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Hybris und Nemesis
Wie uns die Entzivilisierung von Macht in den Abgrund führt – Einsichten aus 5000 Jahren
Rainer Mausfeld
Westend
EAN: 9783864894077 (ISBN: 3-86489-407-7)
512 Seiten, Festeinband mit Schutzumschlag, 17 x 23cm, November, 2023
EUR 36,00 alle Angaben ohne Gewähr
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Umschlagtext
Macht drängt nach mehr Macht und Reichtum nach mehr Reichtum, eine Dynamik, die den Zusammenhalt einer Gesellschaft gefährdet und sie zu zerstören droht: Dies ist eine der frühesten Einsichten der Zivilisationsgeschichte. Macht bedarf daher stets einer robusten Einhegung. Das bedeutendste Schutzinstrument für eine Zivilisierung von Macht stellt die egalitäre Leitidee der Demokratie dar.
Rainer Mausfeld zeigt entlang historischer Linien auf, dass der Begriff der Demokratie seiner ursprünglichen Bedeutung beraubt worden ist und heute als Demokratierhetorik für Herrschaftszwecke missbraucht wird. Dadurch ist es in den vergangenen Jahrzehnten zu einer Entzivilisierung von Macht gekommen, deren psychische, gesellschaftliche und ökologische Auswirkungen die menschliche Zivilisation insgesamt bedrohen.
Rainer Mausfeld ist Professor an der Universität Kiel und hatte bis zu seiner Emeritierung den Lehrstuhl für Wahrnehmungs- und Kognitionsforschung inne. In seinen gesellschaftspolitischen Beiträgen beschäftigt er sich mit der neoliberalen Ideologie, der Umwandlung der Demokratie in einen autoritären Sicherheitsstaat und psychologischen Techniken des Meinungs- und Empörungsmanagements. Mit seinen Vorträgen (u.a. Wie werden Meinung und Demokratie gesteuert? und Die Angst der Machteliten vor dem Volk) erreicht er Hunderttausende von Zuhörern. Im Westend Verlag erschienen zuletzt seine Bestseller Warum schweigen die Lämmer? (2018), Angst und Macht (2019) und TamTam und Tabu (gemeinsam mit Daniela Dahn, 2020).
Rezension
Wir erleben z.Zt., besonders in den USA unter Trump, eine deutliche "Entzivilisierung von Macht". Insofern ist dieses Buch ein überaus aktuelles Buch, auch wenn - oder gerade weil - es den Sachverhalt in 5000-jähriger Perspektive beleuchtet und sich der Titel aus der griechischen Mythologie speist: Die Hybris (Übermut, Anmaßung) bezeichnet eine extreme Form der Selbstüberschätzung und des Hochmuts, verbunden mit dem Realitätsverlust einer Person und der Überschätzung der eigenen Fähigkeiten, Leistungen oder Kompetenzen von Personen in Machtpositionen. Nemesis (Zuteilung des Gebührenden) ist in der griechischen Mythologie die Göttin des gerechten Zorns und der ausgleichenden Gerechtigkeit. Sie bestraft die menschliche Selbstüberschätzung (Hybris) und die Missachtung des Rechts und der Sittlichkeit. Macht und Reichtum teilen die eigentümliche Besonderheit, dass sie im Menschen ein unersättliches Mehrhabenwollen auszulösen scheinen. Macht drängt nach mehr Macht, Reichtum nach mehr Reichtum. Zwangsläufige Folgen einer gesellschaftlichen Entgrenzung von Macht sind der Zerfall des sozialen Zusammenhalts und schließlich der Verfall einer Gesellschaft. Deshalb ist das grundlegende Problem menschlicheer Zivilisation eine gesellschaftliche Kontrolle von Macht und Reichtum. Drei Gottheiten sorgen in der antiken Mythologie dafür: Eunomia als Personifikation einer guten Ordnung, Dikē als Personifikation des Rechts, und Eirene als Personifikation des Friedens und des Wohlstands. Nemesis schließlich stellt die Personifikation des gerechten Zorns und der Bestrafung moralisch unziemlichen Verhaltens dar, die dem Hochmütigen das ihm Gebührende zuteilt. - Fazit: Ein Buch, das den Verfall von Demokratie umfassend ausleuchtet!
Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
"Mausfeld ist ein Volksaufklärer in der Denktradition Humboldts, Deweys und Chomskys, der minuziös dechiffriert, was sonst viele Bürger nur als Grundgefühl hegen."
Neue Zürcher Zeitung
"Ein großes Kompendium des Denkens."
ORF Im Gespräch
"Hochinteressant, gut belegt"
ekz Bibliotheksservice
"Das Buch von Rainer Mausfeld unterstützt uns darin, all diese Zusammenhänge besser einzuordnen und die Gegenwart richtig zu meistern."
Xing
"Entlang historischer Linien zeigt er auf, wie der Begriff der Demokratie seiner ursprünglichen Bedeutung beraubt worden ist und heute als Herrschaftsinstrument dient."
