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Endspiel Europa Warum das politische Projekt Europa gescheitert ist - und wie wir wieder davon träumen können
Endspiel Europa
Warum das politische Projekt Europa gescheitert ist - und wie wir wieder davon träumen können




Ulrike Guerot

Westend
EAN: 9783864893902 (ISBN: 3-86489-390-9)
208 Seiten, hardcover, 13 x 21cm, Oktober, 2022

EUR 20,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
WIE WIR EUROPA RETTEN KÖNNEN



30 Jahre nach der Wiedervereinigung und dem Maastrichter Vertrag ist Europa mit einem Krieg an seiner Grenze und dadurch resultierenden Konflikten und Krisen konfrontiert. Ulrike Guérot und Hauke Ritz betrachten die Jahre der Europäischen Union seit 1992 und besinnen sich auf die ursprünglichen europäischen Werte und Ziele: ein souveränes Europa und die kontinentale Friedensordnung. Die Entwicklungen, die dem Ukraine-Krieg vorangingen, beleuchten sie detailliert und zeigen bisher weitgehend Unbekanntes auf. Ulrike Guérot und Hauke Ritz fordern ein Umdenken für ein eigenständiges Europa, das sich auf seine sozial-, kultur- und friedenspolitischen Errungenschaften besinnt und gegenüber den USA und Russland als gleichwertiger Partner auftritt.
Rezension
Die Europäische Union hat in weiten Teilen ihrer Historie eine durchaus beachtliche Erfolgsbilanz aufzuweisen. Seit einigen Jahren gerät diese Gemeinschaft jedoch in zunehmend schwieriges Fahrwasser. Eine stetig wachsende Zahl an Mitgliedsstaaten mit teilweise recht unterschiedlichen Interessen einerseits, der Austritt Großbritanniens (Brexit) als eine der führenden Nationen des Kontinents andererseits, zudem weltweite und kontinentale Krisen, stellen die Gemeinschaft zunehmend vor bedeutsame, ja existenzielle Herausforderungen.
Wie dem zu begegnen ist könnte man sich fragen. Die Autoren des vorliegenden Buches gehen einen Schritt darüber hinaus und erklären das politische Projekt Europa für gescheitert. Gleichwohl beschäftigen sie sich mit der Frage, wie diesem -oder besser: einer Neuauflage des Projekts- Leben eingehaucht werden kann.

Inhaltlich befassen sich die Autoren mit dem Werden und Wachsen der Gemeinschaft und dem ihr innewohnenden Gemeinschaftsgedanken, insbesondere für die Zeit nach der "Wende" im Jahre 1989. Die künftigen Ziele der Union und deren konsequente Umsetzung in der Praxis durch "große Europäer", also Politiker, die an den Hebeln der Macht saßen bzw. unmittelbaren Zugang hierzu hatten, bilden den Kern der Betrachtungen im ersten Teil des Buches.
Finanzkrisen, politisches "Geplänkel" in den eigenen Reihen, Fehler im Umgang mit diesen internen Problemen, aber auch Versäumnisse im Umgang mit externen Partnern und Mächten werden besprochen. Die Bedeutung der deutschen Wiedervereinigung, deren Zustandekommen, die Verdienste der Sowjetunion unter der Führung Michail Gorbatschows, sein Verständnis und seine Hoffnungen auf eine beginnende Partnerschaft, auf ein "europäisches Haus von Lissabon bis Wladiwostok" (siehe S. 121), werden gewürdigt.
Die USA hatten nach Auffassung der Autoren von Anfang an andere Vorstellungen. Insgesamt spielt die Hinwendung der Mitgliedsstaaten der EU (kurz "des Westens") zur USA und deren Abwendung von Russland eine kritisch zu betrachtende Rolle.
Angedenk der Vielzahl von Krisen wird das Projekt in seiner derzeitigen Existenz als gescheitert betrachtet. Abschließende Gedanken über eine Neuauflage des Projekts, als selbstständige, politisch souveräne Größe in der Weltpolitik werden diskutiert.

