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Die Nordsee Eine Natur- und Kulturgeschichte
Die Nordsee
Eine Natur- und Kulturgeschichte




Richard Pott

Verlag C. H. Beck oHG
EAN: 9783406510304 (ISBN: 3-406-51030-2)
351 Seiten, Festeinband mit Schutzumschlag, 17 x 25cm, Dezember, 2003

EUR 34,90
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Die Nordsee, ihre vielfältigen Inseln und Küstenlandschaften, zählt nicht nur zu den beliebtesten Urlaubszielen, sondern ist vor allem ein einzigartiger Natur- und Kulturraum.

Dieses Buch zeichnet das differenzierte und aktuelle Portrait einer grandiosen Landschaft, ihrer Pflanzen, Tiere und Menschen. Eine in dieser Form bislang einmalige Biographie des großen Meers im Norden.

Viele von uns nehmen die Nordsee nur aus einer sehr eingeschränkten Perspektive wahr: als strandkorbgesäumtes Urlaubsparadies oder als Schauplatz drohender ökologischer Katastrophen. Richard Pott sucht diese Sichtweise deutlich zu erweitern, indem er zeigt, dass und weshalb der Nordseeraum, in dem heute rund 165 Millionen Menschen leben, eine Besonderheit unter den europäischen Naturlandschaften darstellt.

Hierzu zählt beispielsweise das circa 8000 km2 große Wattenmeer. Eine durch das ungehinderte Zusammenspiel der Naturkräfte entstandene, gezeitenabhängige Urlandschaft der Nacheiszeit, die es auf der Erde nirgends ein zweites Mal gibt. Potts Beschreibung der verschiedenen Nordseeinseln, seine Erläuterung der unterschiedlichen Küstenmarschen und der jeweiligen Besiedlungsformen durch Menschen, Tiere und Pflanzen zeichnen das sehr differenzierte Bild eines großartigen Natur- und Kulturraumes, wobei natürlich auch auf die Besonderheiten der übrigen Anrainerstaaten, wie die Dänemarks, Norwegens oder Großbritanniens, eingegangen wird. Ein einmaliges Portrait des großen Meers im Norden, seiner Geschichte und Menschen.
Rezension
Richard Pott beschreibt die Nordsee wissenschaftlicher als es die Aufmachung vermuten lässt. Es gelingt ihm interdisziplinär die Zusammenhänge von Biologie, Ökologie, Klimaforschung bis hin zu Kultur, Geschichte und Tourismus zu durchleuchten: gut lesbar, aber doch anspruchsvoll.
Das Buch enthält so indirekt vielfältige Anregungen zu fächerübergreifendem Unterricht und Projektideen, kann aber auch als anregende Urlaubslektüre empfohlen werden.

Christoph Ranzinger, lehrerbibliothek.de


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„Der Direktor des Instituts für Geobotanik der Universität Hannover repräsentiert eindrucksvoll die Vernetzung – oder Wiedervereinigung – wissenschaftlicher Spezialdisziplinen. Er schildert sozusagen „ganzheitlich“ den Nordseeraum als ein Gefüge, in dem Wind und Wetter, Wasser und Land, Tiere und Pflanzen, Bauern, Fischer und Touristen, Machthaber und Beherrschte, Gletscher und Flüsse, Sonne und Mond in faszinierender Dynamik zusammenspielen. (...) ist sein Buch eine anregende, streckenweise spannende Darstellung der gewaltigen Naturkräfte, eindrucksvollen Kulturleistungen und wachsenden Nutzungsinteressen in diesem kleinen Schelfmeer am Rande des Weltozeans.“
Christian Schütze, Süddeutsche Zeitung, 05. Februar 2004

„Nordsee – Eine einzigartige Kulturgeschichte
(...) Richard Pott, Biologe und Professor für Vegetationsgeografie und Landschaftsökologie an der Uni Hannover, hat jetzt eine exzellente und bislang in dieser Fülle einmalige Natur- und Kulturgeschichte des Nordseeraumes vorgelegt. Für jeden maritim Interessierten bietet der illustrierte Band ‚Die Nordsee‘ einen profunden Blick auf Meeresgewalten ebenso wie auf Schifffahrt, Leuchttürme und Biotope.“
Die Welt, 13. Januar 2004

