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Diese Zivilisation ist gescheitert Gespräche über die Klimakrise und die Chance eines Neuanfangs
Diese Zivilisation ist gescheitert
Gespräche über die Klimakrise und die Chance eines Neuanfangs




Rupert Read, Samuel Alexander

Meiner Hamburg
EAN: 9783787338023 (ISBN: 3-7873-3802-0)
134 Seiten, paperback, 13 x 21cm, 2020, Mit einem Nachwort von Helena Norberg-Hodge. Aus dem Englischen übersetzt von Marcel Simon-Gadhof

EUR 14,90
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Die industrielle Zivilisation hat keine Zukunft. Sie basiert grundsätzlich auf unbegrenztem Wachstum – auf einem begrenzten Planeten. Die unverminderte, rücksichtslose Verbrennung von fossilen Rohstoffen heizt das Klima weiter an. Durch kleinteilige Reformen und technologische Innovationen, wie sie gegenwärtig auf der politischen Agenda stehen, wird sich das Problem aber nicht in den Griff bekommen lassen. Eher früher als später wird – so die These – das globale kapitalistische System sein Ende finden, zerstört aufgrund der von ihm selbst hervorgebrachten ökologischen Widersprüche. Wenn die Menschheit nicht – nach heutigem Stand völlig unerwartete – radikale Schritte unternimmt, wird der Zusammenbruch der Industriegesellschaft, wie wir sie kennen, in ein Desaster münden.



Der britische Philosoph Rupert Read und der australische Nachhaltigkeitsforscher Samuel Alexander versuchen in diesem Gesprächsbuch der wahrscheinlichen Entwicklung ungeschönt ins Auge zu blicken. Worin liegen die Gründe für die intellektuelle Scheu (die die Fridays-for-Future-Generation nicht mehr hat), sich mit der katastrophalen Perspektive auseinanderzusetzen? Was speist die Hoffnung, es werde schon eine technische Lösung vom Himmel fallen? Und welche begründeten Handlungsoptionen bleiben uns?



Mit realistischem Blick und einer dennoch ungebrochen positiven Haltung stellen sich Read und Alexander dem unbequemen Gespräch über das Ende der Industriegesellschaft und was danach kommt.
Rezension
Bei dem kleinen Gesprächsband handelt es sich um das "Buch der Stunde": Rupert Read, Philosoph an der University of East Anglia in Norwich, und Samuel Alexander, Umweltökonom und Nachhaltigkeitsforscher an der University of Melbourne, führen mehrere Gespräche über die Klimakrise und die Chance eines Neuanfangs. Der Band erschien zunächst in englischer Sprache 2019 und wurde 2020 aus dem Englischen übersetzt von Marcel Simon-Gadhof und mit einem Nachwort versehen von der Umweltaktivistin Helena Norberg-Hodge. Die These ist beängstigend: Angesichts der Klimakrise und anderer Herausforderungen sei die "Zivilisation gescheitert", so die Gesprächsführer. Für die jetzige Zivilisation entwickeln sie drei Szenarien: 1. Die Zivilisation könne gänzlich und endgültig zusammenbrechen. Etwas hoffnungsvoller: 2. Der Zivilisation gelinge es, den Keim für eine zukünftige Zivilisation zu legen. 3. Der Zivilisation gelinge auf radikale Weise eine Kehrtwende, so dass der Zusammenbruch doch noch abgewendet werden könne. Bisher hätten Politiker darauf gesetzt, die globale Klimakrise unter Kontrolle zu bekommen, im Angesicht mangelnder und mangelhafter Umsetzungen sei diese Option aber zunehmend unwahrscheinlich. Dass Read und Alexander insbesondere auch die Szenarien 1 und 2 in den Blick nehmen und als Alternativen aufzeigen, gehört gerade auch zum Anliegen des Buches, nämlich "rückhaltlos ehrlich" zu sein: Nicht als Politiker und nicht als Wissenschaftler und auch nicht als Aktivisten führen sie das Gespräch, sondern "als Menschen, die so klar wie möglich ihre Situation und ihr Dasein in dieser krisenhaften historischen Lage zu verstehen versuchen" (S. 7). Wenn man sich die Möglichkeit des Scheiterns einer ganzen Zivilisation erst einmal vor Augen geführt hat, steigt auch der Handlungsdruck alternative Konzepte umzusetzen. Um diesen Themenkomplex drehen sich dann die folgenden Gespräche. Ein Beispiel aus Kapitel 12: Was ist die Aufgabe eines (akademischen) Lehrers in der Zeit der niedergehenden Zivilisation? Man dürfe das extreme Ausmaß der gegenwärtigen Krisen nicht verschweigen, auch wenn akut keine Lösungen angeboten werden können. Aber: "Wir sollten unsere Studierenden bei jeder Gelegenheit freiheraus über das extreme Ausmaß der Umweltkrise unterrichten sowie darüber, wie veraltet ihr Lehrangebot in den Wirtschaftswissenschaften (und genau genommen: jedes Lehrangebot) ist und wie sehr sich unsere Spezies von der Realität entfernt hat“ (S.69). Dazu gehöre auch die Aufgabe der Intellektuellen und Lehrer, mit sich selbst „ins Reine zu kommen“ (ebd.): „Wir sollten sagen, wie es ist; und wir sollten uns dafür entschuldigen, dass wir nichts Besseres zu erzählen und keine bessere Welt zu verschenken haben“ (ebd.).

