lehrerbibliothek.deDatenschutzerklärung
Handfestes Christentum Eine kleine Kunstgeschichte christlicher Gesten.
Handfestes Christentum
Eine kleine Kunstgeschichte christlicher Gesten.




Klaas Huizing

Gütersloher Verlagshaus
EAN: 9783579080130 (ISBN: 3-579-08013-X)
144 Seiten, 13 x 20cm, April, 2007, 83 Schwarzweißabbildungen, Klappenbroschur

EUR 16,95
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Klaas Huizing erzählt die faszinierende Geschichte der christlichen Gesten in der Malerei. Er beobachtet, wie bildende Künstler mittels "Gesten" Religion ins Bild setzen und dabei zugleich deren Aufnahme beim Betrachter intendieren. Durch oft unscheinbare Gesten kommunizieren Kunstwerke eine spezifische Gestalt von Christentum. Ihre diakonischen-freundschaftlich-erotischen und dialogisch-diskursiven Gestenfelder präsentieren das Christentum als eine Kultur der Entängstigung. Huizing konturiert Dürer, Rembrandt, C. D. Friedrich, die "Nazarener", Marc, Picasso, Bacon, Mondrian und H. Nitsch als versierte Theologen in Auseinandersetzung mit der Theologie ihrer Zeit. Der Essay verbindet damit auf verständliche Weise theologische und kunstgeschichtliche Perspektiven.

Ein unterhaltsamer Essay, der Künstler von Dürer bis zur Gegenwart als versierte Theologen konturiert.
Rezension
Die Einbindung künstlerischer Werke in den Religionsunterricht - sei es zur Motivation, in der Einstiegs-, Erarbeitungs- oder Abschlussphase der Unterrichtsstunde oder -reihe - gehört zweifelsohne zu den selbstverständlichen Elementen eines fachübergreifenden, modernen Religionsunterrichts. Somit muss der Religionslehrer auch über ein grundlegendes Fundament kunstgeschichtlichen Wissens verfügen. Das Werk "Handfestes Christentum" des Schriftstellers und Würzburger Systematikers Klaas Huizing, das den Untertitel "kleine Kunstgeschichte christlicher Gesten" trägt, ist - so viel sei vorweg verraten - äußerst lesenswert, auch oder gerade für den kunsthistorischen Laien. Bei dem kleinen Büchlein handelt es sich nämlich mitnichten um ein Lehrbuch oder gar eine Enzyklopädie, vielmehr um einen "Essay zur Ästhetischen Theologie" (S. 10).

Das erste Kapitel enthält einige Informationen des Autors darüber, warum welche Künstler für den kunstgeschichtlichen Überblick ausgewählt wurden. Die Auswahl ist übrigens für den Religionsunterricht gelungen, der gesamte Überblick hat für alle Jahrgänge etwas zu bieten (vgl. auch unten). Das zweite Kapitel besteht aus einer erfrischend kurzweiligen Darstellung des wissenschaftlichen Hintergrunds des Essaybands: die Aufnahme und bisweilen Umdeutung antiker Gebärden- und Gestendarstellungen durch christliche Künstler verschiedener Zeiten.

Das dritte Kapitel behandelt in diesem Zusammenhang Albrecht Dürer: Huizing verweist auf die Renaissance antiker Elemente bei Dürer (vgl. auch Kap.2.2) und bespricht beispielsweise Dürers "Der zwölfjährige Jesus unter den Schriftgelehrten". Diese Besprechung enthält interessante Hinweise auf die Bedeutung von Dürers Gestikdarstellungen. So bildet Jesu Gestik im genannten Werk den Ausdruck einer rhetorischen Argumentation mit der Absicht der Selbstoffenbarung Jesu als Sohn Gottes. Huizing endet die Besprechung Dürers mit dem Fazit, die "Gesten der maximalen Ergriffenheit finden in der Dürerschen Bilderwelt ihren Einsatz, wenn es gilt Schmerz, apokalyptischen Schrecken, Heilung oder Triumph ... auszudrücken. Immer aber werden die Gesten fränkisch-bedächtig gezähmt und humanisiert" (S. 39f).

