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Grand Hotel Abgrund Die Frankfurter Schule und ihre Zeit
Grand Hotel Abgrund
Die Frankfurter Schule und ihre Zeit




Stuart Jeffries

Klett-Cotta
EAN: 9783608964318 (ISBN: 3-608-96431-2)
509 Seiten, hardcover, 16 x 23cm, September, 2019

EUR 28,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Stuart Jeffries

Grand Hotel Abgrund



"Eine leicht zugängliche, unterhaltsame Geschichte von einer der beeindruckenden intellektuellen Bewegungen des 20. Jahrhunderts." Owen Hatherly, The Guardian



Sie waren großbürgerlich, gebildet und elitär. Entschieden wehrten sich Adorno, Horkheimer und die Mitglieder Frankfurter Schule gegen die Seilschaften alter Nazis und äußerten sich über Jahrzehnte hinweg unmissverständlich gegen Populismus, rechte Ideologie, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Kapitalismus, Beherrschung von Natur und Mensch.
Rezension
Die Frankfurter Schule gehört zu den wirkungsmächtigsten philosophischen und soziologischen Richtungen des 20. Jahrhundert. Hervorgegangen ist sie aus dem 1924 in Frankfurt eröffneten Institut für Sozialforschung, das von den Nationalsozialisten 1933 geschlossen wurde, worauf fast alle seine Mitglieder in die USA ins Exil gingen, wo sie an dem an die New Yorker Columbia University verlagerten Institute for Social Research wirkten. 1950 wurde das Institut für Sozialforschung in Frankfurt wiedereröffnet.
„Traditionelle und kritische Theorie“(Max Horkheimer) [1937], „Über den Begriff der Geschichte“(Walter Benjamin) [1940], „Die Furcht vor der Freiheit“(Erich Fromm) [1941], „Dialektik der Aufklärung“(Horkheimer/Theodor W. Adorno) [1944], „Kritik der instrumentellen Vernunft“(Horkheimer) [1947], „Psychoanalyse und Ethik“(Fromm) [1947], „Minima Moralia“(Adorno) [1951], „Triebstruktur und Gesellschaft“(Herbert Marcuse) [1955], „Der eindimensionale Mensch“(Marcuse) [1964], „Negative Dialektik“(Adorno) [1966], „Technik und Wissenschaft als ‚Ideologie‘“(Jürgen Habermas) [1966] oder „Erkenntnis und Interesse“(Habermas) [1966] lauten die Titel von bekannten Werken der Frankfurter Schule. Angesichts der Panökonomisierung der Lebensbereiche im digitalen Kapitalismus erfährt die Kritische Theorie zurzeit im sozial- und kulturwissenschaftlichen Diskurs eine Renaissance, die durch die Edition nachgelassener Schriften und Vorträge ihrer Protagonisten flankiert wird. Als Schlüsselkategorien der ersten Generation dieser sozialphilosophischen Richtung gelten u.a. die Begriffe „gesellschaftliche Totalität“, „verwaltete Welt“, „Dialektik“, „Widerspruch“, „Entfremdung“, „Ideologiekritik“ und „Kulturindustrie“. Als Zugangshemmnis zu den Positionen und Argumentationen der neomarxistischen Philosophen mit ihrem gesellschaftsdiagnostischen Scharfblick erweist sich allerdings oftmals ihre sperrige Begriffsapparatur.
Umso verdienstvoller ist es daher zu bewerten, wenn eine fachlich fundierte und zugleich für philosophische bzw. soziologische Laien lesbare Einführung in die Geschichte der Frankfurter Schule seit ihrer Gründung Mitte der 1920er Jahre bis Ende der 1960er Jahre verfasst wird. Ein solches Werk hat der englische Journalist Stuart Jeffries (*1962) 2016 mit seinem Buch „Grand Hotel Abyss. The Lives of the Frankfurt School“ geschrieben, das 2019 in deutscher Übersetzung bei Klett-Cotta unter dem Titel „Grand Hotel Abgrund. Die Frankfurter Schule und ihre Zeit“ veröffentlicht wurde. Die Titelmetapher bezieht sich auf eine Kritik des Revolutionärs und Philosophen Georg Lukács aus dem Jahre 1962 an der Praxisschwäche der Älteren Kritischen Theorie.
Jeffries gelingt es in seiner Darstellung, in der biographische Details und ausgewählte Zitate ihrer Repräsentanten mit dem historischen Kontext produktiv verzahnt werden, sehr gut die Grundideen der sozialkritischen Wissenschaftler zu elaborieren und die Aktualität ihrer Thesen zur Humanisierung der Gesellschaft herauszukristallisieren. Dabei fokussiert er sich auf die erste Generation der Frankfurter Schule mit angemessener Würdigung des intellektuellen Einflusses Walter Benjamins auf diese sowie des Beitrags von Erich Fromm zu ihrer Freud-Rezeption. Die sprachanalytische Wende der Jüngeren Kritischen Theorie bei Jürgen Habermas wird von Jeffries nur kursorisch abgehandelt. Der Journalist liefert keine neuen Forschungsergebnisse zu dieser philosophischen und soziologischen Hauptströmung, dafür aber gutes „Cognitainment“(Han). Lehrkräfte der Fächer Philosophie, Ethik und Politik werden durch das Buch des Journalisten aufgefordert, sich im Unterricht mit den Originalschriften der Kritischen Theorie auseinanderzusetzen, etwa bei Problemfeldern wie Psychopolitik, Postdemokratie, Instrumentalisierung und Entfremdung des Menschen, Rechtsradikalismus oder ökologischer Krise.
Fazit: Stuart Jeffries hat mit seinem Buch „Grand Hotel Abgrund“ eine unterhaltsame Einführung in die Ältere Kritische Theorie vorgelegt, die angesichts von aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen dazu einlädt, die „Flaschenpost“ der Frankfurter Schule zu öffnen.

