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Grundriss der deutschen Grammatik 2: Der Satz
Peter Eisenberg
Verlag J. B. Metzler
EAN: 9783476021618 (ISBN: 3-476-02161-0)
564 Seiten, hardcover, 17 x 25cm, August, 2006, 3., durchgesehene Auflage
EUR 29,95 alle Angaben ohne Gewähr
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Umschlagtext
Dieser Band gibt eine umfassende Einführung in die Formen- und Satzlehre des Deutschen. Besonderer Wert wird auf begriffliche Präzision und Verständlichkeit gelegt. Mit über 200 Arbeitsaufgaben zum Selbststudium.
Rezension
Peter Eisenbergs Grundriss der deutschen Grammatik ist ein Standardwerk: Es vermittelt die Grundlagen, aber auch die Eckpunkte und problematischen Fälle der deutschen Grammatik. Zielgruppe sind dabei vor allem Studierende der Germanistischen Linguistik und Lehrer, die ihre Kenntnisse aus dem Studium auffrischen wollen. In jedem Fall handelt es sich um eine Grammatik, die gerade Muttersprachler für die Besonderheiten ihrer Sprache sensibilisieren möchte und damit eine Reflexion über die täglich verwendete Sprache und ihre grammatischen Phänomene ermöglicht. Darin ist der Grundriss sehr erfolgreich, erscheint er doch bereits in 3. Auflage.
Der zweite Teil der zweibändigen Grammatik widmet sich sich dem Satz, genauer gesagt dem Satzbau durch die flektierten Satzglieder (Syntax) und der Stellung der Satzglieder im Satz (Topologie). Dies geschieht nicht nur durch übersichtliche und gut verständliche Darstellung unter Einbeziehung der neuesten Forschungsliteratur, sondern auch durch praktische Beispiele: 200 Übungsaufgaben mit Lösungsvorschlägen folgen dem Darstellungsteil; außerdem helfen Graphiken und schematische Darstellungen bei der Vorstellung des Gelesenen.
Ausschlaggebend für eine Neuausgabe war die verbindliche Umstellung auf die reformierte Rechtschreibung im August 2006: Die Schreibung wurde den neuen Regeln angeglichen und die Grammatik auch inhaltlich auf den neuesten Forschungsstand gebracht.
Melanie Förg, Lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Peter Eisenberg
Grundriss der deutschen Grammatik
Band 2: Der Satz
Standardwerk zur deutschen Grammatik
Jetzt in neuer Rechtschreibung
In sich abgeschlossene Teilbände
Mit jeweils rund 200 Aufgaben und Lösungen
Inklusive Benutzerhinweise, Sach- und Wortregister sowie einem Literaturverzeichnis
Autor
Peter Eisenberg, geb. 1940; Studium der Nachrichtentechnik, Informatik, Musik und Sprachwissenschaft; Professor em. für Deutsche Philologie an der Universität Potsdam; längere Studien- und Arbeitsaufenthalte in den USA, der Volksrepublik China, Frankreich, Iran und Ägypten; 1990-92 Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft; 1996 Deutscher Sprachpreis der Henning-Kaufmann-Stiftung; Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Mitglied des Rates für deutsche Rechtschreibung.
Inhalt
Wort und Satz gelten als kommunikative Säulen einer Sprache. Der `Grundriss der deutschen Grammatik` greift diese Zweigliederung auf. Die Teilbände `Das Wort` und `Der Satz` ergänzen sich und sind zugleich unabhängig voneinander einsetzbar. Präzise und gut verständlich wird die gesamte Grammatik ausgebreitet. Rund 200 Aufgaben und Lösungen führen differenzierte Analysewege vor. Ein glänzendes Lehrbuch, auch für das Selbststudium geeignet.
Der Teilband `Der Satz` führt systematisch in die Formen- und Satzlehre des Deutschen ein. In übersichtliche Lerneinheiten gegliedert, lässt das Lehrbuch keinen Aspekt außer Acht.