„... wer eine abwechslungsreiche und kompetente Übersicht sucht, hat es schwer. Hier füllt Richard Pott mit ‚Die Nordsee – Eine Natur- und Kulturgeschichte‘, einer guten Mischung aus Naturkunde und Naturgeschichte, historischen Abhandlungen und praktischen Reisehinweisen, eine Lücke. Der flüssig und verständlich geschriebene Text wird durch Grafiken, Aufnahmen von Küsten, Inseln und Städten sowie Farbfotos von Pflanzen und Tieren ergänzt.“
Daniel Dreesmann, Neue Zürcher Zeitung, 17. Dezember 2003

"Besonders Potts Ausführungen zur Entstehung von Dünenlandschaften und deren typischen Vegetationsformen regen dazu an, mithilfe seines reich illustrierten Buchs vor Ort in den Landschaften der Nordseeküste zu lesen."
Ulrich Baron, Die Zeit, 13. November 2003
Verlagsinfo
Biographie eines Meeres

Die Nordsee, ihre vielfältigen Inseln und Küstenlandschaften, zählt nicht nur zu den beliebtesten Urlaubszielen, sondern ist vor allem ein einzigartiger Natur- und Kulturraum. Dieses reich bebilderte Buch zeichnet das differenzierte und aktuelle Portrait einer grandiosen Landschaft, ihrer Pflanzen, Tiere und Menschen. Eine in dieser Form bislang einmalige Biographie des großen Meers im Norden und seiner Geschichte. Viele von uns nehmen die Nordsee nur aus einer sehr eingeschränkten Perspektive wahr: als strandkorbgesäumtes Urlaubsparadies oder als Schauplatz drohender ökologischer Katastrophen. Richard Pott erweitert diese Perspektive deutlich, indem er zeigt, daß und weshalb der Nordseeraum, in dem heute rund 165 Millionen Menschen leben, eine Besonderheit unter den europäischen Naturlandschaften darstellt. Hierzu zählt beispielsweise das rund 8000 km² große Wattenmeer. Eine durch das ungehinderte Zusammenspiel der Naturkräfte entstandene, gezeitenabhängige Urlandschaft der Nacheiszeit, die es auf der Erde kein zweites Mal gibt. Auch die Beschreibung der verschiedenen Nordseeinseln, der unterschiedlichen Küstenmarschen und der jeweiligen Besiedlungsformen durch Menschen, Tiere und Pflanzen zeichnet das sehr differenzierte Bild eines großartigen Natur- und Kulturraumes, wobei natürlich auch auf die Besonderheiten der übrigen Anrainerstaaten, wie die Dänemarks, Norwegens oder Großbritanniens, eingegangen wird. Daneben bleibt die zentrale Rolle des Tourismus und anderer Industriezweige, wie Fischerei und Schiffahrt, sowie ihre Bedeutung und Folgen für die Nordseeregion nicht unerwähnt. Wie auch die kritische Auseinandersetzung mit Fragen der Meeresverschmutzung, des Anstiegs des Meeresspiegels etc. ausführlich betrieben wird. Alles in allem die beeindruckende Gesamtdarstellung eines einzigartigen Meeres.

Der Autor
Richard Pott, Biologe und Professor für Vegetationsgeographie und Landschaftsökologie, ist Direktor des Instituts für Geobotanik der Universität Hannover. Er beschäftigt sich hauptsächlich mit Themen der Biogeographie sowie der Vegetations- und Landschaftsgeschichte.

