|
Hitlers Theologie
Rainer Bucher
Echter
EAN: 9783429029852 (ISBN: 3-429-02985-6)
232 Seiten, Festeinband mit Schutzumschlag, 14 x 23cm, 2008
EUR 16,80 alle Angaben ohne Gewähr
|
|
Umschlagtext
"Hitlers Theologie ist intellektuell krude, ihr Rassismus ist erbärmlich und ihr Gott ein numinoses Monster. Es gibt keine Gnade und keine Barmherzigkeit in ihr und daher auch keinen Frieden. Aber sie wurde, worauf alle Theologie zielt: praktisch. Das ist nicht der einzige“, so Rainer Bucher, „aber es ist der unabweisbare Grund, sich mit ihr zu beschäftigen.“
Gewiss: Adolf Hitler war kein Theologe. Doch vom Beginn seines öffentlichen Redens bis zu seinen letzten dokumentierten Äußerungen verkündigte er sein Politikprojekt im Namen eines Gottes, konzipierte und legitimierte er es über theologische Begriffe. Diese spielten dabei keine nur rhetorische, sondern eine zentrale und tragende Rolle. - Eine klarsichtige wie fulminante Untersuchung von Hitlers politischer Projektbeschreibung und ihrer theologischen Begründungsstrukturen.
Autor:
Rainer Bucher, Dr. theol., geb. 1956 ist Professor und Leiter des Instituts für Pastoraltheologie und Pastoralpsychologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Karl-Franzens-Universität Graz.
Rezension
Der Titel lässt aufhorchen. 'Hitlers Theologie'? Sollte hinter dessen Gefasel von der göttlichen Vorsehung tatsächlich etwas stecken, was den Namen Theologie verdient?
Rainer Bucher hat solche Irritationen erwartet und umreißt deshalb im ersten Hauptabschnitt des Buches unter dem Titel 'Abgrenzungen' zunächst einmal, in welchem Sinne in seinem Buch von Theologie und von der Theologie Hitlers die Rede sein soll. Er bestimmt sie ganz wörtlich als 'Rede von Gott'. In diesem Sinne war Hitler tatsächlich ein 'Theo-Loge': er hat sich auf einen Gott berufen, er hat ihn angerufen und er hat sein politisches Projekt im Namen eines Gottes verkündet (34). Und seine Theologie "... wurde, worauf tatsächlich alle Theologie zielt: praktisch." (11) Aber ihre Praxis war in jeder Hinsicht verheerend. Deshalb, so Bucher, muss man sich mit dieser Theologie auseinandersetzen und nach den Ursachen ihrer Wirkung und ihres Erfolges fragen.
Im zweiten Hauptabschnitt mit dem Titel 'Strukturen' stellt Bucher die zentralen Elemente der Hitlerschen Theologie dar: die in seiner Rede von der Vorsehung implizierte Geschichtstheologie (77), seinen Gottesbegriff (89), denn 'Gott' dient Hitler als Garant für seinen Nationalismus wie für seinen Rassismus, und seinen Glaubensbegriff (101): Hitlers eigenen Glauben an das 'deutsche Volk' und den Glauben an sein politisches Handeln, den er von jedem Einzelnen dieses Volkes verlangte.
Der dritte Hauptabschnitt formuliert die beiden wesentlichen Konsequenzen, die sich aus den vorhergehenden Überlegungen ergeben. Erstens: "Der Nationalsozialismus ist nicht das ganz Andere zur Moderne, nicht deren Leugnung auf der ganzen Linie, ist kein anti-modernes Projekt schlechthin, mit dessen Überwindung es dann auch getan ist. Der Nationalsozialismus ist vielmehr die andere, die dunkle Seite der Moderne selbst." (147) Und zweitens: "Die Macht, die im Gott Hitlers selbst steckt, ist auch nicht für immer besiegt, die Macht eines Gottes, der Erlösung verspricht im Hier und Heute. Diese 'Erlösungspolitik' war und bleibt gefährlich faszinierend. Der Kern dieser Politik ist das Projekt der Reinigung, der 'Säuberung', der Befreiung, freilich nicht meiner selbst von meinen Sünden, sondern von den anderen und der Zumutung, die sie darstellen." (157)