(www.metzlerverlag.de)
Inhaltsverzeichnis
3-476-02160-2 Eisenberg, 3. A. Bd. 2 Der Satz
© 2006 Verlag J.B. Metzler (www.metzlerverlag.de)
Inhaltsverzeichnis
Vorwort zur 1. Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII
Vorwort zur 3. Auflage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX
Hinweise für den Benutzer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X
Abkürzungen und Symbole . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI
1. Rahmen und Zielsetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.1 Zur Aufgabe von Grammatiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.2 Sprachfunktion und Sprachstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
2. Grundbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
2.1 Syntaktische Kategorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
2.2 Syntaktische Strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
2.2.1 Form und syntaktische Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
2.2.2 Das Strukturformat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
2.2.3 Syntagmatische Relationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
2.3 Syntaktische Relationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39
2.3.1 Syntaktische Relationen als definierte Begriffe . . . . . . . . . . . 39
2.3.2 Syntaktische Relationen im Deutschen . . . . . . . . . . . . . . . 45
3. Das Verb: Valenz, Argumente und Satzstruktur . . . . . . . . . . . 56
3.1 Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
3.2 Vollverben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
3.2.1 Das Kategoriensystem: Valenz und Komplementstruktur . . . . . 58
3.2.2 Valenz und Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
3.2.3 Argumentstruktur und Kasusselektion . . . . . . . . . . . . . . . . 75
3.3 Kopulaverben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
3.4 Modalverben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
4. Die Einheitenkategorien des Verbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
4.1 Übersicht: Die Menge der Verbformen . . . . . . . . . . . . . . . . 100
4.2 Grundzüge des verbalen Flexionsparadigmas . . . . . . . . . . . . 103
4.3 Das Tempus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
4.4 Indikativ und Konjunktiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
4.5 Aktiv und Passiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124
5. Substantiv, Artikel, Pronomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
5.1 Die Flexion des Substantivs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
5.2 Der Artikel. Determination und Quantifikation . . . . . . . . . . 140
5.3 Wortkategorien des Substantivs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150
5.3.1 Das Genus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150
5.3.2 Individualität: Gattungsnamen, Stoffnamen, Eigennamen . . . . 158
5.4 Pronomina . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167
5.4.1 Gebrauch und Funktion von Pronomina. Grundbegriffe der
Deixis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167
5.4.2 Das Personalpronomen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
5.4.3 Determinativpronomina: Demonstrativa, Possessiva, Indefinita . 180
5.4.4 Fragepronomina . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186
6. Präpositionen und Konjunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190
6.1 Präpositionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190
6.1.1 Präposition und Präpositionalgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . 190
6.1.2 Verschmelzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198
6.2 Konjunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202
6.2.1 Subordinierende Konjunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203
6.2.2 Koordinierende Konjunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205
7. Adverb, Adverbial, Partikeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208
7.1 Abgrenzung und Begriffliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208
7.2 Adverbien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212
7.2.1 Adverbien als Adverbiale zum Satz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212
7.2.2 Frageadverbien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221
7.3 Adjektive als Adverbiale zum Verb . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223
7.4 Partikeln: Fokussierung und Abtönung . . . . . . . . . . . . . . . 231
8. Attribute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235
8.1 Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235
8.2 Das adjektivische Attribut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237
8.3 Substantivische Attribute und Apposition . . . . . . . . . . . . . . 246
8.3.1 Das Genitivattribut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246
8.3.2 Enge Apposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254
8.4 Präpositionalattribut und Substantivvalenz . . . . . . . . . . . . . 261
8.5 Relativpronomen und Relativsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268