Inhaltsverzeichnis
Prolog

1. Steigt der Meeresspiegel? - Klimafakten und Klimawandel

2. Dynamische Nordsee-Küstenlandschaften als Folge der Eiszeiten

3. Ebbe und Flut - Kräfte an Küsten und in der Nordsee

4. Siedlungs- und Deichbaugeschichte des Nordseeraumes

5. Friesen, Chauken, Sachsen und Wikinger - wechselvolles Leben unterm Einfluss der Nordsee

6. Einzigartig auf der Welt - Inseln aus dem Meer

7. Wandern im amphibischen Meer

8. Ein Paradies für Seevögel, Meerestiere und Salzpflanzen

9. Wo die See das Land umschlingt - die schönsten Salzwiesen und Dünentäler

10. Die Kunst, mit der See zu leben

11. Im Land von Klaus Störtebeker - die ostfriesische Halbinsel

12. Beginn des Tourismus - Fremdenverkehr und Nationalparks

13. Umwelt als knappes Gut - Warnsignale aus dem Wattenmeer

14. Das Naturpotential des Wattenmeer-Insel-Ökosystems

15. Norderney - eine Modellinsel für den umweltverträglichen Tourismus

16. An der Küste von Schleswig-Holstein und Dänemark

17. Rote Insel im Meer - Die Lange Anna magert bedenklich ab

18. Leuchttürme, Windparks, Seezeichen und andere maritime Besonderheiten

19. Die Nordseeschifffahrt - vom Krabbenkutter bis zum Kreuzfahrtschiff

Epilog
Leseprobe
1. STEIGT DER MEERESSPIEGEL?- KLIMAFAKTEN UND KLIMAWANDEL

Anwohnern der Küste ist die Bezeichnung «Normalnull», die mit «NN» abgekürzt wird, vertraut. Die Höhe der Landschaft oder des Deiches wird in «Metern über NN» angegeben. Mit NN wird der mittlere Meeresspiegel bezeichnet, der sich aus langjährigen Beobachtungen ergibt. NN ist der 1912 festgelegte mittlere Meeresspiegel als Ausgangsniveau für alle Höhenmessungen in der Nordsee. Küstenbewohnern ist aber ebenso vertraut, dass der Meeresspiegel nicht nur durch veränderte Gezeiten von dem einmal festgelegten NN abweicht, denn langfristige Trends werden beobachtet, die, über Jahrhunderte gesehen, Meeresspiegeländerungen von mehreren Metern ausmachen können. Hier im Nordseeraum gewann man erstmals zusammenhängende Vorstellungen über die Entwicklung dieses veränderlichen Lebensraumes von den Eiszeiten bis zur Gegenwart.

In der aktuellen Diskussion um einen Klimawandel auf der Erde wird häufig von dramatischen Änderungen des Meeresspiegels gesprochen. In den Medien findet man Berichte über abschmelzende Polkappen, die Verringerung der arktischen Meereisdecke, das Abbrechen großer Tafeleisberge von den Eisschelfen der Antarktis, den Rückgang der alpinen Gletscher, den langsam ansteigenden Meeresspiegel und die biogeographischen Veränderungen der marinen und terrestrischen Lebensräume oder gar über zukünftige Warm- oder Eiszeiten. Die naturwissenschaftliche Forschung an diesem Phänomen belegt aber vielfach, dass derartige Zukunftsszenarien häufig übertrieben dargestellt werden.

Menschliches Handeln hat bislang offenbar zu einem weiten Effekt globalen Ausmaßes geführt: Die Änderung der Zusammensetzung der Atmosphäre beispielsweise durch das Verbrennen fossiler Kohlenstoffe oder als Folge der Abholzung von natürlichen Wäldern haben den Anteil an Kohlendioxid (CO2) dermaßen erhöht, dass innerhalb des nächsten Jahrhunderts mit einer erdweiten Änderung des Klimas und einer globalen Erwärmung der Erdoberfläche von deutlich mehr als einem Grad Celsius als Folge des Treibhauseffekts zu rechnen ist. Auf der Erde ist die Verbreitung von Tier- und Pflanzenarten hauptsächlich durch Klimaparameter bestimmt, und es wird angenommen, dass Änderungen der Temperatur oder der Niederschläge auch die Ausdehnung der Großlebensräume beeinflussen. In jüngster Zeit häufen sich Berichte über Verhaltensanpassungen von Pflanzen und Tieren und sich ändernde Artareale als Folge der wärmeren Klimabedingungen der vergangenen drei Jahrzehnte. Nachdem im vergangenen Jahrhundert die durchschnittliche Temperatur der Erdatmosphäre weltweit um rund 0,6 Grad Celsius angestiegen ist, rechnen Klimaexperten für die kommenden Jahre mit einer noch stärkeren Erwärmung, die naturraumabhängig negative oder positive Konsequenzen für Land- und Forstwirtschaft sowie für die Siedlungsflächen der Menschen in ökologisch sensiblen Regionen wie dem Nordseeraum haben kann.

