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Ideologie und Zivilreligion in Singapur nach der Unabhängigkeit
Hausarbeit
Hausarbeit zum Seminar "Politik und Religion in Ostasien", SS 2006, Universität Erfurt, Staatswissenschaftliche Fakultät, von Cédric André, Student der Sozialwissenschaften und Wirtschaftswisenschaften im 2. Fachsemester, 02.08.2006
Cedric Andre
Grin-Verlag OHG
EAN: 9783638683364 (ISBN: 3-638-68336-2)
22 Seiten, paperback, 15 x 21cm, 2006
EUR 12,99 alle Angaben ohne Gewähr
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Rezension
Einmal abgesehen von der grundsätzlichen Anfrage, warum in der heutigen Zeit beinahe alles veröffentlicht werden kann und viele Verlage mittlerweile auf Lektorate überhaupt verzichten und kaum jemand danach fragt, wie sich dadurch die inhaltliche Qualität des Gedruckten verschlechtert ... und einmal von der ebenfalls grundsätzlichen Anfrage abgesehen, warum Studien- und Seminararbeiten - wie hier anzuzeigen auch von 2. Semestrigen - von netto 20 S. für 13 € feilgeboten werden ... , bleibt als kompakter Erstlektüre-Einstieg in die Frage nach der Bedeutung von Ideologie und Zivilreligion in der Metropole Singapur diese Hausarbeit immerhin hilfreich. Der Insel- und Stadtstaat ist das auf kleinstem Raum größte Wirtschafts- und Handelszentrum Südostasiens, gelegen zwischen Malaysia im Norden und Indonesien im Süden. Singapur ist formal eine parlamentarische Republik nach britischem Vorbild, Meinungsfreiheit und politische Opposition in Singapur sind aber erheblich eingeschränkt. Im Funktionieren des Systems spielt die Zivilreligion eine wesentliche Rolle.
Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Ziel der Arbeit ist es, zu zeigen, wie in Singapur ein Grundkonsens über eine Art der Regierungsführung zustande kam, die oft als "sanfter Autoritarismus" bezeichnet wird, und wie er sich im Laufe der Jahre weiterentwickelte. Insbesondere soll gezeigt werden, wie die PAP-Regierung ihre Herrschaftsideologie propagierte und wie sie auf den Legitimationsverlust dieser Ideologie mit dem Versuch der Schaffung einer einheitlichen Zivilreligion und mit Änderungen am politischen System reagierte.
Das politische System Singapurs dürfte weltweit einzigartig sein. Es stellt eine eigenartige Verbindung von Stabilität formaler demokratischer Prinzipien – insbesondere regelmäßiger Wahlen –, wie sie wohl in wenigen ehemaligen Kolonien vorzufinden ist, einerseits und einer relativ autoritären Machtausübung durch die Regierung andererseits dar. Oft wird auf Singapur der Ausdruck des „sanften Autoritarismus“ angewandt, denn trotz der sehr weitreichenden Eingriffe des Staates in das Leben der Menschen erreicht die Regierung seit fast einem halben Jahrhundert bei den – regulär und nach demokratischen Prinzipien ablaufenden – Wahlen eine absolute Mehrheit, die auf eine grundsätzliche Zustimmung der Bevölkerung zur Staatsführung hinzuweisen scheint. Ziel dieser Arbeit ist es aufzuzeigen, wie dieser Grundkonsens zwischen Regierung und Regierten zustande kam und wie er sich im Laufe der Jahre weiterentwickelte. Nach einem kurzen Abriss über die Geschichte Singapurs von der Kolonialzeit bis zur Unabhängigkeit im Jahre 1965 soll insbesondere soll gezeigt werden, wie die Regierung ihre Herrschaftsideologie propagierte und wie sie auf den Legitimationsverlust dieser Ideologie in den achtziger und neunziger Jahren mit dem Versuch der Schaffung einer einheitlichen Zivilreligion und mit Änderungen am politischen System reagierte. Ein kurzer Ausblick schließt die Arbeit ab.
Inhaltsverzeichnis
1. Einführung: Die Besonderheit des politischen Systems Singapurs 3
2. Der Weg zur Unabhängigkeit 4
2.1. Die Entwicklung bis zur Autonomie 1959 4
2.2. Die People′s Action Party 5
2.3. Die Vereinigung mit Malaya 6
2.4. Der Ausschluss aus der Föderation Malaysia 7
3. Die Herrschaftsideologie der PAP-Regierung 8
3.1. Die ideology of survival 8
3.2. Die fabianistische Prägung der ideology of survival und ihre Folgen 9
4. Der Prozess des nation building 12
5. Die Suche nach einem neuen ideologischen Grundkonsens 14
5.1. Der Legitimationsverlust des alten Grundkonsenses 14
5.2. Ein neuer Konsens durch „alte Werte“ oder „geteilte Werte“? 15
6. Die Veränderungen des politischen Systems in den neunziger Jahren 18
7. Singapurs Zukunft: Eine nicht-liberale kommunitaristische Demokratie? 20
Literatur 22
Leseprobe:
1. Einführung: Die Besonderheit des politischen Systems Singapurs
Das politische System Singapurs dürfte weltweit einzigartig sein. Es stellt eine eigenartige Verbindung von Stabilität formaler demokratischer Prinzipien – insbesondere regelmäßiger Wahlen –, wie sie wohl in wenigen ehemaligen Kolonien vorzufinden ist, einerseits und einer relativ autoritären Machtausübung durch die Regierung andererseits dar. Oft wird auf Singapur der Ausdruck des „sanften Autoritarismus“ angewandt, denn trotz der sehr weitreichenden Eingriffe des Staates in das Leben der Menschen erreicht die Regierung seit fast einem halben Jahrhundert bei den – regulär und nach demokratischen Prinzipien ablaufenden – Wahlen eine absolute Mehrheit, die auf eine grundsätzliche Zustimmung der Bevölkerung zur Staatsführung hinzuweisen scheint.