Fazit: Man kann nur loben, dass der Gesprächsband nun auch in deutscher Sprache erschienen ist und damit eine Perspektive in die breite Öffentlichkeit getragen wird, die vorher nur sehr abstrakt erschien: Dass es längst zu spät ist, die Zivilisation vor den verheerenden Folgen der Klimakrise zu bewahren. Ein „Weiter so“ kann es nicht geben. Allerdings bleibt auch die Hoffnung, einer zukünftigen Zivilisation Lebensgrundlagen zu hinterlassen, auf denen sie aufbauen kann, um ein Fortbestehen der Menschheit insgesamt zu ermöglichen. Es wird zwar auch eine radikale Kehrtwende in der Politik nicht ausgeschlossen, die ein Fortbestehen der jetzigen Zivilisation möglich macht, doch diese Zivilisation würde sicherlich ganz anders aussehen als wir unsere heute kennen. Kurz gesagt: Man muss dieses Buch lesen, um zu verstehen, dass es auf der globalen Uhr eher schon kurz nach als kurz vor zwölf Uhr ist.

S. Düfel, für Lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Wie damit umgehen, dass sich die pessimistischsten Szenarien angesichts des Nichthandelns der industrialisierten Menschheit in der Klimakrise als realistisch zu erweisen beginnen? Ein Philosoph und ein Umweltwissenschaftler sprechen in diesem Buch über technologische Illusionen, zivilen Ungehorsam und die gesellschaftlichen Chancen, die die Krise trotz allem eröffnet.
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis 5

1. Der Blick in den Abgrund 7
2. Klimachaos: ein »schwarzer« oder ein»weißer Schwan«? 13
3. Technologische Verführungen 17
4. Geo-Engineering und Vorsorgeprinzip 21
5. Soll man mit Klimaleugnern diskutieren? 27
6. Der Gott des Grünen Wachstums hat uns verlassen 31
7. Ziviler Ungehorsam und "Extinction Rebellion" 37
8. Politik und Spiritualität 43
9. Die Lösung des Armutsproblems: »Entwicklung« oder Post-Entwicklung? 49
10. Technologie nach dem Ende des Empire 57
11. Das »Informationsdefizit«-Modell des Wandels 61
12. Die Rolle von »Lehrern« in einer niedergehenden Zivilisation 67
13. Die Krise als Chance 71
14. Die Sterilität der Einbildungskraft 83
15. Die existentielle Leere, die der Konsumismus nicht füllen kann 87
16. Kultur und politische Ökonomie 93
17. Der Neubeginn ist nah 101

Nachwort von Helena Norberg-Hodge 107

Anmerkungen 115

Register 131