Wärmere Temperaturen treiben aber auch den globalen Wasserkreislauf an. Dies äußert sich in zunehmend verstärkten Trockenzeiten oder Hochwasserereignissen in verschiedenen Teilen der Erde. Der Meeresspiegel steigt gegenwärtig um 2,4 Millimeter pro Jahr mit wahrscheinlicher Zunahme, wenn das Abschmelzen der Gletscher und Polkappen voranschreitet. Bis ins Jahr 2100 soll sogar mit einem Anstieg des mittleren globalen Meeresniveaus von 0,09 bis 0,88 Metern gerechnet werden. Kürzlich konnte obendrein eine Korrelation zwischen erhöhter Nordatlantischer Wellenoszillation und ansteigender Oberflächentemperatur nachgewiesen werden. Verschiedene Modelleweisen ferner darauf hin, dass auch mit einer verstärkten Niederschlagsintensität und einer Zunahme an Extremereignissen gerechnet werden muss, wie dies seit 1992 in den Berichten des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) nachzulesen ist. Hier ist jedoch Einhalt zum Nachdenken geboten: Zahlreiche Faktoren beschränken nach wie vor unsere Fähigkeiten und Möglichkeiten, eventuelle Folgen einer zukünftigen Klimaänderung wirklich aufzudecken und konkret abschätzen zu können. Eines ist jedenfalls klar, die Zusammensetzung der Vegetationsdecke in einem Naturraum, wie zum Beispiel im Wattenmeer oder auf den Inseln, hängt einmal von den Migrationsraten der Pflanzen und Tiere ab und zum anderen davon, wie rasch sich in diesem Kontext die Bodenverhältnisse und andere Umweltfaktoren ändern. Es ist zum heutigen Zeitpunkt in keiner Art und Weise gesichert, ob die Wanderungskapazitäten der Pflanzen und Tiere mit der Rate der sich ändernden Umweltbedingungen Schritt halten können und dass derzeit beobachtete Veränderungen in der Vegetation einzelner Regionen wirklich und ursächlich dem «Global-Warming-Phänomen» zugeordnet werden dürfen.

Einigkeit besteht jedoch darin, dass der aktuelle Temperaturanstieg zumindest teilweise auf die Verbrennung fossiler Energieträger, vor allem von Kohle und Erdöl, durch den Menschen und das dabei freiwerdende Kohlendioxid zurückzuführen ist. Das Problem: In der Erdatmosphäre nimmt das Kohlendioxid die Wärmestrahlung der Erde auf, und zwar speziell den Wellenbereich, der von der Erde zurückgestrahlt wird, nachdem sie von der Sonne aufgewärmt wurde. CO2 wirkt dabei wie das Glasdach eines Treibhauses: Es lässt das kurzwellige, von der Sonne einfallende Licht passieren, absorbiert aber die irdische Infrarotstrahlung. Wie gewichtig jedoch der anthropogene Beitrag für die Entstehung des sogenannten Treibhauseffektes und der daraus postulierten Klimaerwärmung im Vergleich zu natürlichen Klimavariationen wirklich ist, bleibt derzeit eine wichtige Frage.

Man sagt: Der Rückblick auf das Klima ist der Schlüssel für die Zukunft. Denn gerade rechtzeitig inmitten der aktuellen Klimadiskussion über das Kyoto-Protokoll von 1997 und seine Umsetzung – zum Beispiel nach Berlin 1999, Rio de Janeiro 2000, Den Haag 2000 und der Frage eventueller Folgen hinsichtlich der erwarteten globalen Klimaerwärmung - wurden in Johannesburg im September 2002 die komplexen Fragen der Ursachen und Prognosen von Klimaveränderungen sowie der Klimaentwicklung insgesamt behandelt und die bislang bekannten Fakten resümiert. Viele verantwortungsbewusste Politiker weisen auf die derzeit so wichtige Problematik hin und betonen auch, dass nicht allen Bürgern und politischen Entscheidungsträgern die Grenzen der derzeit verfügbaren Klimamodelle, die meist als Computersimulationen vorliegen, in ihren Dimensionen und in ihren Wirklichkeitsbezügen verständlich, nachvollziehbar und bewusst sind.

