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Die Welt als Spiel. II, Kunstpädagogik: Theorie und Praxis künstlerischer Bildung
Die Welt als Spiel. II, Kunstpädagogik: Theorie und Praxis künstlerischer Bildung




Carl-Peter Buschkühle

Athena Verlag
EAN: 9783898962834 (ISBN: 3-89896-283-0)
344 Seiten, 16 x 24cm, Juni, 2007, 87 schwarz-weiße Abbildungen

EUR 19,50
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Siehe Werbetext
Rezension
„Die Absicht der vorliegenden Arbeit war und ist es, Impulse für eine veränderte künstlerische Bildungspraxis zu entwickeln.“ (Buschkühle)
In Band I „Kulturtheorie: Digitale Spiele und künstlerische Existenz“ des zwei Bände umfassenden Werks „Die Welt als Spiel“ hatte Carl-Peter Buschkühle eine eindrucksvolle Übersicht über die Situation des Subjekts in einer durch Polyvalenz, Heterogenität, Pluralität und zunehmende Digitalisierung ausgezeichneten Lebenswelt vorgelegt. Der Grundtenor dieses kulturwissenschaftlich wie philosophisch geprägten Untersuchung ist es gewesen, das Subjekt unter der Prämisse des spielerischen Umgangs mit seiner Welt als handlungsfähig herauszustellen. Buschkühle hatte deutlich gemacht, dass diese Handlungsfähigkeit keine voraussetzungslose sein könnte, sondern vom Subjekt selbst einige Voraussetzungen verlangte, die durch Schulung im Sinne einer „Klugheitserziehung“ des von ihm viel zitierten Wilhelm Schmids erreicht werden könnten.