Ziel dieser Arbeit ist es, aufzuzeigen, wie dieser Grundkonsens zwischen Regierung und Regierten zustande kam und wie er sich im Laufe der Jahre weiterentwickelte. Insbesondere soll gezeigt werden, wie die Regierung ihre Herrschaftsideologie propagierte und wie sie auf den Legitimationsverlust dieser Ideologie in den achtziger und neunziger Jahren mit dem Versuch der Schaffung einer einheitlichen Zivilreligion und mit Änderungen am politischen System reagierte. Zunächst aber folgt ein kurzer Abriss über die Geschichte Singapurs bis zur Unabhängigkeit im Jahre 1965, soweit sie für das Verständnis der späteren Entwicklungen notwendig ist.
2. Der Weg zur Unabhängigkeit
2.1. Die Entwicklung bis zur Autonomie 1959
Im Jahre 1819 pachteten die Briten die Insel Singapur vom Sultan von Jahore, weil sie auf der Insel einen Militärstützpunkt und einen Hafen für den Handel mit Waren aus den Kolonien in Ost- und Südostasien errichten wollten. Zu diesem Zeitpunkt war Singapur nahezu unbewohnt: Auf der Insel wohnten etwa 150 Menschen, die zum Teil von der Fischerei lebten (Heidt: 2). In der Folgezeit „importierten“ die britischen Kolonialherren deshalb die benötigten Arbeitskräfte aus China, Malaya und Südasien. Als die Briten 1824 Singapur kauften, lebten dort bereits 10 000 Menschen; 1901 war die Bevölkerungszahl durch Einwanderung auf 220 000 angestiegen, und Mitte der 1990er Jahre betrug sie etwa 2,6 Millionen. 1901 war etwa die Zusammensetzung der Bevölkerung erreicht, wie sie heute vorliegt: 77,7% Chinesen, 14,1% Malaien, 7,1% Inder1 und 1,1% andere2 (Tamney: 1). 1926 wurde Singapur mit Penang und Malacca zu den Straits Settlements zusammengefasst, die unter britischer Kolonialherrschaft standen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg, während dem Singapur von den Japanern besetzt worden war, beschlossen die Briten, langfristig ihre Kolonien in Südostasien loszuwerden. Zu diesem Zweck planten sie den Zusammenschluss Malayas und der Straits Settlements zu einer Malaiischen Union, die eine einheitliche Verwaltung Malayas ermöglichen und später die Dekolonisierung erleichtern sollte. Die Malaiische Union sollte nicht ein malaiischer Nationalstaat sein, sondern ein Staat, in dem alle Einwohner unabhängig von ihrer ethnischen Abstammung dieselben Rechte haben sollten. Allerdings sollte nach dem Plan der Briten die Malaiische Union Singapur nicht mit einschließen. Offiziell führten die Briten als Grund an, dass die zahlreichen in Singapur lebenden Chinesen das ethnische Gleichgewicht in der Malaiischen Union stören würden und dass Malaya und Singapur unterschiedliche wirtschaftliche Interessen hätten. Tatsächlich dürfte aber auch eine Rolle gespielt haben, dass die Briten die Kontrolle über ihren Stützpunkt in Singapur behalten wollten (Schönen-berger: 70). Langfristig war allerdings durchaus die Vereinigung Singapurs mit Malaya vorgesehen. Letztlich scheiterte der Plan der Briten jedoch am Widerstand der Malaien, die das Ziel eines malaiischen Nationalstaates verfolgten; außerdem trug die Vorstellung eines Zentralstaates der bisherigen relativ föderalen Struktur Malayas nicht ausreichend Rechnung. Deshalb wurde der Plan einer Malaiischen Union durch den einer Föderation Malaya ersetzt. In Bezug auf Singapur realisierten die Briten ihre Politik der Dekolonisierung zunächst, indem sie Singapur 1959 weitgehende innere Autonomie gewährten; lediglich in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik behielt Großbritannien auch weiterhin das Sagen.
2.2. Die People′s Action Party
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1 Unter der offiziellen Kategorie „Inder“ werden Einwanderer aus Indien, Pakistan, Bangladesch und Sri Lanka sowie deren Nachkommen zusammengefasst.
2 Die Kategorie „andere“ umfasst überwiegend Europäer.
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