Dr. Marcel Remme, für lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Sie überlebten zwei Weltkriege, erlebten den Rassismus, flohen vor dem Nationalsozialismus. Sie entgingen dem Holocaust und überlebten eine Odyssee. Adorno und Horkheimer hatten den Mut, nach dem Krieg aus dem amerikanischen Exil nach Deutschland zurückzukommen, um eine andere, humanere Gesellschaft aufzubauen.

Sie waren großbürgerlich, gebildet und elitär – allen voran ihr Papst, Theodor W. Adorno, und ihr Finanz- und Außenminister, Max Horkheimer. Stuart Jeffries entwirft eine vielschichtige Biographie der Frankfurter Schule, die sich mitten im Zeitalter der Extreme des 20. Jahrhundert ereignet. Mitreißend schildert er, wie Mitte der 20er bis Ende der 60er Jahre ihre gesellschaftlichen Utopien entstehen. Kritisch beobachtet Jeffries, wie die 68er-Bewegung aus der Frankfurter Schule hervorgeht und sich etliche 68er zur Gewalt bekennen. Ironisch hält er fest, wie auch diese Rebellion scheitert und vermerkt bitter, dass die »Schule« geschlossen wird. Und dennoch stellte die Frankfurter Schule fast alles vom Kopf auf die Füße: Entschieden wehrten sie sich gegen die Seilschaften alter Nazis und äußerten sich über Jahrzehnte hinweg unmissverständlich gegen Populismus, rechte Ideologie, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Kapitalismus, Beherrschung von Natur und Mensch. Die deutsche Gesellschaft ist seither eine ganz andere: freier, offener, (selbst-)kritischer.

»Eine fesselnde Geschichte des Lebens und der wichtigsten Ideen der führenden Denker der Frankfurter Schule.«
New York Review of Books

»Eine leicht zugängliche, unterhaltsame Geschichte von einer der beeindruckenderen intellektuellen Bewegungen des 20. Jahrhunderts.«
Owen Hatherley, The Guardian
Inhaltsverzeichnis
INHALT


Vorwort: Gegen den Strom 9

TEIL I: 1900–1920
1 Verfassung: Kritisch 25
2 Väter und Söhne und andere Konflikte 47

TEIL II: DIE 1920ER JAHRE
3 Die Welt steht Kopf 85
4 Ein Stück des Anderen 121

TEIL III: DIE 1930ER JAHRE
5 Show Us the Way to the Next Whiskey Bar 153
6 Die Macht des negativen Denkens 167
7 Im Rachen des Krokodils 193
8 Modernismus und All that Jazz 213
9 Eine neue Welt 233

TEIL IV: DIE 1940ER JAHRE
10 Die Straße nach Port Bou 255
11 Im Bund mit dem Teufel 265
12 Der Kampf gegen den Faschismus 297

TEIL V: DIE 1950ER JAHRE
13 Die Gespenstersonate 313
14 Die Befreiung des Eros 335

TEIL VI: DIE 1960ER JAHRE
15 An die Wand, Motherfuckers 361
16 Philosophieren mit Molotowcocktails 387

TEIL VII: ABSCHIED VOM ABGRUND
Habermas und die Kritische Theorie nach 1968
17 Die Frankfurter Spinne 419
18 Verzehrende Leidenschaften 455

ANHANG
Anmerkungen 469
Personen- und Ortsregister 499