9. Subjekte und Objekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279
9.1 Subjekt und direktes Objekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279
9.1.1 Semantisches, psychologisches, logisches Subjekt . . . . . . . . . 280
9.1.2 Grammatisches Subjekt und direktes Objekt . . . . . . . . . . . . 284
9.2 Indirektes Objekt, Dativobjekt, freier Dativ . . . . . . . . . . . . . 292
9.3 Genitivobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300
9.4 Präpositionalobjekt und präpositionales Adverbial . . . . . . . . . 302
9.5 Funktionsverbgefüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309
10. Adverbial- und Ergänzungssätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318
10.1 Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318
10.2 Ergänzungssätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320
10.2.1 Konjunktionalsatz und indirekter Fragesatz . . . . . . . . . . . . . 320
VI | Inhaltsverzeichnis
10.2.2 Indirekter Fragesatz und Relativsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . 323
10.3 Zur Grammatik der Korrelate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328
10.4 Adverbialsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332
10.4.1 Kausale und temporale Konjunktionalsätze . . . . . . . . . . . . . 332
10.4.2 Konditionalsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342
11. Infinitivkonstruktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349
11.1 Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349
11.2 Ergänzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353
11.2.1 Infinitive mit zu . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353
11.2.2 Der AcI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366
11.3 Adverbiale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 371
12. Koordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377
12.1 Zum Begriff Koordination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377
12.2 Grundzüge der Koordination mit und . . . . . . . . . . . . . . . . 379
12.3 Koordination und Vergleichssätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387
13. Wortstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394
13.1 Satzgliedstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394
13.1.1 Satztypen und topologische Felder . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394
13.1.2 Die Satzgliedfolge im Mittelfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404
13.2 Zur Topologie der Nominalgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 410
Aufgabenstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421
Lösungshinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460
Siglen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515
Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 540
Wortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 552
Leseprobe
1. Rahmen und Zielsetzungen
1.1 Zur Aufgabe von Grammatiken
Deutsch, Standarddeutsch, gutes und richtiges Deutsch
Eine Grammatik als Gebrauchsbuch soll Auskunft darüber geben, was richtig
und was falsch ist. Eine deutsche Grammatik stellt fest, was zum Deutschen
gehört und was nicht. Das Richtige seinerseits ist für eine Gebrauchsgrammatik
nicht einfach richtig, sondern es kann ›kaum noch gebräuchlich‹ oder ›sogar
schon möglich‹ sein, ›unschön‹ oder ›gewählt‹, ›geziert‹ oder ›schwerfällig‹.
Diese und viele andere wertende Prädikate verwendet die Duden-Grammatik
zur Kennzeichnung von Ausdrücken, die für die große Mehrheit der Sprecher
des Deutschen selbstverständlich sind, die sie gebrauchen, ohne sich je um die
Meinung einer Grammatik zu kümmern. Fängt jemand erst an, eine Grammatik
zu konsultieren, so hat sich sein Verhältnis zur Sprache schon entscheidend
geändert. Er ist zu ihr auf Distanz gegangen, er ist dabei, seine Sprache mit
›dem Deutschen‹ zu vergleichen.
Das Verhältnis von Gebrauchsgrammatik und Sprache wird ganz deutlich,
wenn man sich vorstellt, es gäbe keine Grammatik. Wir unterstellen, dass der
Wille zum richtigen und sogar guten Deutsch nicht an der Existenz einer
Grammatik hängt, wo immer er sonst herkommt. Wer ohne eine Grammatik
richtig und gut sprechen will und sich dabei nicht auf sich selbst verlässt, kann
nichts anderes tun, als andere Sprecher fragen, ob man so und so sagen könne.
Irgendwann wird es ihm dann wie Schuppen von den Augen fallen, dass er von
seinem Nachbarn oder irgendjemandem sonst keine bessere Auskunft bekommen
kann als von sich selbst. Sagt ihm jemand »Du sprichst schlecht« oder
»Deine Ausdrucksweise ist unschön«, so wird ihm klar, dass gut und schlecht,
schön und unschön, richtig und falsch nichts sind als andere Bezeichnungen
für ›meine Sprache‹ und ›deine Sprache‹. Das Deutsch der anderen, die sagen,
wie es gut und richtig ist, wird in der Regel ›die deutsche Standardsprache‹
genannt, oder auch ›deutsche Literatursprache‹ oder einfach ›Hochdeutsch‹.
›Mein Deutsch‹ dagegen bedeutet in der Regel ›mein Dialekt‹, ›mein Jargon‹,
›meine Alltagssprache‹.