Im zweiten Band „Kunstpädagogik: Theorie und Praxis künstlerischer Bildung“ nun stellt Buschkühle seine Version einer „künstlerischen Klugheitsbildung“ vor. Diese nennt sich allerdings anders, nämlich „künstlerische Bildung“ und setzt sich durch diese Terminologie in ein sichtbares Spannungsverhältnis zur „ästhetischen Bildung“, die Otto und Selle, allerdings selbst in unterschiedlicher Auslegung, über lange Zeit zur wegweisenden Richtung der Kunstpädagogik erklärt hatten. Buschkühle weist selbst darauf hin, dass er mit dem Vorhaben, mit der künstlerischen Bildung eine Art neues Paradigma der Kunstpädagogik einzuläuten, nicht allein auf weiter Flur stehe, sondern seine Arbeit im Kontext diverser Bemühungen zu sehen sei, das künstlerische Experimentieren, Machen und Schaffen wieder mehr in den Unterricht einzubinden, anstatt im einen Fall das Fach einseitig auf den Begriff der ästhetischen Rationalität, im anderen Falle auf das subjektive Erleben des individuell Erfahrenden zu reduzieren.
Wie es anzunehmen war, nutzt Buschkühle für dieses Vorhaben jenes Begriffsinventar, das er sich im Verlauf des ersten Bandes und in Auseinandersetzung mit den dort aufgeführten wissenschaftlichen Positionen erarbeitet hat. Mit dem Lesen der letzten Seite von Band 1 fühlte sich der Leser bereits gut vorbereitet für eine Skizzierung des konkreten kunstpädagogischen Vorhabens, nun allerdings lässt Buschkühle ziemlich lange auf diese Konkretisierung und auf Ausführungen zur Praxis warten, was als Kritikpunkt an diesem zweiten Band festzuhalten ist. Nach einer Positionierung innerhalb des kunstpädagogischen Feldes, wie sie oben im Text bereits angedeutet wurde, folgt eine Wiederholung der wichtigen Positionen aus Band 1, die sich über 40 Seiten erstreckt. Für den Leser, welcher allein den zweiten Band zu rezipieren beabsichtigt, ist dies sicherlich sinnvoll, ansonsten sind diese Seiten getrost zu überblättern, weil es sich um Altbekanntes handelt. Erweitert wird diese Darstellung im weiteren Verlauf nun dadurch, dass Buschkühle die gewonnenen Thesen an Beispielen der Kunst (Bill Viola und Mariko Mori) illustriert, was zweifelsohne interessant ist, allerdings weiterhin noch nicht jene pädagogische Konkretisierung ist, auf die man sich eingestellt hatte. Bevor diese ab Seite 205 (zu diesem Zeitpunkt sind bereits zwei Drittel des Buches gelesen) beginnt, folgt nun die in Band 1 nicht vorgenommene wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Adornos Grundbegriff der „Nichtidentität“. Nicht, dass die Einführung dieses Begriffs als unwesentlich erachtet werden müsste – sie erscheint allerdings zu diesem Zeitpunkt als etwas ortlos. Sollte sie nicht vielmehr im Rahmen des ersten Bandes behandelt worden sein? Es bietet sich doch geradezu an, Adorno im Kontext der Vorbereitung postmoderner Überlegungen zu betrachten, wie es beispielsweise Wolgang Welsch oder Albrecht Wellmer getan haben. Bis zum Kapitel „Künstlerische Projekte im Unterricht“ scheint die Ausrichtung dieses Bandes nicht ganz klar zu sein: Kunstpädagogische Positionierung, dann Darstellung wissenschaftlicher Deutungen unseres Zeitalters, dann kunstwissenschaftliche Analyse künstlerischer Werke, dann eine wissenschaftliche Einführung in Grundbegriffe Adornos und dann – schließlich – endlich –: die ersehnte Praxisausrichtung.
Diese startet mit einer übersichtlichen Darstellung des bereits erwähnten Begriffsinventariums, namentlich: „Spiel“, „Erzählung“, „Recherche-Konstruktion-Transformation“, „Selbstbewegung und Selbstverortung“, „Induktion-Experiment-Kontextualität“, „das Nichtidentische“, „das selbstbestimmte, schöpferische Subjekt“. Buschkühle stellt in der Folge einige von ihm durchgeführte Unterrichtsprojekte in verschiedenen Schulstufen vor, die alle letztendlich auf das Beuyssche Arbeitsschema „Chaos – Bewegung – Form“ zurückzuführen sind und die oben dargelegten Begrifflichkeiten ins praktische Handeln übersetzen. Jeder Kunstpädagoge weiß aus eigener Erfahrung, wie schwierig es ist, die Kluft zwischen abstrakter Theorie und konkretem Handeln zu überbrücken. Mit Spannung war Buschkühles Sprung ins Praktische daher zu erwarten. Und überraschenderweise überzeugt er auch hier, genau wie er in der Theorie des ersten Bandes überzeugen konnte: Buschkühles Unterrichtsversuche, auf die nicht im Einzelnen eingegangen werden soll, zeichnen sich allesamt durch eine projektartige Anlage aus. Beeindruckend ist nicht nur die hohe Schülerorientierung der darstellten Unterrichtseinheiten (immer durch eine induktive Phase am Anfang in die Wege geleitet), sondern auch das Übergreifende aller Entwürfe, was neben Fächerübergriffen und häufig freier Wahl künstlerischer Techniken die Metamorphose von einem thematischen Schwerpunkt zu einem anderen meint. Es gibt kein stumpfes Nacheinander von zwei voneinander unabhängigen Themenblöcken. Große Projektentwürfe beinhalten hingegen organisch ineinander verwachsene Ideen, die nicht nur in ihrer Entwicklung die Partizipation durch die Schüler ermöglichen, sondern auch ein konzentriertes Arbeiten derselben an ganz eigenen und individuellen Fragestellungen implizieren. Entsprechend überzeugend sind auch die Ergebnisse der Schüler, welche Buschkühle exemplarisch als Dokumente der Unterrichtsreihen anführt.

Auch wenn dieser zweite Band durch Wiederholungen und einige theoretische (inhaltlich aber wirklich interessante) Exkurse, die vielleicht im ersten Band besser aufgehoben gewesen wären, dem auf die Praxis gespannten Leser einige Geduld abverlangt, so wird diese Geduld doch im praktischen Teil wirklich belohnt, da dieser neben der Exemplifizierung von Buschkühles didaktischem Modell dem kunstdidaktischen Praktiker zahlreiche Impulse für die eigene Arbeit liefert. Wie im ersten Band ist also eine eindeutige Empfehlung auszusprechen. Tun wir's in diesem Fall mit Elke Heidenreich: Lesen!