'Hitlers Theologie' ist ein wissenschaftliches Buch, aber es wendet sich durchaus an ein breiteres Publikum. Was es bietet, ist eine faszinierende Analyse des Hitlerschen Denken, die nicht nur für das Verständnis seiner 'Gläubigkeit' und ihrer Auswirkung auf die nationalsozialistische Ideologie ungemein erhellend ist, sondern erweist sich auch für die Beschäftigung mit einer Reihe weiterer Themenkomplexe als sehr ergiebig: dem Verhältnis von Politk und Religion überhaupt, dem konkreten Verhältnis von Nationalsozialismus und Katholischer Kirche, der Frage nach der Genese des antijüdischen Rassismus, den Bedingungen für eine stabile Demokratie und der Bestimmung der eigentlichen Botschaft des christlichen Glaubens. Auf diesen letzten Punkt bezieht sich wohl auch Buchers Schlusssatz, der ein weiter führende und auch auf andere Theologien zu beziehende Untersuchungen impliziert: "Es ist nicht gleichgültig, welche Theologie man treibt, es ist nicht gleichgültig, an welchen Gott man glaubt." (173)
Matthias Wörther, lehrerbibliothek.de
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 11
ABGRENZUNGEN
I "Hitlers Theologie": Um was es dabei geht und um was nicht 17
Hitlers Projekt 17
Hitler und die Kirchen 21
Der "nationalsozialistische Kult" 24
"Hitlers Religion" 27
Nationalsozialismus als "Politische Religion" 30
Zum verwendeten Theologiebegriff 32
Nur Rhetorik? 34
II Hitlers Theologie und die katholische Kirche 37
1. Vorbild: Was Hitler von den Kirchen lernen wollte 37
a) Der totale Anspruch der Kirchen 38
b) Das Dogma als Formierungsstrategie des Diffusen 41
c) Organisatorisch-funktionale Problemlösungen 45
2. Hitlers Kritik
a) "Langsames Ausklingen" der Kirchen: Hitlers Szientismus 48
b) Die unüberwindbare Kluft zwischen Wort und Tat universalistischer Konzepte 51
3. Ein Resümee
III Hitler und die Theologie der "völkischen Bewegung" 59
1. Die Religiosität der "völkischen Bewegung" 59
2. Hitlers Ablehnung der "völkischen Religiosität" 61
a) Frühzeit und "Mein Kampf" 61
b) Nach 1933 65
c) Die Kritik an Rosenberg 70
3. Zusammenfassung 71
STRUKTUREN
IV Die "Vorsehung": die Geschichtstheologie Hitlers 77
1. Die "ex negativo"-Verwendung vor 1933: Weimar - "von keiner Vorsehung bestimmt" 77
2. Der Nationalsozialismus als Projekt der "Vorsehung": "Mein Kampf" 79
3. Nach 1933: "Der Himmel und die Vorsehung haben unser Streben gesegnet" 80
4. Die "Vorsehung" zu Zeiten der Niederlagen: "Wem die Vorsehung so schwere Prüungen auferlegt, den hat sie zu Höchstem berufen"
5. Zusammenfassung und Einordnung 86
V Hitlers Begriff 89
1. "Gott": Garant der Sicherheit 89
2. Hitlers Gott und der Rassismus 93
3. "Gott" und "Vorsehung": ihr Zusammenhang
4. Die funktionale Stellung des Gottesbegriffs in Hitlers theologischem Diskurs 98
VI Der "Glaube": die Formierung des Einzelnen 101
1. "Der Sieg des Glaubens" 101
2. Der "Glaube": die Verknüpfung von Religion und Individuum 103
3. "Hitlers Theologie": ein Zwischenresümee 107
VII Hitlers Theologie und die Vernichtung des europäischen Judentums 111
1. Die Ziele Hitlers 111
2. Hitlers theologische Legitimation des Judenmordes 113
3. Die Umkehrung von Parikularismus und Universalismus 119
4. Intimität und Universalität: Hitlers Verworfenheit 122
VIII Kirchenreform mit HIlfe von Hitlers Theologie 125
1. Das Unbehagen an der eigenen Zeit: Theologie und Katholizismus am Ende der Weimarer Republik 125
2. Die Attraktivität des Nationalsozialismus 128
3. Karl Adam, Joseph Lortz und Michael Schmaus: das Neue und das Alte in der Theologie 130
4. Der konventionelle Ansatzpunkt: die Liberalismuskritik 134
5. Die Analogie: Nationalsozialsmus und Katholizismus als Integration von "Erleben" und "Denken" 135
6. Die heikle inhaltliche Brücke: der nationalsozialistische Rassismus 138
KONSEQUENZEN
IX Hitler, die Religion, die Politik: Hitler und die Moderne 147
X Sehnsüchte und Versuchungen: eine praktisch-theologische Gewissenserforschung 157
1. Die Versuchungen 157
2, Die "Sehnsucht nach Gemeinschaft" 159
3. Die Sehnsucht nach Kränkungslinderung 164
4. Die Sehnsucht nach dem heroischen Leben 166
5. Die Versuchung des "theologischen Totalitarismus" 168
6. Was es bedeutet 169
Persönliches Nachwort 171
Anmerkungen 175
Quellen- und Literaturverzeichnis 199
|
|
|