Die Funktion von Grammatiken in diesem Zusammenhang ist es seit jeher
gewesen, das Denken in den Kategorien ›meine Sprache‹ und ›deine Sprache‹
zu vermeiden und zu verhindern, es gar nicht dazu kommen zu lassen. Ist eine
Grammatik als explizite, kodifizierte Norm einmal anerkannt, so beweist das
nur, dass auch die Existenz einer bestimmten Sprachausprägung, etwa das
Hochdeutsche, als weitgehend unabhängig von den Sprechern anerkannt ist.
Die Grammatik als kodifizierte Norm verhilft einer bestimmten Sprachausprägung
zum Anschein des Natürlichen, zumindest aber des nicht hinterfragbar
Gegebenen. Zwar mögen einsichtsvolle Leute – unter ihnen sicherlich
die Linguisten – längst wissen und auch sagen, dass es ›das Hochdeutsche‹
nicht gibt, dass die Sprache des Einen nicht schlechter sei als die des Anderen
und dass es lediglich praktische Gründe für sprachliche Vereinheitlichungen
zum Standarddeutschen gebe: Sie werden wenig an der verbreiteten Vorstellung
ändern, man könne mithilfe der Grammatik zu gutem und richtigem
Deutsch gelangen. Wer nicht glaubt, dass es sich so verhält, sollte einmal
einige der Briefe mit Anfragen an Sprachberatungsstellen lesen (Berger 1968;
Tebartz-van Elst 1991; Stetter 1995). Die Mitarbeiter solcher Beratungsstellen
werden kaum einmal um ihre Ansicht zu diesem oder jenem Problem gebeten.
Meist wird vielmehr gefragt, wie es sich denn ›wirklich‹ verhalte.
Und der Bedarf an Sprachberatung wächst. Wir verfügen heute über ungefähr
ein Dutzend Beratungsstellen im deutschsprachigen Raum. »Auffallend ist der
Anstieg von Gründungen in den letzten fünfzehn Jahren« (Lehr 1998: 207).
Diese Entwicklung steht in auffälligem Gegensatz zum Selbstverständis zumindest
eines bedeutenden Teils der Sprachwissenschaft. Die Sprachwissenschaft
hat sich ja während der 70er Jahre ausdrücklich unter deskriptiver Flagge
neu konstituiert. Älteren Grammatiken hielt man neben ihrer historischen
Ausrichtung und allerlei Mängeln an ›Wissenschaftlichkeit‹ (dazu Cherubim
1975; Platz 1977; Rüttenauer 1979) immer wieder ihre normative Ausrichtung
vor (Lyons 1980: 43ff.; dazu auch Hartung 1977: 43 ff.; Lang, M./Thümmel, W.
1974). Die neue Sprachwissenschaft nannte sich Linguistik und verstand sich
als deskriptiv. Eine Grammatik soll erfassen, was ist, und nicht vorschreiben,
was sein soll.
Die Möglichkeit des Ausspielens einer deskriptiven gegen eine präskriptive
(normative) Grammatik ist konjunkturabhängig, erweist sich aber auch aus
immanenten Gründen als problematisch.