Nachdenkseiten
"Ein wichtiges Buch"
Freitag.de
"Erkenntnisreiche Analyse"
Publik-Forum
Inhaltsverzeichnis
Prolog 9
Einführung und Überblick 15
I Mensch und Macht
1 Macht und die Beschaffenheit des Menschen 61
1.1 Zur Funktionslogik der Macht 62
1.2 Die Grundausstattung des menschlichen Geistes für den Umgang mit Macht 66
II Der lange Weg zur zivilisatorischen Leitidee der Demokratie
2 Organisationsformen der Macht und gesellschaftliche Instrumente zur Einhegung parasitärer Eliten
in frühesten Gesellschaften und Zivilisationen 89
2.1 Instrumente zur Verhinderung einer Elitenbildung in frühesten Jäger- und
Sammlergesellschaften 91
2.2 Elitenbildung und Elitenkontrolle in frühesten Zivilisationen 103
2.3 Früheste Megasiedlungen: Cucuteni-Tripolje-Kultur, Çatalhöyük und Indus-Kultur 107
2.4 Elitenbildung und Elitenkontrolle in Städten und Stadtstaaten in Mesopotamien und die soziale Norm »misarum« 110
2.5 Elitenbildung und Elitenkontrolle im Alten Ägypten und die soziale Norm »Ma’at« 123
2.6 Elitenbildung und Elitenkontrolle im alten China – Das »Mandat des Himmels« 143
2.7 Resümee und Ausblick 153
3 Die Erfindung der Demokratie im Athen der Antike 169
3.1 Herrschaftsformen und gesellschaftliche Situation in der Zeit vor Solons Reformen 171
3.2 Das Fundament der Demokratie: Die Reformen von Solon und Kleisthenes 176
3.3 Die Athenische Demokratie 192
3.4 Warum entstand die zivilisatorische Leitidee der Demokratie gerade in Griechenland? 203
3.5 Resümee und Ausblick – mit einer Kurzdarstellung der Demokratiekonzeption der Aufklärung 210
4 »Machiavellische Demokratie«: Elitenherrschaft in Verbindung mit robusten radikaldemokratischen Kontrollinstrumenten 239
4.1 Machiavelli über den unüberbrückbaren Gegensatz von Volk und Eliten in seinen Discorsi 241
4.2 Machiavelli über gesellschaftliche Zerstörungskräfte 244
4.3 Institutionelle und außerinstitutionelle Instrumente der Elitenkontrolle 247
4.4 Resümee und Ausblick 250
III Die Entgrenzung und Entzivilisierung von Macht in kapitalistischen Demokratien
5 »Demokratie« – Der wohl größte Wortbetrug der Geschichte. Über die Zerstörung einer zivilisatorischen Leitidee 255
5.1 Wortbetrug I: Die Erfindung der »repräsentativen Demokratie« – Wie sich mit dem Wort »Demokratie« eine Demokratie verhindern lässt 258
5.2 Die Erzeugung einer Illusion von Demokratie als kostengünstigste Revolutionsprophylaxe im Kapitalismus 272
5.3 Wortbetrug II: Die Erfindung der »Elitendemokratie« – Wie sich die herrschende Minderheit zu »Eliten« veredelt und den Rest zur »Masse« gemacht hat 278
5.4 Wortbetrug III: Die Erfindung der »Output-orientierten Demokratie« – Wie Macht als
Rationalität verkleidet und damit unsichtbar und unentrinnbar gemacht wurde 300
5.5 Warum eine kapitalistische Demokratie auf eine Bewusstseinskontrolle angewiesen ist 307
5.6 Die Entgrenzung und Entzivilisierung von Staats- und Kapitalmacht mit dem Instrument des
Rechts 342
5.7 Resümee und Ausblick 353
6 Über den Wortbetrug der »liberalen Mitte« und über den Neoliberalismus als Extremform einer
antidemokratischen Entzivilisierung von Macht 383
6.1 Freiheit im Liberalismus: Schutz des Privateigentums und Sicherheit im privaten Genuss 385
6.2 Demokratie im Liberalismus: Elitenkonkurrenz, Verachtung des Volkes und Zuschauerdemokratie 391
6.3 Die politische Mitte: Vom Liberalismus zum Zentrum der Gegenaufklärung 399
6.4 Die neoliberale Mitte als Extremform antidemokratischer Positionen 403
6.5 Resümee und Ausblick 411
7 Die Transformation kapitalistischer Demokratien zu Formen autoritärer und totalitärer Herrschaft.
Sheldon Wolin über »gelenkte Demokratie« und eine neuartige Form des Totalitarismus 413
7.1 Ausgangspunkt: Demokratie – Rhetorik und Realität 415
7.2 »Abstrakte totalisierende Macht« 417
7.3 »Flüchtige Demokratie« – Wolins Vorstellungen von einer egalitären aktiv-partizipatorischen Demokratie 423
7.4 Die Zerstörung des Politischen 426
7.5 Wolins Konzept des »umgekehrten Totalitarismus« 432
7.6 Resümee und Ausblick 443
Epilog
Demokratie oder zivilisatorischer Abgrund 457
Literatur 477
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