risiken

3 Tour d'horizon: Konzepte und Begriffe
3.1 Lebenswelt, Alltag, geschlossene Sinngebiete
3.2 Wissen, Erfahrung, Handlung
3.3 Kommunikative Lebenswelt
3.4 Ritual, Liminalität, Inszenierung
3.5 Zeichen, Bedeutung, Code

4 Religion, heuristisch
4.1 Heuristische Distanznahme
4.2 Sinnstiftung als Funktion der Religion (Thomas Luckmann)
4.3 Zur Beschreibung der Erfahrungs- und Handlungsdimension der Religion
4.4 Arbeitsdefinition

5 Fragestellung und Aufbau der Studie
5.1 Reformulierung der Fragestellung aufgrund der Arbeitsdefinition der Religion
5.2 Eingrenzung auf kulturell typische und milieuspezifische Sinnstiftung
5.3 Methodologische Überlegungen zum Ansatzpunkt der Studie
5.4 Alimentäre Handlungen als Ansatzpunkt
5.5 Aufbau der Studie

TEIL II: EMPIRlSCHER TEIL: KOCHEN UND ESSEN

6 Methodologie und Methodik des empirischen Teils
6.1 Lebensweltliche Ethnographie: Einbezug verschiedener Daten und Quellen
6.2 Datenerhebung
6.2.1 Interviews
6.2.2 Feldnotizen: Teilnehmen, beobachten
6.2.3 Werbung...
6.3 Datenauswertung
6.3.1 Interpretationsgrundsätze
6.3.2 Kodieren als generelle Strategie der Auswertung
6.4Status der Interpretationen

7 Augenschein: Ausgewählte Befunde der Nahrungsforschung
7.1 Nahrungsangebot und Ernährung
7.2 Kochpraxis
7.3 Mahlzeiten
7.4 Zusammenfassende Charakterisierungen des Koch- und Essverhaltens

8 Annäherung: Bedeutungen von Kochen und Essen
8.1 Interviews: Fallbeschreibungen
8.1.1 Interview 1: Anna
8.1.2 Interview 2: Gerhard
8.1.3 Interview 3: Alexandra
8.1.4 Interview 4: Eva.
8.1.5 Interview 5: Sabina
8.1.6 Interview 6: Nicolas
8.1.7 Interview 7: Nils
8.1.8 Interview 8: Leo
8.2 Interviews: Synopse
8.3 Werbung: Synopse
8.4 Auswahl der weiterzubearbeitenden Themen