Einmal ist es nicht die Grammatik selbst, die normativ ist, sondern der
Gebrauch, der von ihr gemacht wird. Jede deskriptive Grammatik kann so
verwendet werden, u. U. ganz gegen die Intentionen ihrer Verfasser. Zweitens
führt die Präzisierung der Termini ›Grammatik‹ und ›Sprache‹, wie sie in der
neueren Linguistik akzeptiert ist, auch theoretisch zu der Einsicht, dass Deskription
und Präskription kaum zu trennen sind. Das Problem liegt bei der
Vollständigkeit, mit der eine Grammatik eine Sprache erfassen soll. In seinem
1957 erstmals erschienenen und allgemein als für den neuen Grammatikbegriff
epochemachend angesehenen Büchlein ›Syntactic Structures‹ schreibt Noam
Chomsky über das Verhältnis von Grammatik und Sprache (1973: 15f.): »Von
jetzt ab werde ich unter einer Sprache eine (endliche oder unendliche) Menge
von Sätzen verstehen, jeder endlich in seiner Länge und konstruiert aus einer
endlichen Menge von Elementen. Alle natürlichen Sprachen – in ihrer gesprochenen
oder geschriebenen Form – sind Sprachen in diesem Sinn, da jede
natürliche Sprache eine endliche Zahl von Phonemen (oder Buchstaben in
ihrem Alphabet) hat und jeder Satz als eine endliche Folge von Phonemen
(oder Buchstaben) dargestellt werden kann, obwohl es unendlich viele Sätze
gibt. Ähnlich kann die Menge von ›Sätzen‹ irgendeines formalisierten Systems
der Mathematik als eine Sprache verstanden werden. Das grundsätzliche Ziel
bei der linguistischen Analyse einer Sprache L ist es, die grammatischen Folgen,
die Sätze von L sind, von den ungrammatischen Folgen, die nicht Sätze
von L sind, zu sondern und die Struktur der grammatischen Folgen zu studieren.
Die Grammatik von L wird deshalb eine Vorrichtung sein, die sämt-
liche der grammatischen Folgen von L erzeugt und keine der ungrammatischen.
Zu beachten ist, daß es genügt, um die Ziele der Grammatik sinnvoll zu
setzen, eine Teilkenntnis von Sätzen und Nicht-Sätzen anzunehmen. Das
heißt, wir können für diese Diskussion annehmen, daß gewisse Folgen von
Phonemen eindeutig Sätze und daß gewisse andere Folgen eindeutig Nicht-
Sätze sind. In vielen mittleren Fällen werden wir dann so weit sein, die
Grammatik selbst entscheiden zu lassen, wenn nämlich die Grammatik in der
einfachsten Weise aufgestellt ist, so daß sie die klaren Sätze ein- und die klaren
Nicht-Sätze ausschließt.«
Die Sprache als Menge von Sätzen und die Grammatik als Mechanismus, der
genau diese Menge von Sätzen erzeugt: das sind Begrifflichkeiten, die so
ausschließlich auf konstruierte Sprachen passen, in denen sich die Frage der
Abgrenzung grammatischer und ungrammatischer Sätze aus dem Sprachgebrauch
heraus gar nicht stellt. Werden sie auf natürliche Sprachen – so nennt
man unsere Sprachen, eben so, als seien sie ein Stück Natur – angewendet,
dann bringt allein die Forderung nach Abgrenzung der grammatischen von
den ungrammatischen Sätzen die Behauptung vom deskriptiven Charakter der
Grammatik ins Wanken. Die Grammatik selbst ist es, die bestimmt, welche der
Zweifelsfälle noch zur Sprache gehören und welche schon nicht mehr. Es ist
und bleibt Aufgabe der Grammatik, zwischen richtig und falsch für eine
Sprache zu entscheiden (ausführlicher Gloy 1993; Wort, 1.2).
Man muss allerdings zugestehen, dass die Gründe, die zu dieser Aufgabenstellung
für die Grammatik führen, bei der normativen gänzlich andere sind als
bei der, die deskriptiv sein möchte. Geht es im ersten Fall um Fortschreibung
und Durchsetzung einer bestimmten Sprachausprägung für alle Sprecher, so
geht es im zweiten Fall um den Versuch, eine Sprache möglichst vollständig
und in diesem Sinne genau zu erfassen. Sprachliche Vereinheitlichung ist für
eine normative Sprachauffassung die Durchsetzung des ›sprachlich Richtigen‹,
während sie für eine deskriptive Sprachauffassung Ausdruck des gemeinsamen
Nenners als ›sprachlicher Standard‹ ist (zur Herausbildung des Standards im
Deutschen Polenz 1999: 37ff.; Mattheier 2000). Trotz solcher Unterschiede
bleibt aber beiden gemeinsam, dass sie von der zweiten und eigentlich interessanten
Aufgabe von Grammatiken absehen.