Dana Braunert, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Die Welt als Spiel untersucht einflussreiche Aspekte der Gegenwartskultur und bestimmt davon ausgehend bedeutsame Herausforderungen und Eigenschaften einer zeitgemäßen künstlerischen Bildung. Im kulturtheoretischen ersten Band wird das Spiel als markantes Element der postmodernen Gesellschaft untersucht. Dabei stehen nicht Eventkultur und elektronische Spiele im Vordergrund, vielmehr wird das Spiel als charakteristische Eigenschaft des selbstbestimmt handelnden Subjekts aufgefasst. In dem Maße, in dem fortschreitende Entwicklungen der digitalen Technologien auf unterschiedlichen Gebieten dieses humanistische Ideal gefährden, gewinnen Fragen nach Eigenschaften und Chancen eines schöpferischen Individuums und seiner Lebenskunst neue Bedeutung.
Auf der Grundlage dieser Überlegungen erforscht der kunstpädagogische zweite Band Merkmale einer künstlerischen Existenz und eines künstlerischen Denkens als Zielperspektiven für eine zeitgenössische künstlerische Bildung. Untersuchungen zur Gegenwartskunst im Bereich der neuen Medien sowie zur Theorie der künstlerischen Produktion vertiefen die Bestimmungen von Eigenschaften und Herausforderungen einer künstlerischen Pädagogik. Die Arbeit mündet in einer Theorie der Ziele, Inhalte und Methoden künstlerischer Bildung sowie in einer umfangreichen Darstellung ihrer Praxis, welche künstlerische Projekte zu unterschiedlichen Themen in verschiedenen Jahrgangsstufen vorstellt. Die Welt als Spiel unternimmt auf diese Weise den Versuch einer Grundlegung künstlerischer Bildung.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 11

1 Einleitung 15

2 Einführungen in die künstlerische Bildung 21
2.1 Ästhetische und künstlerische Bildung 21
2.2 Kunstpädagogik im Spielfeld des erweiterten Kunstbegriffs 27
2.3 Künstlerische Bildung zwischen Unterrichtsfach und Lernprinzip 32
2.4 Künstlerische Bildung im kunstpädagogischen Diskurs 34

3 Elemente der künstlerischen Existenz 47
3.1 Selbstbewegung – Selbstverortung 47
3.2 Spielerische Erzählung 51
3.3 Künstlerische Transformationen 54
3.3.1 Beispiel Beuys-Aktion 54
3.3.2 Transformation und ästhetische Differenz 56
3.4 Künstlerisches Denken 59
3.4.1 Strukturelle Komplexität 59
3.4.2 Multiperspektivische Kontextualität 63
3.4.3 Positionierungsfähigkeit 66
3.5 Künstlerische Ethik: Intuition und Ironie 68
3.6 Lebenkunst und künstlerische Bildung 72

4 Künstlerische Erzählung mit neuen Medienwahl 77
4.1 Bill Viola 77
4.1.1 Differente Perspektiven 77
4.1.1.1 „He Weeps for You“ 78
4.1.1.2 „Anthem“ 86
4.1.2 Vergegenwärtigung des Körperlichen 94
4.1.2.1 „Reasons for Knocking at an Empty House“ (1983) 95
4.1.2.2 „Reasons for Knocking at an Empty House“ (1982) 95
4.1.2.3 „The Greeting“ 97
4.1.2.4 „Nantes Triptych“ 99
4.1.2.5 „The Messenger“ 100
4.2 Mariko Mori 103
4.2.1 „Birth of a Star“ 105
4.2.2 „Esoteric Cosmos“ 107
4.2.3 „Kumano“ 110
4.3 Foto, Video, Computer – experimentelle Räume für die künstlerische Bildung 111