9 Vertiefung: Bedeutungen von Kochen und Essen
9.1 Freundschaft
9.1.1 Die private Einladung zum Essen
9.1.2 Freundschaft: Eine Begriffsklärung
9.1.3 "Potenzierung der Nähe" als Wirkung des Essens
9.1.4 Gemeinsames Essen als Bild für Freundschaft
9.1.5 Ritualisationen
9.1.6 Kommensalität: Welche Gemeinschaft wird gestärkt?
9.2 Ehrliches Handwerk, sinnvolle Arbeit
9.2.1 Ein nostalgisches Bild des traditionellen Handwerks
9.2.2 Privates Kochen als Handwerk
9.2.3 Ehrlich, sinnvoll, einfach
9.3 Kreativität, selbstbestimmtes Gestalten
9.3.1 Gestaltungsspielraum beim Kochen
9.3.2 Kochen als selbstbestimmtes Gestalten und kreativer Akt
9.3.3 Kochen als Kunst
9.3.4 Kreativität und Kontrasterfahrung
9.3.5 Kochen als Welterschaffung
9.4 Industrie vs. Natur: Zivilisationsprozess und gutes Leben
9.4.1 Industrie vs. Natur
9.4.2 Zerstörung vs. Erhaltung der Umwelt
9.4.3 Krankheit vs. Gesundheit
9.4.4 Distanz vs. Nähe
9.4.5 Einheitsgeschmack vs. Genuss
9.4.6 Falsches Leben vs. gutes Leben
9.4.7 Schwach ausgeprägt: Entfremdung vs. Harmonie mit der Natur
9.5 Sensationen und Genüsse
9.5.1 Kochen und Essen: Vergnügen, Genuss, Glücksmomente
9.5.2 Genuss als kulturelle Kategorie
9.5.3 Genuss- Vorstellungen der AkteurInnen
9.5.4 Der Stellenwert des Genusses
9.5.5 "Genuss und Gesundheit" statt "Genuss vs. Askese/Gesundheit"
9.6 Beziehung vs. Anonymität
9.6.1 Herkunft der Nahrungsmittel: "Nähe zur Erde"
9.6.2 Aneignung durch Verarbeitung: "Zuneigung zu den Rohstoffen"
9.6.3 Eigene Gerichte: "Selbstgemachter Käse"
9.6.4 Essen als Gast, essen mit Gästen: "Potenzierung der Nähe"
9.6.5 Räume und Gegenstände: "Der Mittelpunkt der Wohnung"
9.6.6 Erinnerung als Verstärker: "... und bei mir ist es nun ebenso"
9.6.7 Diskussion: Beziehung vs. Anonymität
9.6.8 Strategien der Beheimatung
9.7Individualität, Ich selbst
9.7.1 Die Signatur des Urhebers/der Urheberin
9.7.2 Der Koch als Selbstdarsteller, die Person der Köchin als Bedeutung
9.7.3 Vielfältige Rollen, konstanter Verweis auf die Individualität
9.7.4 Selbst-Bilder und Selbstverwirklichung
9.7.5 Konstruktion der Identitäten bzw. der Subjektivität

TEIL III: KOCHEN UND ESSEN ALS SlNNSTIFTUNG UND IMPLIZITE RELIGION

10 Sinnstiftung
10.1 Vorbemerkungen
10.1.1 Reprise: Sinnstiftung als grundlegende Deutung von Leben und Welt
10.1.2 Plausibilität
10.2 Gesellschaftsstruktur und Sinnstiftung
10.3 Exemplarische Rekonstruktion: Sinnstiftung durch "Freundschaft"
10.3.1 "Und für mich ist das wie existentiell"
10.3.2 Übersetzungen: Inhaltliche Konkretionen
10.3.3 Sinnstiftung als Praxis und Erfahrung
10.3.4 Defiziterfahrung und innerweltliche Erlösung
10.3.5 Ausblick auf die übrigen Deutungsmuster
10.4 Unterschiede in der Sinnstiftung
10.4.1 Autorität der Deutungsmuster
10.4.2 Reichweite der Deutungsmuster
10.4.3 Krisenerfahrung als Aktualisierungskontext und Bezugsproblem
10.5 Charakteristika des vorliegenden Modus der Sinnstiftung

11 Klassifikation
11.1 Die Problematik des Begriffs "Religion" und seiner Definition
11.2 Anforderungen an ein Klassifikationssystem
11.3 Klassifikations-Möglichkeiten
11.3.1 Grosse Transzendenzen als Religion (Thomas Luckmann)
11.3.2 Unsichtbare Religion (Thomas Luckmann)
11.3.3 Implizite Religion (Edward Bailey)
11.3.4 Funktionale Äquivalente (Michael Krüggeler)
11.3.5 Non-Religion, Quasi-Religion (Malcolm Hamilton)
11.3.6 Weniger deutliche Exemplare der Kategorie Religion (Benson Saler)
11.4 Diskussion und Vorschlag: Religionsfragmente und implizite Religion

12 Zusammenfassung und Ausblick
12.1 Zusammenfassung
12.2 Ausblick: Thesen zum religiösen Feld der Gegenwart
12.2.1 Bedeutungsverlust traditioneller Religion
12.2.2 Zunahme der Pro-forma-Religion
12.2.3 Präsenz und Fragmentierung von säkularer und neuer Religion
12.2.4 Verborgene Zunahme von impliziter Religion
12.2.5 Vielfalt der impliziten Religion
12.2.6 Sinnbasteln
12.3 Schluss

Literatur
Anhang: Abbildungen