Die Struktur sprachlicher Einheiten
Grammatiker streiten sich ja häufig. Sie arbeiten unterschiedliche Lösungen
für dieselben Mengen von Fakten aus und setzen sich darüber auseinander,
welche der Lösungen die bessere oder gar die richtige ist. Beispielsweise gibt es
eine lange Diskussion darüber, wie viele und welche Wortarten das Deutsche
hat. Eine solche Frage betrifft nicht die Unterscheidung von richtig und falsch,
sondern sie betrifft die Klassifikation von Einheiten, deren Zugehörigkeit zur
Sprache außer Zweifel steht. Statt um richtig und falsch geht es darum, welche
Struktur ein bestimmter Bereich des Deutschen hat. Grammatische Auseinandersetzungen
sind meistens Auseinandersetzungen über Strukturen, auch
wenn sie nicht als solche verstanden werden. Die zweite Aufgabenstellung der
Grammatik besteht also darin, Aussagen über die Struktur von sprachlichen
Einheiten zu machen oder, wie es oben bei Chomsky heißt, »die Struktur der
grammatischen Folgen zu studieren«. Diese Aufgabe widerspricht der ersten
nicht, sie geht aber wesentlich über sie hinaus. Man kann sehr wohl zwischen
richtig und falsch für eine Sprache unterscheiden, ohne das Geringste über die
Struktur der richtig gebildeten Einheiten zu wissen. Man kann aber nicht über
die Struktur von sprachlichen Einheiten reden, ohne zu wissen, dass sie welche
sind, d. h. zur Sprache gehören.
Dennoch stellt sich das Problem von richtig und falsch für den an der
grammatischen Struktur Interessierten ganz anders dar als für den, der vor
allem ein Interesse an der Norm hat. Jemand möchte begründen, dass er zu
spät kommt, und sagt »Ich komme erst jetzt, weil ich hab noch gearbeitet«.
Ausdrücke dieser Form kommen im gesprochenen Deutsch ziemlich häufig
vor, gelten aber ebenso häufig als falsch oder »standardsprachlich nicht korrekt
« (Kann 1972; Eisenberg 1993; Duden 2001: 930). Dem Sprachnormer fällt
dazu genau eins ein, nämlich »Richtig muss es heißen . . . weil ich noch
gearbeitet habe.«
Für sich genommen ist diese Aussage blind. Sie sagt dem Belehrten nichts,
solange sie nicht begründet und verallgemeinerbar wird. In einem bestimmten
Sinne ist sie nicht einmal verstehbar. Fängt man aber an, die Aussage zu
begründen und zu verallgemeinern, dann redet man auch über die Struktur des
Satzes, um den es geht. Das beginnt mit der Feststellung, dass hier ›fälschlicherweise‹
die Nebensatzstellung (finites Verb am Schluss) durch die Hauptsatzstellung
(finites Verb an zweiter Stelle) ersetzt wurde. Schon diese Feststellung
enthält viel Strukturelles, denn sie weist darauf hin, dass der Sprecher
nicht einfach den Bereich der Regeln verlässt. Vielmehr wählt er eine Konstruktion,
die es im Deutschen tatsächlich gibt. Und es gibt neben weil sogar eine
andere kausale Konjunktion, die den Hauptsatz verlangt, nämlich denn. Dass
denn und weil beinahe dasselbe bedeuten, könnte sehr wohl ein Grund für die
›Verwechslung‹ von Haupt- und Nebensatz sein. Geht man dem weiter nach,
dann stellt sich heraus, dass die Hauptsatzstellung gern auch bei obwohl
verwendet wird. Obwohl ist konzessiv, und bei den Konzessivsätzen gibt es wie
bei den Kausalsätzen ebenfalls die Konstruktion Hauptsatz + Hauptsatz, eingeleitet
etwa mit zwar . . . aber.