5 Künstlerisches Denken und künstlerische Produktion 116
5.1 Theodor W. Adorno: Negative Dialektik 116
5.1.1 Das Geschichtliche 120
5.1.2 Empfindung 124
5.2 Ästhetische Theorie 126
5.2.1 Autonomie der Kunst und Ausdruck des Nichtidentischen 127
5.2.2 Transformationsarbeit zwischen Mimesis und Konstruktion 129
5.2.3 Montage 131
5.2.4 Beispiel Rauschenberg 133
5.2.4.1 „Allegory“ 133
5.2.4.2 „Axle“ 133
5.2.5 Die Arbeit des Künstlers 143
5.2.6 Vom Geist des Kunstwerks 145

6 Nichtidentität und künstlerische Bildung 157
6.1 Nichtidentität als existentielle Grundbedingung 157
6.2 Kunst als Ort des spielerischen Umgangs mit der Nichtidentität
6.3 Ausbildung des künstlerischen Denkens 160
6.4 Das künstlerische Projekt 168
6.4.1 Polaritäten als Herausforderung und Spielraum künstlerischer Bildung 171
6.4.2 Beispielsskizze eines Projektes 175
6.4.3 Lenen im künstlerischen Projekt 182
6.4.4 Neurobiologische Aspekte 186
6.4.5 Spielerisches Lernen und Kritikfähigkeit l90
6.5 Dekonstruktive Pädagogik 193
6.6 Von der Kritik zur Ironie 196
6.7 Anforderungen an den Kunstlehrer und seine Ausbildung 199

7 Künstlerische Projekte im Unterricht 205
7.1 Papier – Spielerische Erkundung und Transformation eines Materials 208
7.1.1 Experimente 208
7.1.2 Aufgabe 210
7.1.3 Schülerarbeiten 212
7.1.4 Lernaspekte 217
7.1.5 Erweiterungen 219
7.1.6 Strukturelemente des künstlerischen Projekts 220
7.2 „Lernt lügen mit dem Fotoapparat!“ Ferienprospekte eines Ortes, den es gar nicht gibt 224
7.2.1 Konzept 225
7.2.2 Einführung 226
7.2.3 Aufgabenteil I: Fotografie 229
7.2.4 Exkurs I: Romantik 231
7.2.5 Zwischenbilanz 233
7.2.6 Exkurs II: Südafrika 235
7.2.7 Aufgabenteil II: Prospekt 236
7.2.8 Lernaspekte 241
7.3 Die Geschichte einer Maske 242
7.3.1 Kultmasken 242
7.3.2 Maskengestaltung 245
7.3.3 Figuren 248
7.3.4 Behausungen 249
7.3.5 Verkleidung 251
7.3.6 Lernprozess 254
7.4 Phantastische Fahrzeuge auf Reisen 256
7.4.1 Fahrzeuge als Bedeutungsträger 257
7.4.2 Magische Gefährte 258
7.4.3 Aufgabenstellung 262
7.4.4 Entwurfsarbeit 263
7.4.5 Arbeit an der Geschichte 267
7.4.6 Modellbau 269
7.4.7 Fotografie 274
7.4.8 Digitale Montage 276
7.4.9 PC oder Malerei? 278
7.4.10 Beispiele von Fahrzeugen 281
7.4.11 Arbeiten von Studierenden 286
7.4.12 Lernaspekte 288
7.5 Selbstinszenierung – Fotografie 289
7.5.1 Erste Experimente: Darstellung des Kopfes 290
7.5.2 Aufgabe: Selbstinszenierung 291
7.5.3 Selbstwahrnehmung in der Selbstentfremdung 294
7.5.4 Auseinandersetzung mit der künstlerischen Fotografie 296
7.5.5 Fotografische Selbstinszenierungen 299
7.6 Zwei Videos 309
7.6.1 Ina Rosenstock: „Farbe der Erinnerung“ 311
7.6.1.1 Aspekte der spielerischen Erzählung des Videos 314
7.6.2 Matthias Vergers: „Yaced Cinortcele“ 318
7.6.3 Elemente der künstlerischen Erzählung 324

8 Perspektiven künstlerischer Bildung 329

Abbildungsverzeichnis 333

Literaturverzeichnis 335