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Kein Recht, nirgends
Tagebuch vom Untergang des Breslauer Judentums 1933-1941
Böhlau Wien
EAN: 9783412329051 (ISBN: 3-412-32905-3)
1120 Seiten, hardcover, 16 x 24cm, 2006
EUR 59,90 alle Angaben ohne Gewähr
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Rezension
Der Historiker Willy Cohn hat in seinen Tagebüchern, die 4600 handschriftliche Seiten umfassten, genauestens den „Untergang des Breslauer Judentums“ in seinen einzelnen Etappen bis zu seiner eigenen Ermordung 1941 festgehalten. Diese Aufzeichnungen gab im Jahre 2006 Norbert Conrads, ausgewiesener Experte für schlesische Geschichte und emeritierter Professor für Geschichte der Frühen Neuzeit, nach zehnjähriger Bearbeitungszeit unter dem Titel „Kein Recht, nirgends“ heraus. Mit den beiden im „Böhlau Verlag“ erschienenen Bänden liegt ein historischer Erlebnisbericht vor, den es in der Ausführlichkeit nur von Victor Klemperer mit seinen Dresdner Tagebüchern gibt.
Cohns Tagebücher geben einen Einblick in den alltäglichen und systematischen Antisemitismus, welchem die jüdische Gemeinde in Breslau, die zu den bedeutendsten Deutschlands gehörte, seit der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 ausgesetzt war. In den Aufzeichnungen beschreibt Cohn eindrücklich die zunehmenden Restriktionen und die schwierigen Lebensbedingungen der Breslauer Juden. So berichtet der Geschichtslehrer von seinen Unterricht am 18.5.1933: „Heute vormittag vier Stunden hintereinander unterrichtet, bei den Kleinen muß man viel Kräfte verpuffen und bei den Großen wird man bespitzelt. Das merkt man deutlich, wie auf jedes Wort aufgepaßt wird." (S. 45) Nach der Reichspogromnacht am 10.11.1938 trägt Cohn in sein Tagebuch ein: „Die neue Synagoge soll brennen! Das Schokoladengeschäft von Wolff ist demoliert worden. […] Wer weiß, was noch alles kommen wird, man muß es tragen, aber wie unsere Familie die nächsten Tage überstehen wird, wer kann es ahnen?“ (S. 537) Am 5.11.1941 ist bei Cohn zu lesen: „Gestern nachmittag nicht mehr fortgegangen. Eine von vielen Angstträumen erschöpfte Nacht.“ (S. 1003)
Fazit: Jedem Geschichtslehrer, der sich im Unterricht mit dem Thema „Nationalsozialismus“ oder „Holocaust“ differenziert auseinandersetzen möchte, können die eindrücklichen Erinnerungen von Willy Cohn nur zur Lektüre empfohlen werden.
Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Seit dem Erscheinen seiner Lebenserinnerungen »Verwehte Spuren« gilt der Breslauer Historiker Willy Cohn (1888-1941) als der wichtigste Autor seiner Generation für das jüdische Breslau. Dass auch seine Tagebücher erhalten blieben und nahtlos an seine Erinnerungen anschließen können, macht diese Edition zu einem Buchereignis ersten Ranges. Cohn war als Historiker, Publizist und Pädagoge mit weiten Kreisen Breslaus und insbesondere der jüdischen Gemeinde vertraut. Er erlebte den Exodus vieler Breslauer Juden, die Schrecken der Reichspogromnacht 1938 und die Verzweiflung der verbliebenen Juden, denen die Flucht nicht mehr möglich war. Cohn und seine Familie waren davon selbst betroffen, bis hin zu ihrer Deportation und Ermordung in Litauen 1941. Tag für Tag lässt sich in diesem Buch die Entrechtung und Erniedrigung der Breslauer Juden miterleben. Indirekt ergeben sich auch viele Belege für die Haltung der übrigen Bevölkerung in dieser Zeit. In dieser Alltagsnot findet Cohn allein im jüdischen Glauben Trost und engagiert sich in der Gemeinde. Daneben arbeitet er weiter wissenschaftlich, was ihm Bekanntschaft mit Leo Baeck verschafft, der ihm 1940 seine politische Einschätzung darlegt, oder mit dem bekannten katholischen Kirchenhistoriker Hubert Jedin. Neben den Dresdner Tagebüchern Victor Klemperers gibt es keinen vergleichbaren Erlebnisbericht.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Vorwort VII
I. Einleitung IX
II. Tagebücher Band 1
1933 1
1934 119
1935 196
1936 311
1937 374
1938 504
Tagebücher Band 2
Vorbemerkung 527
1938 529
1939 579
1940 738
1941 886
Nachwort 1009
III. Streszczenie w jeszyku polskim - Zusammenfassung in polnischer Sprache 1013
IV. Summary - Zusammenfassung in englischer Sprache 1019
V. Literaturverzeichnis 1025
VI. Glossar 1029
VII. Abkürzungsverzeichnis 1041
VIII. Verzeichnis und Nachweis der Abbildungen 1043
IX. Personenregister 1045
X. Ortsregister 1106
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