Möglicherweise sind denn und zwar . . . aber so auf das Geschriebene festgelegt,
dass ihre Funktion im Gesprochenen von weil und obwohl übernommen
wird. Dazu gehört zum Beispiel, dass mit jedem der Hauptsätze ein
selbständiger Sprechakt realisiert werden kann. Mit zwei Hauptsätzen kann
man zweierlei behaupten, während mit dem Gefüge aus Haupt- und Nebensatz
eine Behauptung mit Begründung aufgestellt wird (12.2).
Diese Sicht passt dazu, dass wir eine andere kausale Konjunktion haben, bei
der die Hauptsatzstellung nicht vorkommt, nämlich da. Da ist weitgehend auf
das geschriebene Deutsch beschränkt, was bedeuten könnte, dass ihm die
Freiheiten der gesprochenen Sprache verschlossen sind. Aber auch semantische
Gründe spielen möglicherweise eine Rolle. Man kann nach Bedeutungsunterschieden
zwischen da und weil fragen, wobei weil mit Hauptsatz noch einmal
eine andere Bedeutung haben könnte als mit Nebensatz (10.2.2).
Und vielleicht ist man sich des im weil-Satz gegebenen Grundes nicht so
sicher wie bei da. Vielleicht verwendet der Sprecher weil dann, wenn er eine
Begründung eher zögerlich vorbringt oder sie gar erst sucht, so dass nach weil
leicht eine Pause entsteht. Dem würde die Hauptsatzstellung entgegenkommen,
denn der Hauptsatz signalisiert nicht schon wie der Nebensatz durch
seine Form, dass er Teil eines anderen Satzes ist. Zu dieser Deutung würde es
auch passen, dass die Hauptsatzstellung nach weil nicht vorkommt, wenn der
Nebensatz dem Hauptsatz vorausgeht. 1b ist ausgeschlossen, niemand würde
den Satz so äußern.
(1) a. Weil ich noch gearbeitet habe, komme ich erst jetzt
b. *Weil ich habe noch gearbeitet, komme ich erst jetzt
Schließlich könnte auch erwogen werden, dass die Konstruktion aus zwei
Hauptsätzen kognitiv einfacher zu verarbeiten ist als die aus Haupt- und
Nebensatz.
2a zeigt ein denkbares Schema für die Konstruktion mit Nebensatz. Der
Nebensatz nach weil ist subordiniert, die Konstruktion ist hypotaktisch und
erreicht eine größere ›Einbettungstiefe‹ als die parataktische Konstruktion mit
zwei Hauptsätzen wie in 2b. Man weiß seit langem, dass hypotaktische Konstruktionen
schwerer zu verarbeiten sind als parataktische.
Für weil mit Verbzweitsatz bietet sich eine Fülle von Deutungsmöglichkeiten
an. Sie werden behandelbar und miteinander vergleichbar, wenn die Struktur
des Satzes und seine Stellung im System erfasst, also seine Grammatik bekannt
ist. Das Beispiel weil mit Verbzweitsatz ist so instruktiv, weil nach anfänglicher
Nichtbeachtung und Abwertung der Konstruktion heute mehrere funktionale
Deutungen miteinander konkurrieren (z.B. Keller 1993; Günthner 1996; Pasch
1997; zur Übersicht Uhmann 1998; Wegener 2000).
Das über weil Gesagte lässt sich verallgemeinern. Die eigentlich wichtige
und interessante Aufgabe einer Grammatik ist, etwas über die Struktur der
Einheiten einer Sprache mitzuteilen. Wer sich mit einer Sprache zu beschäftigen
hat und andere als feuilletonistische Aussagen über sie machen möchte,
muss sich auf strukturelle Gegebenheiten beziehen können. Egal, ob einer den
Thesen vom Niedergang unserer Muttersprache widersprechen will, ob er das
Pidgin von Arbeitsimmigranten erfassen möchte, ob er sprachtherapeutisch
oder sprachpädagogisch tätig ist oder irgendein anderes sprachpraktisches Interesse
hat, er wird das jeweilige Sprachverhalten leichter und weitgehender
verstehen, wenn die verwendete Sprache ihm strukturell durchsichtig ist.