"Ulrike Guérot und Hauke Ritz fordern ein Umdenken für ein eigenständiges Europa, das sich auf seine sozial-, kultur- und friedenspolitischen Errungenschaften besinnt und gegenüber den USA und Russland als gleichwertiger Partner auftritt." (Zitat entnommen dem Umschlagtext des Buches). Ein schöner Gedanke, der in seiner Umsetzung konsequenter Arbeit bedarf und genau diese Initiative verdient! Eine Leitidee, der ich mich in vollem Umfang anschließen möchte.
Das war es dann aber auch mit den Gemeinsamkeiten!
Der im Buch beschriebene Weg zu einer neuen, und besseren Gemeinschaft, betrachte ich hingegen kritisch. Warum?
Gut und Böse sind schnell ausgemacht: der westlichen Staatenwelt, auch den Mitgliedsstaaten der EU wird aus Sicht von Guérot und Ritz der Fehler vorgehalten, sich der Hegemonie der USA bedingungslos unterworfen und sich zunehmend von Russland abgewendet zu haben.
Man kann durchaus so denken und dies ohne weiteres vertreten. Mir ist in der Tat kein renommierter Experte geläufig, der in Abrede stellen würde, dass die westlichen Staaten nach dem Zusammenbruch des Sowjetsystems gravierende politische Fehler begangen haben und so anstelle einer angestrebten Ordnung im Sinne liberaler Demokratien, eine neue "Weltunordnung" (vgl. Peter R. Neumann und Carlo Masala) geschaffen haben.
Daraus allerdings den Schluss zu ziehen, die USA habe an allem Übel dieser Welt die (alleinige) Schuld und insbesondere die Europäer hätten sich bedingungslos den USA an den Hals geworfen und Russland in dessen Bestreben nach Partnerschaft am langen Arm verhungern lassen, erscheint mir dann allerdings doch weit hergeholt und wird im vorliegenden Buch argumentativ einseitig und unausgewogen dargelegt und unzureichend belegt - weil eben ein Diskurs, die Auseinandersetzung mit dem Für und Wider schlicht und ergreifend nicht stattfindet. All zu oft verfangen sich die Autoren in einseitiger Rhetorik; gleichermaßen durchschaubar und anregend zugleich. Möchte man sich als LeserIn nicht nur eine Seite der Medaille betrachten, bietet sich die Chance, in weiteren Quellen Informationen zu sammeln und zu eigenen Sichtweisen zu gelangen.
Eine Reihe von Thesen und Aussagen allerdings empfinde ich als -vorsichtig formuliert- abenteuerlich. Folgendes Beispiel sei stellvertretend für viele weitere aufgeführt (S. 131f. - Abschnitt: Die Eskalation beginnt): "Zu den häufigsten semantischen Setzungen seit Kriegsbeginn zählt die Rede vom "russischen Überfall" oder dem "russischen Angriffskrieg" auf die Ukraine ...Damit wird insinuiert, dass sowohl die Ukraine, als auch der Westen überrascht worden seien ... Eine genaue Analyse der Vielzahl an militärischen Aktivitäten, die Dutzende NATO-Staaten, aber insbesondere Großbritannien, die USA und Kanada, seit 2014 in der Ukraine entfaltet haben, zeigt indes deutlich, dass dem nicht so war. Nüchtern betrachtet muss man sich wundern, dass die russische Regierung überhaupt so lange stillgehalten hat."
Maßnahmen, die auch Biowaffenforschung und die Anhäufung kernwaffenfähigem, spaltbaren Materials beinhaltete, wurde von Seiten Russlands stillschweigend akzeptiert.
Weiter heißt es: "Im Grunde genommen müsste die Frage, wer diesen Krieg wirklich begonnen hat, neu erforscht werden. Es geht eher um angelsächsische - nämlich amerikanische, britische und kanadische - Kriegsvorbereitungen gegen Russland, die zwar nicht in den Medien besprochen wurden, aber doch durch öffentliche Dokumente zugänglich waren und sind." Anmerkung: ein Hinweis auf entsprechende Quelle(n) erfolgt an dieser Stelle nicht.
Es folgt eine Auflistung zahlreicher militärischer Aktivitäten, insbesondere der NATO-Staaten auf ukrainischem Territorium und in weiteren Nachbarländern Russlands. Eine ähnlich detaillierte Auflistung der russischen Aktivitäten hingegen sucht man vergebens.
Mit diesem Auszug wollte ich verdeutlichen, warum ich einige Aussagen in diesem Buch als "atemberaubend" empfinde.
Mir ist klar geworden, sich die Hochschulleitung der Universität Bonn zwischenzeitlich distanziert hat, ohne Frau Guérot beim Namen zu nennen.

Dietmar Langusch, Lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Wie wir Europa retten können
Europa ist mit einem grausamen Krieg an seiner Grenze konfrontiert und steht dreißig Jahre nach Wiedervereinigung und Maastrichter Vertrag am Scheideweg. Ulrike Guérot und Hauke Ritz beleuchten in ihrem Essay „Endspiel Europa“ die Entwicklung der Europäischen Union seit 1992 und besinnen sich auf die ursprünglichen europäischen Werte und Ziele: ein souveränes Europa und eine kontinentale Friedensordnung. Die Entwicklungen, die dem Ukraine-Krieg vorangingen, beleuchten sie genau und bringen bisher weitgehend Unbekanntes ans Licht. Ulrike Guérot und Hauke Ritz fordern ein Umdenken hin zu einem eigenständigen Europa, das gegenüber Amerika und Russland als gleichwertiger Partner auftritt.