So wie Huizing bei Dürer Elemente antiker Gestendarstellungen (hier: rehtorische Gesten) aufzeigt, so weist Huizing bei den weiteren - bedächtig ausgewählten - Künstlern auf die Aufnahme/Rezeption früherer Darstellungen von Gesten, Figurenkonstellationen oder Ausdrucksvariationen hin, die zu teilweise überraschenden, aber immer interessanten Bilddeutungen und Bildbesprechungen führen.
Geht es also bei Dürer um die Handgestik, so in dem Kapitel über Rembrandt um Gesten, die das Sinnieren und Nachdenken des Abgebildeten als Vorgang im Betrachter lebendig werden lassen können. Für den Religionsunterricht besonders hervorgehoben seien dabei Huizings Besprechungen zu Rembrandts "Apostel Paulus im Gefängnis" sowie "Der barmherzige Samariter", bei Dürer neben dem schon erwähnten Bild zudem "Die vier apokalyptischen Reiter".
In dem Kapitel zu Caspar David Friedrich findet sich eine nicht ungewagte, aber begründete These Huizings, wonach der Künstler Schleiermachers Theologie "gemalt" habe. Des Weiteren geht es bei den Besprechungen der Nazarener sowie Franz Marcs um Berührungsgesten. Hier werden Reinheit und Schöpfungsprozess, kitschig und abstrakt einander gegenüber gestellt. Besonders empfehlenswert für den Religionsunterricht ist dabei Huizings Besprechung von Marcs "Rehe im Walde II". Bei Picasso weist Huizing auf die Rezeption christlicher Ikonographie hin. Umstritten bleibt wohl der Beitrag des Essays über Piet Mondrian zu einer Kunstgeschichte christlicher Gesten. Bei Bacon geht es um Gesten des entsetzlichen Grauens und des rasenden Schmerzes. Abschließend kommt Huizing auf die Mitmachaktionen des Aktionskünstlers H. Nitsch zu sprechen, der den Anspruch vertritt, durch seine Aktionen zu "befreien".

Nachteil des Büchleins ist leider die (Druck-)Qualität der Bilder: Sie sind recht klein und nur schwarz-weiß wiedergegeben. Andererseits ist dies dem günstigen Preis des Buches geschuldet, der zugleich einen Vorteil darstellt - neben der guten Lesbarkeit der Darstellungen Huizings: lebendig, verständlich und dennoch anspruchsvoll!
Zusammengefasst entfaltet das Buch Huizings einen schönen Blick für Details, die sich dann überzeugend als religiöse Elemente der Bildgestaltung interpretieren lassen.

Holger Zeigan, lehrerbibliothek.de
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung: An den Gesten sollst du sie erkennen
1.1 Prägungen. Drei Szenen
1.2 Bearbeitungen

2. Die Bibliothek der Gesten
2.1 Freundliche Übernahme
2.2 Warburgs Königsvokalbel: Pathosformeln
2.3 Theologische Annäherungen

3. Dürers Handgesten
3.1. Fränkische Antike
3.2. Rhetorisches Christentum
3.3. Kleiner Ertrag

4. Rembrandts sinnende und diakonische Gesten
4.1. Holländische Antike
4.2. Amsterdamer Gefühlskultur
4.3. Kleiner Ertrag

5. Caspar David Friedrichs Umarmungen
5.1. Romantische Antike
5.2. Physikotheologische Moderne
5.3. Kleiner Ertrag

6. Die zärtlichen Begegnungen der Nazarener
6.1. Spätromantische Antike
6.2. Dialogisches Christentum
6.3. Kleiner Ertrag

7. Franz Marcs Familiengesten
7.1. Blaue Antike
7.2. Bewegte Bilder
7.3. Kleiner Ertrag

8. Picassos Erlösungsgesten
8.1. Spanische Antike
8.2. Inszenierte Erlösung
8.3. Kleiner Ertrag

9. Piet Mondrians prophetische Linien
9.1. Calvinistische Antike
9.2. Himmlisches Jerusalem
9.3. Kleiner Ertrag

10. Bacon und die Gesten des Schreckens
10.1. Spätmoderne Antike
10.2. Materialermüdete Gesichter
10.3. Kleiner Ertrag

11. Bewegte Gesten
11.1. Wiener Melange
11.2. Gefühlte Religion
11.3. Kleiner Ertrag

12. Schluss: Elementargesten des Christentums

Literatur