Was aber umfasst die strukturelle Beschreibung einer Sprache, worauf erstreckt
sie sich? Die Grobgliederung einer solchen Beschreibung ist fast immer
| 5 1.1 Zur Aufgabe von Grammatiken
an den sog. Beschreibungsebenen orientiert. Diese ihrerseits sind durch den
Aufbau des Sprachsystems selbst vorgegeben. Traditionell umfasst die Grammatik
eine Lautlehre, Formenlehre und Satzlehre, häufig noch eine Wortbildungslehre
und Orthographie. Unter Formenlehre wird dabei die Lehre vom
Flexionssystem einer Sprache verstanden. Man kann das Flexionssystem unabhängig
von der Satzlehre betrachten, indem man Flexionsreihen zusammenstellt,
sie nach Typen ordnet und ihren internen Aufbau untersucht. Die
Flexionslehre konstituiert dann zusammen mit der Lautlehre, der Wortbildungslehre
und der Orthographie den Teil der Grammatik, der den internen
Aufbau von Wörtern und Wortformen (zu dieser Unterscheidung 2.1) behandelt.
Wir nennen ihn die Wortgrammatik einer Sprache. Die Wortgrammatik
des Deutschen wird in Band 1: ›Das Wort‹ behandelt. In den meisten älteren
Grammatiken stellt sie einen erheblichen Anteil der Gesamtgrammatik dar
(z. B. Heyse 1838/49; Blatz 1896; 1900), in anderen ist sie sogar absolut dominant
(Wilmanns 1893/1909; Paul 1916/1920).
Der Wortgrammatik steht als zweiter Großbereich die Satzgrammatik gegenüber.
Ganz allgemein kann man sagen: Die Satzlehre untersucht, wie Sätze aus
Wortformen aufgebaut sind und welche sprachlichen Leistungen mit der Kombinatorik
der Formen verbunden sind. In einer flektierenden Sprache wie dem
Deutschen ist ein Teil der Wortformen flektiert, d. h. Satzlehre und Flexionslehre
sind nicht voneinander zu trennen.
Die Flexionslehre gehört zur Wortgrammatik, soweit der Aufbau der Flexionsformen
und ihr Verhältnis zu anderen Formen im Flexionsparadigma
betroffen ist (z. B. dies+er ist die Form des Nominativ Maskulinum des Demonstrativums,
der zugehörige Genitiv kann sowohl dies+es als auch dies+en
sein). Die Flexionslehre gehört zur Satzgrammatik, soweit es um die Kombinatorik
der flektierten Formen geht (z.B. der Genitiv von dieser Monat kann
heißen dieses Monats oder diesen Monats; der Genitiv von dieser Mensch
heißt nur dieses Menschen, nicht aber *diesen Menschen).
Statt von Satzlehre spricht man heute im Allgemeinen von Syntax. Will man
deutlich machen, dass dazu auch ein morphologischer Teil gehört (nämlich die
Flexion), so spricht man von Morphosyntax. Die Morphosyntax, Gegenstand
des vorliegenden Bandes, gilt heute meist als Kerngebiet der Grammatik. Viele
neuere Grammatiken beschränken sich fast ganz auf diesen Teilbereich (z. B.
Admoni 1970; Schmidt 1973; Erben 1980; Helbig/Buscha 1998), andere stellen
ihn zumindest weit in den Vordergrund (Grundzüge; IDS-Grammatik).
1.2 Sprachfunktion und Sprachstruktur
Die Ankündigung, man wolle die Strukturen der Sätze einer Sprache ermitteln,
kann nicht das letzte Wort zur Zielsetzung einer Grammatik sein. Denn interessant
wird die Beschäftigung mit der Form von Sätzen erst, wenn man sich
fragt, warum die Form so ist wie sie ist und was sie leistet. Die Funktionalität
einer Form kann dabei auf zwei unterschiedlichen Ebenen thematisiert werden,
nämlich sprachimmanent und sprachfunktional.
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