Ulrike Guérot studierte Politikwissenschaft, Geschichte und Philosophie in Bonn, Münster und Paris. Sie ist Professorin, Autorin und Aktivistin in den Themenbereichen Europa und Demokratie, mit Stationen in Think Tanks und an Universitäten in Paris, Brüssel, London, Washington, Berlin und Wien. 2014 gründete sie das European Democracy Lab, e.V., eine Denkfabrik zum Neudenken von Europa. 2016 wurde ihr Buch „Warum Europa eine Republik werden muss. Eine politische Utopie" europaweit ein Bestseller. Im Herbst 2021 trat Ulrike Guérot ihre Professur für Europapolitik an der Rheinischen-Friedrich-Wilhelms Universität Bonn an.

Hauke Ritz studierte an der FU und HU Berlin. Nach seiner Dissertation im Fach Philosophie mit dem Schwerpunkt Geschichtsphilosophie wendete er sich verstärkt Fragen der Außenpolitik und Friedensforschung zu. Dabei stand für ihn der Ost-West-Konflikt im Mittelpunkt, dessen Fortbestehen er seit 2008 im Zuge verschiedener Publikationen und seit 2014 durch regelmäßige Russlandreisen erforscht. Hauke Ritz hat an der Universität Gießen, der MSU und RGGU in Moskau sowie der Universität Belgorod unterrichtet und war zuletzt für den DAAD in Moskau tätig.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 13
Der europäische »Horror Vacui« 17
Europa als Rumpf 31

Teil 1: Die europäischen Träume der 1990er Jahre 37
Das »Ende der Geschichte« 1989 aus Sicht
Europas und der USA 37
Europa als »Friedensprojekt«, nach 1989 auch
im Osten 38
Amerikanische Hybris 39
Die USA als »Weltpolizist« 41
Europa plant die politische Union, die USA
planen den nächsten Krieg 42
Wirtschaftskrieg gegen Russland 44
Die Kolonialisierung Russlands 45
Die schwache Subjektivität der europäischen Eliten 47
Der Jugoslawien-Krieg und die mediale Steuerung
der europäischen Politik 50
Up Hill: Europas Aufbruch in den l 990er Jahren 53
Der Weg in die Währungsunion 54
Les grands projets europeen und die
europäische Seele 56
Vertiefung und Erweiterung gehören zusammen 59

Teil II: Die 2000er Jahre
Das Platzen der europäischen Träume 69
Die Zeitenwende 69
Euroeinführung 70
Die europäischen Großprojekte 72
Die europäische Verfassung 72
Krieg im Irak 2003 75
EU-Osterweiterung 77
Europa und die Neokonservative Wende in den USA 80
Anderer Wind aus Washington: Der Aufstieg der Neocons 82
NATO-Osterweiterung 85
»Regime-Change« in Tiflis und Kiew 86
»Full Spectrum Dominance« und der Raketenschild 88
Putins Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz 90
Der Georgienkrieg 2008 91
Kriege fangen in der Presse an 92
Informationskriegsführung und Propaganda 95
Teil III: Europa, du Schöne, wo bist du? 103
Down Hill: Der europäische Abstieg beginnt 103
Die Bankenkrise als Auslöser 104
Deutschland als Scharnier 108
Kulturelle Hegemonie und umgekehrter Totalitarismus 110
Die Zerstörung der europäischen Sozialdemokratie 111
Herzstück Ukraine 113
Die zweite Farbenrevolution in der Ukraine 116
Europa und das Minsker Abkommen 118
Das Geschenk der Wiedervereinigung und die Teilung des russischen Kulturraums 120
Westliche Einmischung und fragile Demokratien 122
Der letzte Versuch einer Verhandlungslösung 125
Amerikas Pläne zur Spaltung Europas 127
Die Vorbereitungen auf den Krieg laufen an 129
Die Eskalation beginnt 131

Zum Schluss: Falls Europa erwacht -
wie wieder von Europa träumen? 143
Verrat an Europa 143
Die Gründe des europäischen Scheiterns 144
Europa: Was tun? 145
Das Ende der kulturellen Hegemonie Amerikas 147
Was ist Europa? 150
Der europäische Selbstbetrug 153
Wir sind nicht die Guten 155
Vom Zerfall 159
Endlich das Eigentliche diskutieren 164
Die Schlüsselbegriffe: Nation, Staat, Souveränität 165
Ein Europäischer Staat? 167
Die EU-Zukunftskonferenz 170
Der Ukraine-Krieg als europäische Katharsis 173
Kann es gelingen? 178

Anmerkungen 181