Liegen wir in der Kohlendioxid-Diskussion richtig – ist das CO2 ein quasi-finales Giftgas modernen Wirtschaftens? Wie forciert Wasserdampf, das wichtigste Treibhausgas überhaupt, unsere Klimaerwärmung? Die entscheidende Frage ist dabei die nach ihren Folgen. Ist es möglich, dass wir uns mit unseren Abgasen in eine neue Warmzeit heizen, in der die Polkappen schmelzen, flache Inseln untergehen und das Marschenland der Nordsee wieder überflutet wird? Oder ist die menschengemachte Erhöhung des CO2-Gehaltes der Atmosphäre im Rahmen des komplizierten Wechselspiels der vielen natürlichen Vorgänge nur ein kleiner Ausrutscher, der ohne große Folgen für das Klima und weitere zukünftige Meeresspiegelanstiege bleiben wird?

Paläoklimaforscher diskutieren bislang ständig Zweifel an einem ausschließlich anthropogenen Klimawandel, betonen aber auch, dass der Einfluss des modernen Menschen auf eine globale Erwärmung durch die Emission von Treibhausgasen nicht vollkommen auszuschließen ist. Es ist darüber hinaus schon lange bekannt, dass die Wissenschaftler mit geologischem und paläoökologischem Hintergrund bei der oftmals in den letzten Jahren prognostizierten Klimaentwicklung, die heute mit den Schlagworten «Global Warming» oder «Klimakatastrophe» belegt sind, mit Extrapolationen von Daten seit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert schon immer eher zurückhaltend waren.

Es ist außerdem hinlänglich bekannt, dass der Klimawandel seit dem Präkambrium, also seit 3 Milliarden Jahren, mit sich ständig verändernden Klimazonen in globaler Sicht sowie mit immer wiederkehrenden Warm- und Kaltphasen offenbar Spielart einer «gottgewollten Ordnung» ist, der wir ungezählte zyklische oder periodische Klimaveränderungen mit wiederkehrenden Abkühlungen und Erwärmungen in manchen Regionen der Erde verdanken. So wissen wir heute durch zahlreiche Messwerte, sogenannte Paläoklima-Proxydaten, dass sich die Erde seit etwa 2,6 Millionen Jahren im quartären Eiszeitalter befindet und dass unser Globus seither allein in dieser Phase mindestens 20 Kaltzeiten erlebt hat, wobei die sie trennenden Warmzeiten jeweils rund zehnmal kürzer waren als die Kaltzeiten. Selbst innerhalb der Kaltzeiten gab es Zwischenwarmzeiten, die das raue Klima kurzzeitig etwas freundlicher erscheinen ließen. Diese Klimaschwankungen sind jedes Mal deutlich in zahlreichen Pollendiagrammen mit entsprechenden Vegetationsschwankungen repräsentiert. Auf der nördlichen Hemisphäre wuchsen während der Eiszeiten gigantische Inlandeisschilde, die weite Gebiete Nordamerikas und Eurasiens bedeckten, die aber in den Warmzeiten wieder abschmolzen. Der heute noch vorhandene grönländische Eisschild ist ein solcher Rest, der bei weiterer Erwärmung in Zukunft auch noch schmelzen kann. Während der Eiszeiten wurde über den atmosphärischen Wasserkreislauf durch Verdunstung und Niederschlag dem Weltmeer so viel Wasser entzogen, dass der weltweite Meeresspiegel um bis zu 140 Meter absinken konnte. Gegen Ende einer Eiszeit wurde das in den Eisschilden gespeicherte Wasser nach deren Abschmelzen wieder dem Ozean zugeführt, was damals zu weiträumigen und dramatischen Überschwemmungen der Küstenzonen führte.

Die Grundlagen dafür sind mit den sogenannten «äußerem» und «inneren» Klimafaktoren zu beschreiben: Die Sonne ist ein Klimafaktor ersten Ranges, und ihre Rolle als «Energiefabrik» ist immens: Sie strahlt nicht gleichmäßig wie eine Glühbirne, sondern ihre verschiedenen Sonnenfleckenzyklen und die Zwischenzeiten geringerer Aktivität, die Interferenzen, haben offenbar das Klima auf der Erde bis in allerjüngste Zeit bestimmt. Johannes Fabricius, ein Medizinstudent aus Ostseel bei Norden in Ostfriesland, und sein Vater, David Fabricius, der dortige Pastor, entdeckten im Jahre 1611 dort durch ein Fernrohr die Sonnenflecken zum ersten Mal. Das sind dunkle Stellen in der Lichthülle der Sonne, die in einem elfjährigen Zyklus auffälligste Anzeichen einer wechselnden Sonnenaktivität sind. Auch die Wirkungen der globalen Land-Meer-Verteilung heute und in der Erdvergangenheit sowie die Verschiebung der Kontinente hatten entsprechende Folgen für das Klima, und sie sind weiterhin fundamentale Bestandteile von Klimaänderungen. Solche Klimaschwankungen mit ihren Wechseln von Warm- und Kaltzeiten bilden somit einen besonders wertvollen Aspekt der neuen Klimaforschung: Wir kennen nun in groben Zügen die natürlichen klimatischen Grundphänomene und die Rolle des Menschen in der jetzigen Nacheiszeit, also im Holozän, für Nordwesteuropa.

Aus historisch-globaler Sicht wissen wir ferner, dass die Konzentration des Kohlendioxids im Erdaltertum teilweise deutlich höher war als heute. Das trifft auch für geologische Epochen zu, in denen sich die großen Eisschilde von den Polen her ausbreiteten, so etwa im Karbon und im Perm vor 360 bis 290 Millionen Jahren. Darüber hinaus belegen die Rekonstruktionen von Temperatur und Kohlendioxid, dass atmosphärischer Kohlendioxidgehalt und die Lufttemperatur über die letzten Millionen Jahre hinweg nicht immer im Gleichschritt verliefen. In Anbetracht unseres zunehmenden Wissens um die Bedeutung beispielsweise des jüngst ins Spiel gebrachten Wasserdampfes als Treibhausgas kommt dem neu diskutierten Paradigmenwechsel von der bisherigen Nutzung fossiler Energieträger zur künftigen Nutzung und Verwendung von Wasserstoff als vorherrschendem Brenngas eine besondere Bedeutung zu: Dabei sollte man in der Diskussion auch die Erkenntnisse der Meteorologen nutzen, die vermuten, dass die Hälfte des heute freigesetzten Wasserdampfes aus der in großen Höhen der Atmosphäre ablaufenden chemischen Umwandlung des Spurengases Methan stammt. Wir wissen es inzwischen sehr gut: Die Zunahme des Wasserdampfes hat heutzutage gleich zwei ungünstige Auswirkungen; zum einen begünstigt eine feuchte Atmosphäre in großen Höhen die Bildung von Eiskristall- Wolken oder sogenannten polaren stratosphärischen Wolken. An den Eiskristallen laufen die chemischen Reaktionen ab, die zur Zerstörung der Ozonschicht führen. Nimmt der Wasserdampf also weiter zu, ist damit zu rechnen, dass sich das Ozonloch über der Antarktis und möglicherweise auch die Ozonverluste über der Nordhalbkugel trotz eingeleiteter Gegenmaßnahmen nicht wie erwünscht zurückbilden, sondern womöglich im Gegenteil bedrohlicher werden. Zum anderen absorbiert der zunehmende Wasserdampf mehr Wärme. Im Gesamtsystem der Atmosphäre ist also der Wasserdampf mit mehr als 66 Prozent ein entscheidender Faktor für die Speicherung von Wärmeenergie, gefolgt von Kohlendioxid und Ozon mit je 15 Prozent und den weiteren Treibhausgasen Stickoxide ( 0,14 Prozent), FCKW ( 0,28 Prozent), Methan ( 0,47 Prozent) sowie übrigen Gasen mit einem Gesamtvolumen von etwa 5 Prozent. Welche Auswirkungen diese Phänomene im Einzelnen in ihrem Zusammenwirken für das Klima, für Klimaänderungen und deren Konsequenzen auf die Küstenlandschaften insgesamt haben, wird zunehmend bedeutsamer.




Quelle: S. 15-20; Copyright Verlag C.H.Beck oHG